Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Herr Windthorst und seine Gefolgschaft im Reichstage. die mit dem Polentum aufs engste verbundene jesuitische Presse -- und darunter Bekannt ist, daß bei dem ersten Auftreten des Zentrums in den preußischen Seit dieser Zeit der Verhandlungen mit Rom begegnen wir dem höchst Herr Windthorst und seine Gefolgschaft im Reichstage. die mit dem Polentum aufs engste verbundene jesuitische Presse — und darunter Bekannt ist, daß bei dem ersten Auftreten des Zentrums in den preußischen Seit dieser Zeit der Verhandlungen mit Rom begegnen wir dem höchst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0570" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197304"/> <fw type="header" place="top"> Herr Windthorst und seine Gefolgschaft im Reichstage.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1887" prev="#ID_1886"> die mit dem Polentum aufs engste verbundene jesuitische Presse — und darunter<lb/> in erster Linie das Berliner Leiborgan des Herrn Ledochowski — rechtzeitig<lb/> in die Allarm- und Hetztrompete gestoßen hätte. Damit war dem Dr. Windthorst<lb/> und seiner Gefolgschaft ein willkommener Anlaß zur Wiederbelebung des Kultur¬<lb/> kampfes gegeben, der nicht bloß geeignet ist, den persönlich-welfischen Ranküne»<lb/> des Cumberlandschen Advokaten ein Genüge zu gewähren, sondern der auch den<lb/> geistigen Boden bildet, ohne welchen die Jesuiten in Deutschland ihren Kampf gegen<lb/> das Reich und die protestantische Hvheuzollerudhnastie nicht fortführen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1888"> Bekannt ist, daß bei dem ersten Auftreten des Zentrums in den preußischen<lb/> Wahlen von 1870 die Fäden der Bewegung sich in den Händen von Leuten<lb/> befanden, welche dem Eiuheitswerke von 1866 geradezu feindlich gesinnt waren,<lb/> daß langjährige altbewährte Abgeordnete selbst von katholischer Gesinnung beiseite<lb/> geschoben wurden, um Streitern Platz zu machen, die mit dem Losungswort des<lb/> Kampfes gegen das neue Reich auf dem Plan erschienen. Dieses feindliche Element<lb/> ist im Verlauf der ganzen Zeit dasselbe geblieben; es empfing seine Stärkung<lb/> in der Falkschen Periode, welche durch ihre juristischen Spitzfindigkeiten und<lb/> den Gesetzformalismus uur reizte, ohne zu vernichten. Dieses Kampfelement<lb/> verlor aber an Stärke mit dem Augenblicke, als nach dem Tode Pius des Neunten,<lb/> der ganz unter jesuitischen Einfluß stand, Leo der Dreizehnte den päpstlichen<lb/> Stuhl bestieg und Fürst Bismarck bei ihm für eine Beilegung des Kampfes<lb/> willigeres Gehör fand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1889"> Seit dieser Zeit der Verhandlungen mit Rom begegnen wir dem höchst<lb/> eigentümlichen Schauspiele, daß jedem neuen Friedenszeichen zwischen Staat<lb/> und Vatikan ein Streitruf des Herrn Windthorst und seines Anhanges folgt. Dein<lb/> Breve des Papstes an den frühern Erzbischof Melchers vom 24. Februar 1880,<lb/> welchem das erste Friedcnsgesetz aus dem Juli 1880 sogar mehr, als billig ver¬<lb/> langt werden konnte, nachgab, tritt die Rede gegenüber, welche Windthorst in<lb/> Köln hielt und in welcher er mit dem ihm eignen Sarkasmus den Staat verhöhnte<lb/> und die katholischen Wähler zu erneuten: Kampfe gegen die Regierung aufforderte.<lb/> Auch dem zweiten Friedensgesetz vom 31. Mai 1882 gegenüber war von der ge-<lb/> hofften Beschwichtigung der Gemüter keine Rede; die intransigente Presse verstand<lb/> es bald, allerlei .Mißverständnisse" aufzufinden und, indem sie besonders die<lb/> Zurückberufung der Herren Melchers und Ledochowski mit allen Mitteln dema¬<lb/> gogischer Agitation betrieb, eine Sprache zu reden, die sich fast bis zum Aufruhr<lb/> steigerte. Der „Westfälische Merkur" bezeichnete die Errichtung des deutschen<lb/> Reiches durch das Hohenzollernsche Königshaus als eine die katholischen Inter¬<lb/> essen Deutschlands „schwer schädigende Befestigung des evangelischen Kaisertums."<lb/> Selbstverständlich trug Herr Windthorst das seinige auch öffentlich dazu bei,<lb/> daß eine Beendigung des Kulturkampfes noch lange nicht zu erwarten stand.<lb/> Denn gerade in dieser Zeit gab er nach Wiedererlangung der kirchlichen Frei¬<lb/> heiten den Kampf um die Schule als das nächste Losungswort ans.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0570]
Herr Windthorst und seine Gefolgschaft im Reichstage.
