Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin Jesuit über Goethe.

Schon ehe Goethe nach Weimar kam, hatte der junge Herzog den Ent¬
schluß gefaßt, den Jlmenauer Bergbau zum Segen Ilmenaus und der ganzen
Umgegend, die während der Einstellung der Arbeit immermehr verarmt war,
wieder aufzunehmen. Jeder, dem das herrliche Gedicht "Ilmenau" von 1783
bekannt ist, weiß von der einst herrschenden Not. Goethe freute sich umso
mehr über des Herzogs edeln Entschluß, als es ihm vor allem darauf ankam,
diesen in einer nachhaltigen Thätigkeit zum Besten des Landes zu sehen. Über
ein so preiswürdiges Unternehmen geifert Baumgartner: "Silber, Silber! Das
war ein nicht minder lockendes Losungswort als Poesie und Natur. Goethe, der
noch 1776 in Frankfurt Geld pumpen mußte, wußte solche Hoffnungen zu schätzen.
Dazu war um Ilmenau herum auch viel "Natur", schöne Berge, Thäler,
Schluchten, Aussichten, auch luftige Landleute und fröhliche Mädchen." Frei¬
lich fand Goethe die Gegend von Ilmenau herrlich, wie die von Kochberg, aber
lustige Landleute gab es dort so wenig als fröhliche Mädchen, und nicht ihret¬
wegen wurde das schwierige Unternehmen aufgenommen. Baumgartner scheut sich
nicht, dasselbe einen Schwindel (S. 361) zu nenneu und es mit dem Treiben
neuerer "Gründer" zu vergleichen. Weder Goethe noch die übrigen Kommissions¬
mitglieder hätten etwas von der Sache verstanden. Unredlich verschweigt er, daß
man gleich anfangs den Vicebcrghauptmcmn von Trebra aus Marienberg heranzog,
um ihn sein sachkundiges Urteil über den zu erwartenden Erfolg abgeben und den
Plan des dabei einzuschlagenden Verfahrens entwerfen zu lassen; dieser blieb länger
als sieben Wochen, und er hatte einen tüchtigen Geschwornen mitgebracht, der
angestellt wurde. Auch später geschah alles, um die nötigen Kräfte zu gewinnen.
Goethe und fein Mitkommiffar von Voigt haben sich redlich bemüht, das Berg¬
werk zu heben, was freilich leichter gelungen wäre, wenn es innerhalb eines
großen eingerichteten Bergwesens gelegen hätte. Das Unglück der beiden Stollen¬
brüche war ebensowenig vorauszusehen als der geringe Ertrag. Das Urteil
Sachverständiger mußte Goethe und dem Herzog bei der Aufnahme des Jlme¬
nauer Bergbaues genüge", und wenn sie zu jugendlich gutmütige Hoffnungen
darauf setzten, so gereicht dies ihrem Herzen ebenso zur Ehre wie die gewissen¬
hafte Sorge um dasselbe ihrem regen Pflichtgefühle. Die schöne Offenheit, mit
welcher sich Goethe in den "Tag- und Jahresheften" über den Mißerfolg äußert,
hat Baumgartner zur Herabwürdigung der Sache und Goethes gemißbraucht.
Gilt doch von ihm das Wort der "Xenien" gegen Nicolai: "Betastet er was,
gleich ist das Ding auch beschmutzt." Wäre es ihm um Wahrheit zu thun
gewesen, so hätte er die schöne Äußerung Goethes an Voigt vom 11. April
1813 nicht unbenutzt lassen können. Baumgartner hat die Stirn, zu behaupten,
Goethe habe beim Jlmenauer Bergbau nur die Absicht gehabt, sich zu amüsiren
und sich dem Herzog unentbehrlich zu machen, das Volk habe für seine tollen
Wochen und Monate bezahlen müssen. Daß das Unternehmen länger als ein
Vierteljahrhundert Ilmenau und der Umgegend zum Segen geworden, und auch


Gin Jesuit über Goethe.

