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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Literatur.

Frauenbilder nus der Blütezeit der deutschen Literatur. Von August Sauer.
Mit fünfzehn Originalporträts. Leipzig, Adolf Titze, 1886.

Im Jahre 1881 hielt A. Sauer vor einem befreundeten Zuhörerkreise Vor¬
träge über "edle deutschen Frauen, die auf das Leben und die Schöpfungen unsrer
großen Dichter bestimmenden Einfluß geübt haben oder selbst als Schriftstellerinnen
aufgetreten sind." Aber gerade hierbei fühlte er, daß es den Worten allein nicht
möglich sei, eine genügende lebensvolle Anschauung von diesen Frauen zu geben,
die gerade ihr Bestes "im Persönlichen Verkehre dahin gegeben, im Umgang, im
Gespräche, in der Gesellschaft." Die Fülle vergangenen Lebens kann uns Epigonen
in diesem Falle nnr hervorgerufen werden, wenn die sinnliche Anschauung sich dem
geistigen Eindrucke des Wortes zugesellt. So entstand das vorliegende, nach seiner
innern und äußern Ausstattung allerdings als Prachtwerk zu bezeichnende Buch,
dem man aber doch entschieden Unrecht thun würde, wollte man es mit den jährlich
um diese Zeit in so reicher Zahl hervorschießenden Jllustrationswerken vergleichen.
Die beigegebenen Bilder dienen hier einem höhern Zwecke. Mit gewissenhafter
Mühewaltung hat Sauer kritisch forschend historisch beglaubigte Originalpor-
träts von fünfzehn hervorragenden Frauen ans der Blütezeit der deutschen Literatur
"frei von jeder Verbesserung und Verschönerung, nicht modern geleckt und gekünstelt,
in gesicherter Echtheit" zusammengestellt. Und wohl gewährt es einen eignen Reiz,
die Bilder von Meta Klopstock und Eva Lessing, Karoline Herder und Bürgers
Molly, Charlotte von Stein und Corona Schröter mit einander zu vergleichen.
Das Lengefeldsche Schwesternpaar erscheint zwischen den Bildern der ihnen so grünt'
lich unsympathischen Charlotte von Kalb und Karoline Schelling. An Schlegels
geschiedne Gattin reihen sich drei, unter einander wieder grundverschiedne Heroinen
der Romantik: Henriette Herz, Nadel Varnhagen von Ense und Bettina von Arnim,
welche den von Klopstocks erster Gattin eröffneten Reigen schließen. Vielleicht am
meisten, gerade durch ihren Gegensatz, locken zur Vergleichung die Bilder der beiden
von Goethe verehrten weimcirischen Herzoginnen Anna Amalia und Luise. In den
"Anmerkungen" giebt der Herausgeber Notizen über Ursprung und gegenwärtigen
Aufbewahrungsort eines jeden Bildes, woran sich eine gedrängte Literaturübersicht
über die Heldin selbst anreiht. Der Vollständigkeit wegen hätte dabei auch Goethes
Rede "zum feierlichen Andenken der durchl. Fürstin und Frau Anna Amalia" (1307),
die Karl August von allen Kanzeln seines Landes verlesen ließ, nicht fehlen dürfen.
Den Monographien, welchen Sauer ein lakonisches "unbrauchbar" hinzusetzt, läßt
sich bei Karoline Herder auch R. Wolfs Programm "Herder und Karoline'Flachs-
land" (Bartenstein, 1834) anreihen. Der Text selber ist in den meisten Fällen
leider etwas knapp ausgefallen; dafür entschädigt aber die kräftige, mit wenigen
Strichen ein lebensvolles Bild entwerfende Charakteristik und die von aller Phrase
freie, aber von warmer Begeisterung getragene Darstellung. Wo es möglich ist,
läßt Sauer die Quellen selber sprechen; sein eignes Urteil ist überall zutreffend,
wenn auch, und hier mit vollem Rechte, die Lichtseiten der einzelnen Frauen stark
betont werden. Anspruchslos und durchweg zuverlässig, sind diese kurzen Bio¬
graphien kleine Kabinetstllcke zu nennen. A. Sauer, der sich durch seine muster¬
hafte Wiederherstellung der Texte Ewalds von Kleist als trefflicher Philologe bewährt
hat, vereinigt hier wie in seinen vorzügliche" Ausgaben der Stürmer und Dränger
und der Bürgerschcn Gedichte streng wissenschaftliche Schulung mit einer glücklichen
Gabe populärer Darstellung. Möchte die warme Liebe zur vaterländischen Literatur,
welche ihn zur Sammlung' und Herausgabe dieser "Deutschen Frauenbilder" antrieb,
einer ähnlichen verständnisvollen bei recht vielen Lesern und Leserinnen begegnen.


