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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Herr Mndthorst und seine Gefolgschaft im Reichstage.

ährend die ersten Tage einer wieder eröffneten Reichstagssession
-- abgesehen von ganz außergewöhnlichen Anlässen -- dem
Politiker selten einen genügenden Anlaß und eine ausreichende
Grundlage für die Prognose der bevorstehenden innern Strömung
liefern, haben diesmal schon die ersten Drucksachen und die ersten
Verhandlungstage dem Reichstage einen bestimmten Charakter aufgeprägt. Wer
die Interpellationen über die Zulassung katholischer Missionen in den deutschen
Schutzgebieten und über die Ausweisung polnischer Einwandrer aus den preußischen
Ostprovinzen, sowie die Reden der Abgeordneten Windthorst, Reichensperger und
Rintelen las, der mußte sich in die Zeiten des schärfsten Kulturkampfes zurück¬
versetzt sehen.

Man kann die Aufregung katholischer Gemüter und besonders der katholischen
Volksvertreter begreifen, wenn Geistliche ihrer Konfession, weil sie sich den staat¬
lichen Hoheitsgesetzen nicht fügen wollen, verurteilt und bestraft werden, man
kaun eine religiöse Erregung verstehen, wenn die Spendung von Sakramenten
und die Wahrnehmung geistlicher Amtshandlungen mit Geld- und Freiheits¬
strafe bedroht werden. Aber es bleibt -- wenigstens ans den ersten Augenblick
und für den Uneingeweihten -- unverständlich, wenn dieselbe heftige Sprache
geführt wird, weil dem Priester einer französischen Kongregation die Errichtung
eines Missionshauses nicht gestattet oder der preußische Osten von den ein¬
strömenden polnischen Elementen, unter denen sich unter andern auch Katho¬
liken befinden, gereinigt wird.

An und für sich sind dies Thatsachen ohne jede schwerwiegende Bedeutung;
man mag sie billigen -- wie wir es thun --, oder man mag sie tadeln, auf die
große Mehrheit des Volkes würden sie ohne Eindruck geblieben sein, wenn nicht


Grcnzbvw, IV. 1885 71


Herr Mndthorst und seine Gefolgschaft im Reichstage.

ährend die ersten Tage einer wieder eröffneten Reichstagssession
— abgesehen von ganz außergewöhnlichen Anlässen — dem
Politiker selten einen genügenden Anlaß und eine ausreichende
Grundlage für die Prognose der bevorstehenden innern Strömung
liefern, haben diesmal schon die ersten Drucksachen und die ersten
Verhandlungstage dem Reichstage einen bestimmten Charakter aufgeprägt. Wer
die Interpellationen über die Zulassung katholischer Missionen in den deutschen
Schutzgebieten und über die Ausweisung polnischer Einwandrer aus den preußischen
Ostprovinzen, sowie die Reden der Abgeordneten Windthorst, Reichensperger und
Rintelen las, der mußte sich in die Zeiten des schärfsten Kulturkampfes zurück¬
versetzt sehen.

Man kann die Aufregung katholischer Gemüter und besonders der katholischen
Volksvertreter begreifen, wenn Geistliche ihrer Konfession, weil sie sich den staat¬
lichen Hoheitsgesetzen nicht fügen wollen, verurteilt und bestraft werden, man
kaun eine religiöse Erregung verstehen, wenn die Spendung von Sakramenten
und die Wahrnehmung geistlicher Amtshandlungen mit Geld- und Freiheits¬
strafe bedroht werden. Aber es bleibt — wenigstens ans den ersten Augenblick
und für den Uneingeweihten — unverständlich, wenn dieselbe heftige Sprache
geführt wird, weil dem Priester einer französischen Kongregation die Errichtung
eines Missionshauses nicht gestattet oder der preußische Osten von den ein¬
strömenden polnischen Elementen, unter denen sich unter andern auch Katho¬
liken befinden, gereinigt wird.

An und für sich sind dies Thatsachen ohne jede schwerwiegende Bedeutung;
man mag sie billigen — wie wir es thun —, oder man mag sie tadeln, auf die
große Mehrheit des Volkes würden sie ohne Eindruck geblieben sein, wenn nicht


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[0569] [Abbildung] Herr Mndthorst und seine Gefolgschaft im Reichstage. ährend die ersten Tage einer wieder eröffneten Reichstagssession — abgesehen von ganz außergewöhnlichen Anlässen — dem Politiker selten einen genügenden Anlaß und eine ausreichende Grundlage für die Prognose der bevorstehenden innern Strömung liefern, haben diesmal schon die ersten Drucksachen und die ersten Verhandlungstage dem Reichstage einen bestimmten Charakter aufgeprägt. Wer die Interpellationen über die Zulassung katholischer Missionen in den deutschen Schutzgebieten und über die Ausweisung polnischer Einwandrer aus den preußischen Ostprovinzen, sowie die Reden der Abgeordneten Windthorst, Reichensperger und Rintelen las, der mußte sich in die Zeiten des schärfsten Kulturkampfes zurück¬ versetzt sehen. Man kann die Aufregung katholischer Gemüter und besonders der katholischen Volksvertreter begreifen, wenn Geistliche ihrer Konfession, weil sie sich den staat¬ lichen Hoheitsgesetzen nicht fügen wollen, verurteilt und bestraft werden, man kaun eine religiöse Erregung verstehen, wenn die Spendung von Sakramenten und die Wahrnehmung geistlicher Amtshandlungen mit Geld- und Freiheits¬ strafe bedroht werden. Aber es bleibt — wenigstens ans den ersten Augenblick und für den Uneingeweihten — unverständlich, wenn dieselbe heftige Sprache geführt wird, weil dem Priester einer französischen Kongregation die Errichtung eines Missionshauses nicht gestattet oder der preußische Osten von den ein¬ strömenden polnischen Elementen, unter denen sich unter andern auch Katho¬ liken befinden, gereinigt wird. An und für sich sind dies Thatsachen ohne jede schwerwiegende Bedeutung; man mag sie billigen — wie wir es thun —, oder man mag sie tadeln, auf die große Mehrheit des Volkes würden sie ohne Eindruck geblieben sein, wenn nicht Grcnzbvw, IV. 1885 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/569>, abgerufen am 15.01.2025.