die mit dem Polentum aufs engste verbundene jesuitische Presse — und darunter
in erster Linie das Berliner Leiborgan des Herrn Ledochowski — rechtzeitig
in die Allarm- und Hetztrompete gestoßen hätte. Damit war dem Dr. Windthorst
und seiner Gefolgschaft ein willkommener Anlaß zur Wiederbelebung des Kultur¬
kampfes gegeben, der nicht bloß geeignet ist, den persönlich-welfischen Ranküne»
des Cumberlandschen Advokaten ein Genüge zu gewähren, sondern der auch den
geistigen Boden bildet, ohne welchen die Jesuiten in Deutschland ihren Kampf gegen
das Reich und die protestantische Hvheuzollerudhnastie nicht fortführen können.
Bekannt ist, daß bei dem ersten Auftreten des Zentrums in den preußischen
Wahlen von 1870 die Fäden der Bewegung sich in den Händen von Leuten
befanden, welche dem Eiuheitswerke von 1866 geradezu feindlich gesinnt waren,
daß langjährige altbewährte Abgeordnete selbst von katholischer Gesinnung beiseite
geschoben wurden, um Streitern Platz zu machen, die mit dem Losungswort des
Kampfes gegen das neue Reich auf dem Plan erschienen. Dieses feindliche Element
ist im Verlauf der ganzen Zeit dasselbe geblieben; es empfing seine Stärkung
in der Falkschen Periode, welche durch ihre juristischen Spitzfindigkeiten und
den Gesetzformalismus uur reizte, ohne zu vernichten. Dieses Kampfelement
verlor aber an Stärke mit dem Augenblicke, als nach dem Tode Pius des Neunten,
der ganz unter jesuitischen Einfluß stand, Leo der Dreizehnte den päpstlichen
Stuhl bestieg und Fürst Bismarck bei ihm für eine Beilegung des Kampfes
willigeres Gehör fand.
Seit dieser Zeit der Verhandlungen mit Rom begegnen wir dem höchst
eigentümlichen Schauspiele, daß jedem neuen Friedenszeichen zwischen Staat
und Vatikan ein Streitruf des Herrn Windthorst und seines Anhanges folgt. Dein
Breve des Papstes an den frühern Erzbischof Melchers vom 24. Februar 1880,
welchem das erste Friedcnsgesetz aus dem Juli 1880 sogar mehr, als billig ver¬
langt werden konnte, nachgab, tritt die Rede gegenüber, welche Windthorst in
Köln hielt und in welcher er mit dem ihm eignen Sarkasmus den Staat verhöhnte
und die katholischen Wähler zu erneuten: Kampfe gegen die Regierung aufforderte.
Auch dem zweiten Friedensgesetz vom 31. Mai 1882 gegenüber war von der ge-
hofften Beschwichtigung der Gemüter keine Rede; die intransigente Presse verstand
es bald, allerlei .Mißverständnisse" aufzufinden und, indem sie besonders die
Zurückberufung der Herren Melchers und Ledochowski mit allen Mitteln dema¬
gogischer Agitation betrieb, eine Sprache zu reden, die sich fast bis zum Aufruhr
steigerte. Der „Westfälische Merkur" bezeichnete die Errichtung des deutschen
Reiches durch das Hohenzollernsche Königshaus als eine die katholischen Inter¬
essen Deutschlands „schwer schädigende Befestigung des evangelischen Kaisertums."
Selbstverständlich trug Herr Windthorst das seinige auch öffentlich dazu bei,
daß eine Beendigung des Kulturkampfes noch lange nicht zu erwarten stand.
Denn gerade in dieser Zeit gab er nach Wiedererlangung der kirchlichen Frei¬
heiten den Kampf um die Schule als das nächste Losungswort ans.
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