Literatur.

Frauenbilder nus der Blütezeit der deutschen Literatur. Von August Sauer.
Mit fünfzehn Originalporträts. Leipzig, Adolf Titze, 1886.

Im Jahre 1881 hielt A. Sauer vor einem befreundeten Zuhörerkreise Vor¬
träge über „edle deutschen Frauen, die auf das Leben und die Schöpfungen unsrer
großen Dichter bestimmenden Einfluß geübt haben oder selbst als Schriftstellerinnen
aufgetreten sind." Aber gerade hierbei fühlte er, daß es den Worten allein nicht
möglich sei, eine genügende lebensvolle Anschauung von diesen Frauen zu geben,
die gerade ihr Bestes „im Persönlichen Verkehre dahin gegeben, im Umgang, im
Gespräche, in der Gesellschaft." Die Fülle vergangenen Lebens kann uns Epigonen
in diesem Falle nnr hervorgerufen werden, wenn die sinnliche Anschauung sich dem
geistigen Eindrucke des Wortes zugesellt. So entstand das vorliegende, nach seiner
innern und äußern Ausstattung allerdings als Prachtwerk zu bezeichnende Buch,
dem man aber doch entschieden Unrecht thun würde, wollte man es mit den jährlich
um diese Zeit in so reicher Zahl hervorschießenden Jllustrationswerken vergleichen.
Die beigegebenen Bilder dienen hier einem höhern Zwecke. Mit gewissenhafter
Mühewaltung hat Sauer kritisch forschend historisch beglaubigte Originalpor-
träts von fünfzehn hervorragenden Frauen ans der Blütezeit der deutschen Literatur
„frei von jeder Verbesserung und Verschönerung, nicht modern geleckt und gekünstelt,
in gesicherter Echtheit" zusammengestellt. Und wohl gewährt es einen eignen Reiz,
die Bilder von Meta Klopstock und Eva Lessing, Karoline Herder und Bürgers
Molly, Charlotte von Stein und Corona Schröter mit einander zu vergleichen.
Das Lengefeldsche Schwesternpaar erscheint zwischen den Bildern der ihnen so grünt'
lich unsympathischen Charlotte von Kalb und Karoline Schelling. An Schlegels
geschiedne Gattin reihen sich drei, unter einander wieder grundverschiedne Heroinen
der Romantik: Henriette Herz, Nadel Varnhagen von Ense und Bettina von Arnim,
welche den von Klopstocks erster Gattin eröffneten Reigen schließen. Vielleicht am
meisten, gerade durch ihren Gegensatz, locken zur Vergleichung die Bilder der beiden
von Goethe verehrten weimcirischen Herzoginnen Anna Amalia und Luise. In den
„Anmerkungen" giebt der Herausgeber Notizen über Ursprung und gegenwärtigen
Aufbewahrungsort eines jeden Bildes, woran sich eine gedrängte Literaturübersicht
über die Heldin selbst anreiht. Der Vollständigkeit wegen hätte dabei auch Goethes
Rede „zum feierlichen Andenken der durchl. Fürstin und Frau Anna Amalia" (1307),
die Karl August von allen Kanzeln seines Landes verlesen ließ, nicht fehlen dürfen.
Den Monographien, welchen Sauer ein lakonisches „unbrauchbar" hinzusetzt, läßt
sich bei Karoline Herder auch R. Wolfs Programm „Herder und Karoline'Flachs-
land" (Bartenstein, 1834) anreihen. Der Text selber ist in den meisten Fällen
leider etwas knapp ausgefallen; dafür entschädigt aber die kräftige, mit wenigen
Strichen ein lebensvolles Bild entwerfende Charakteristik und die von aller Phrase
freie, aber von warmer Begeisterung getragene Darstellung. Wo es möglich ist,
läßt Sauer die Quellen selber sprechen; sein eignes Urteil ist überall zutreffend,
wenn auch, und hier mit vollem Rechte, die Lichtseiten der einzelnen Frauen stark
betont werden. Anspruchslos und durchweg zuverlässig, sind diese kurzen Bio¬
graphien kleine Kabinetstllcke zu nennen. A. Sauer, der sich durch seine muster¬
hafte Wiederherstellung der Texte Ewalds von Kleist als trefflicher Philologe bewährt
hat, vereinigt hier wie in seinen vorzügliche» Ausgaben der Stürmer und Dränger
und der Bürgerschcn Gedichte streng wissenschaftliche Schulung mit einer glücklichen
Gabe populärer Darstellung. Möchte die warme Liebe zur vaterländischen Literatur,
welche ihn zur Sammlung' und Herausgabe dieser „Deutschen Frauenbilder" antrieb,
einer ähnlichen verständnisvollen bei recht vielen Lesern und Leserinnen begegnen.


