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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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sie. Die jetzt weitverbreitete Armut muß bei den reichen natürlichen Hilfs¬
quellen des Landes einem allgemeinen Überflüsse weichen, und der wird hin¬
reichende Steuerlast enthalten. Das Kapital, sagte ein Redner mit akademischer
Präzision, ist aufgehäufte Ersparnis, und wenn die Pächter erst wieder in den
Besitz ihrer Väter eingesetzt sein und wissen werden, daß das, was sie vererben,
in ihren Händen bleibt, wird es im Lande nicht an Geld fehlen. Bis dahin
wird das neue irische Parlament Kredit genng haben, um durch eine Anleihe
das für den Anfang erforderliche Kapital mit Leichtigkeit zu beschaffen.

Die Frage, wie sich die gegenwärtige Regierung zu den Irländern stellen
wird, ist in der Thronrede beantwortet, mit welcher die Königin am 21. Januar
das Parlament eröffnete. Dieselbe beklagt die Agitation, welche das Ziel ver¬
folge, die irische Bevölkerung gegen die legislative Union Irlands mit England
aufzureizen, sie spricht ihren festen Entschluß aus, jeder Abänderung des Unious-
gesetzcs fern zu bleiben, und ist überzeugt, daß sie dabei vom Parlamente und vom
Volke unterstützt werden wird. Sie bedauert ferner den organisirten Widerstand,
mit dem man sich in Irland den gesetzlichen Verpflichtungen (zur Entrichtung
der Pachtgelder) entziehen wolle, und den systematischen Terrorismus, der zu
diesem Zwecke ausgeübt werde. Sie spricht endlich das Vertrauen aus, das
Parlament werde, wenn, wie man zu fürchten Ursache habe, die Gesetze zur Be¬
seitigung dieser Übelstände nicht genügen sollten, die Regierung mir den dann
notwendigen Vollmachten ausstatten. Die letztere werde Gesetzentwürfe zur Her¬
stellung der administrativen Autonomie für die Grafschaften Englands und Schott-
lands vorlegen, und sie bereite ähnliches für Irland vor.

Also Ablehnung jedes Gedankens der Homerule-Politik und Verschiebung
der für Großbritannien entworfenen Pläne zu Reformen in der Verwaltung,
soweit es Irland angeht. Das Parlament wird gefragt werden, ob es die Akte
zur Verhütung von Verbrechen in Irland wieder in Geltung treten lassen will.
Wenn wieder Gesetzlichkeit herrscht, wo jetzt nur das ungeschriebene Gesetz ge¬
heimer Gesellschaften gelten soll, wenn die Exekutive mit Waffen zur Verhütung
und zu rascher Unterdrückung von Unfug und schleichender Empörung versehen
ist, sollen den Irländern auch die neuen Freiheiten zu Teil werden, die den
Engländern und Schotten jetzt geboten werden sollen. Die Homeruler und die
Liberalen werden jetzt Farbe bekennen müssen. Salisburh und seine Amts-
genossen gestehen kein besondres Parlament für Irland, wie es auch gestaltet
sei, zu, weil sie überzeugt sind, ein solches werde ein Werkzeug zur Zerspaltung
des Reiches sein. Sollte die Negierung durch ein Bündnis der Liberalen mit
den Parnelliten mit Vertreibung vom Staatsruder bedroht werden, so würde
sie -- wie wir aus guter Quelle vernehmen -- das Unterhaus auflösen und
an die Wählerschaften appelliren. Parnell wird diesem Entschlüsse gegenüber
sich einzurichten haben. Er hat sich auf das Prinzip des Hcmrv unio verpflichtet,
aber man wird sehen, ob seine Forderungen bei einem beträchtlichem Teile der


sie. Die jetzt weitverbreitete Armut muß bei den reichen natürlichen Hilfs¬
quellen des Landes einem allgemeinen Überflüsse weichen, und der wird hin¬
reichende Steuerlast enthalten. Das Kapital, sagte ein Redner mit akademischer
Präzision, ist aufgehäufte Ersparnis, und wenn die Pächter erst wieder in den
Besitz ihrer Väter eingesetzt sein und wissen werden, daß das, was sie vererben,
in ihren Händen bleibt, wird es im Lande nicht an Geld fehlen. Bis dahin
wird das neue irische Parlament Kredit genng haben, um durch eine Anleihe
das für den Anfang erforderliche Kapital mit Leichtigkeit zu beschaffen.

Die Frage, wie sich die gegenwärtige Regierung zu den Irländern stellen
wird, ist in der Thronrede beantwortet, mit welcher die Königin am 21. Januar
das Parlament eröffnete. Dieselbe beklagt die Agitation, welche das Ziel ver¬
folge, die irische Bevölkerung gegen die legislative Union Irlands mit England
aufzureizen, sie spricht ihren festen Entschluß aus, jeder Abänderung des Unious-
gesetzcs fern zu bleiben, und ist überzeugt, daß sie dabei vom Parlamente und vom
Volke unterstützt werden wird. Sie bedauert ferner den organisirten Widerstand,
mit dem man sich in Irland den gesetzlichen Verpflichtungen (zur Entrichtung
der Pachtgelder) entziehen wolle, und den systematischen Terrorismus, der zu
diesem Zwecke ausgeübt werde. Sie spricht endlich das Vertrauen aus, das
Parlament werde, wenn, wie man zu fürchten Ursache habe, die Gesetze zur Be¬
seitigung dieser Übelstände nicht genügen sollten, die Regierung mir den dann
notwendigen Vollmachten ausstatten. Die letztere werde Gesetzentwürfe zur Her¬
stellung der administrativen Autonomie für die Grafschaften Englands und Schott-
lands vorlegen, und sie bereite ähnliches für Irland vor.

Also Ablehnung jedes Gedankens der Homerule-Politik und Verschiebung
der für Großbritannien entworfenen Pläne zu Reformen in der Verwaltung,
soweit es Irland angeht. Das Parlament wird gefragt werden, ob es die Akte
zur Verhütung von Verbrechen in Irland wieder in Geltung treten lassen will.
Wenn wieder Gesetzlichkeit herrscht, wo jetzt nur das ungeschriebene Gesetz ge¬
heimer Gesellschaften gelten soll, wenn die Exekutive mit Waffen zur Verhütung
und zu rascher Unterdrückung von Unfug und schleichender Empörung versehen
ist, sollen den Irländern auch die neuen Freiheiten zu Teil werden, die den
Engländern und Schotten jetzt geboten werden sollen. Die Homeruler und die
Liberalen werden jetzt Farbe bekennen müssen. Salisburh und seine Amts-
genossen gestehen kein besondres Parlament für Irland, wie es auch gestaltet
sei, zu, weil sie überzeugt sind, ein solches werde ein Werkzeug zur Zerspaltung
des Reiches sein. Sollte die Negierung durch ein Bündnis der Liberalen mit
den Parnelliten mit Vertreibung vom Staatsruder bedroht werden, so würde
sie — wie wir aus guter Quelle vernehmen — das Unterhaus auflösen und
an die Wählerschaften appelliren. Parnell wird diesem Entschlüsse gegenüber
sich einzurichten haben. Er hat sich auf das Prinzip des Hcmrv unio verpflichtet,
aber man wird sehen, ob seine Forderungen bei einem beträchtlichem Teile der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/207>, abgerufen am 05.02.2025.