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[0565] Literatur. Frauenbilder nus der Blütezeit der deutschen Literatur. Von August Sauer. Mit fünfzehn Originalporträts. Leipzig, Adolf Titze, 1886. Im Jahre 1881 hielt A. Sauer vor einem befreundeten Zuhörerkreise Vor¬ träge über „edle deutschen Frauen, die auf das Leben und die Schöpfungen unsrer großen Dichter bestimmenden Einfluß geübt haben oder selbst als Schriftstellerinnen aufgetreten sind." Aber gerade hierbei fühlte er, daß es den Worten allein nicht möglich sei, eine genügende lebensvolle Anschauung von diesen Frauen zu geben, die gerade ihr Bestes „im Persönlichen Verkehre dahin gegeben, im Umgang, im Gespräche, in der Gesellschaft." Die Fülle vergangenen Lebens kann uns Epigonen in diesem Falle nnr hervorgerufen werden, wenn die sinnliche Anschauung sich dem geistigen Eindrucke des Wortes zugesellt. So entstand das vorliegende, nach seiner innern und äußern Ausstattung allerdings als Prachtwerk zu bezeichnende Buch, dem man aber doch entschieden Unrecht thun würde, wollte man es mit den jährlich um diese Zeit in so reicher Zahl hervorschießenden Jllustrationswerken vergleichen. Die beigegebenen Bilder dienen hier einem höhern Zwecke. Mit gewissenhafter Mühewaltung hat Sauer kritisch forschend historisch beglaubigte Originalpor- träts von fünfzehn hervorragenden Frauen ans der Blütezeit der deutschen Literatur „frei von jeder Verbesserung und Verschönerung, nicht modern geleckt und gekünstelt, in gesicherter Echtheit" zusammengestellt. Und wohl gewährt es einen eignen Reiz, die Bilder von Meta Klopstock und Eva Lessing, Karoline Herder und Bürgers Molly, Charlotte von Stein und Corona Schröter mit einander zu vergleichen. Das Lengefeldsche Schwesternpaar erscheint zwischen den Bildern der ihnen so grünt' lich unsympathischen Charlotte von Kalb und Karoline Schelling. An Schlegels geschiedne Gattin reihen sich drei, unter einander wieder grundverschiedne Heroinen der Romantik: Henriette Herz, Nadel Varnhagen von Ense und Bettina von Arnim, welche den von Klopstocks erster Gattin eröffneten Reigen schließen. Vielleicht am meisten, gerade durch ihren Gegensatz, locken zur Vergleichung die Bilder der beiden von Goethe verehrten weimcirischen Herzoginnen Anna Amalia und Luise. In den „Anmerkungen" giebt der Herausgeber Notizen über Ursprung und gegenwärtigen Aufbewahrungsort eines jeden Bildes, woran sich eine gedrängte Literaturübersicht über die Heldin selbst anreiht. Der Vollständigkeit wegen hätte dabei auch Goethes Rede „zum feierlichen Andenken der durchl. Fürstin und Frau Anna Amalia" (1307), die Karl August von allen Kanzeln seines Landes verlesen ließ, nicht fehlen dürfen. Den Monographien, welchen Sauer ein lakonisches „unbrauchbar" hinzusetzt, läßt sich bei Karoline Herder auch R. Wolfs Programm „Herder und Karoline'Flachs- land" (Bartenstein, 1834) anreihen. Der Text selber ist in den meisten Fällen leider etwas knapp ausgefallen; dafür entschädigt aber die kräftige, mit wenigen Strichen ein lebensvolles Bild entwerfende Charakteristik und die von aller Phrase freie, aber von warmer Begeisterung getragene Darstellung. Wo es möglich ist, läßt Sauer die Quellen selber sprechen; sein eignes Urteil ist überall zutreffend, wenn auch, und hier mit vollem Rechte, die Lichtseiten der einzelnen Frauen stark betont werden. Anspruchslos und durchweg zuverlässig, sind diese kurzen Bio¬ graphien kleine Kabinetstllcke zu nennen. A. Sauer, der sich durch seine muster¬ hafte Wiederherstellung der Texte Ewalds von Kleist als trefflicher Philologe bewährt hat, vereinigt hier wie in seinen vorzügliche» Ausgaben der Stürmer und Dränger und der Bürgerschcn Gedichte streng wissenschaftliche Schulung mit einer glücklichen Gabe populärer Darstellung. Möchte die warme Liebe zur vaterländischen Literatur, welche ihn zur Sammlung' und Herausgabe dieser „Deutschen Frauenbilder" antrieb, einer ähnlichen verständnisvollen bei recht vielen Lesern und Leserinnen begegnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/565>, abgerufen am 15.01.2025.