Schon ehe Goethe nach Weimar kam, hatte der junge Herzog den Ent¬
schluß gefaßt, den Jlmenauer Bergbau zum Segen Ilmenaus und der ganzen
Umgegend, die während der Einstellung der Arbeit immermehr verarmt war,
wieder aufzunehmen. Jeder, dem das herrliche Gedicht „Ilmenau" von 1783
bekannt ist, weiß von der einst herrschenden Not. Goethe freute sich umso
mehr über des Herzogs edeln Entschluß, als es ihm vor allem darauf ankam,
diesen in einer nachhaltigen Thätigkeit zum Besten des Landes zu sehen. Über
ein so preiswürdiges Unternehmen geifert Baumgartner: „Silber, Silber! Das
war ein nicht minder lockendes Losungswort als Poesie und Natur. Goethe, der
noch 1776 in Frankfurt Geld pumpen mußte, wußte solche Hoffnungen zu schätzen.
Dazu war um Ilmenau herum auch viel »Natur«, schöne Berge, Thäler,
Schluchten, Aussichten, auch luftige Landleute und fröhliche Mädchen." Frei¬
lich fand Goethe die Gegend von Ilmenau herrlich, wie die von Kochberg, aber
lustige Landleute gab es dort so wenig als fröhliche Mädchen, und nicht ihret¬
wegen wurde das schwierige Unternehmen aufgenommen. Baumgartner scheut sich
nicht, dasselbe einen Schwindel (S. 361) zu nenneu und es mit dem Treiben
neuerer „Gründer" zu vergleichen. Weder Goethe noch die übrigen Kommissions¬
mitglieder hätten etwas von der Sache verstanden. Unredlich verschweigt er, daß
man gleich anfangs den Vicebcrghauptmcmn von Trebra aus Marienberg heranzog,
um ihn sein sachkundiges Urteil über den zu erwartenden Erfolg abgeben und den
Plan des dabei einzuschlagenden Verfahrens entwerfen zu lassen; dieser blieb länger
als sieben Wochen, und er hatte einen tüchtigen Geschwornen mitgebracht, der
angestellt wurde. Auch später geschah alles, um die nötigen Kräfte zu gewinnen.
Goethe und fein Mitkommiffar von Voigt haben sich redlich bemüht, das Berg¬
werk zu heben, was freilich leichter gelungen wäre, wenn es innerhalb eines
großen eingerichteten Bergwesens gelegen hätte. Das Unglück der beiden Stollen¬
brüche war ebensowenig vorauszusehen als der geringe Ertrag. Das Urteil
Sachverständiger mußte Goethe und dem Herzog bei der Aufnahme des Jlme¬
nauer Bergbaues genüge», und wenn sie zu jugendlich gutmütige Hoffnungen
darauf setzten, so gereicht dies ihrem Herzen ebenso zur Ehre wie die gewissen¬
hafte Sorge um dasselbe ihrem regen Pflichtgefühle. Die schöne Offenheit, mit
welcher sich Goethe in den „Tag- und Jahresheften" über den Mißerfolg äußert,
hat Baumgartner zur Herabwürdigung der Sache und Goethes gemißbraucht.
Gilt doch von ihm das Wort der „Xenien" gegen Nicolai: „Betastet er was,
gleich ist das Ding auch beschmutzt." Wäre es ihm um Wahrheit zu thun
gewesen, so hätte er die schöne Äußerung Goethes an Voigt vom 11. April
1813 nicht unbenutzt lassen können. Baumgartner hat die Stirn, zu behaupten,
Goethe habe beim Jlmenauer Bergbau nur die Absicht gehabt, sich zu amüsiren
und sich dem Herzog unentbehrlich zu machen, das Volk habe für seine tollen
Wochen und Monate bezahlen müssen. Daß das Unternehmen länger als ein
Vierteljahrhundert Ilmenau und der Umgegend zum Segen geworden, und auch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197067"/>
          <fw type="header" place="top"> Gin Jesuit über Goethe.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1062" next="#ID_1063"> Schon ehe Goethe nach Weimar kam, hatte der junge Herzog den Ent¬<lb/>
schluß gefaßt, den Jlmenauer Bergbau zum Segen Ilmenaus und der ganzen<lb/>
Umgegend, die während der Einstellung der Arbeit immermehr verarmt war,<lb/>
wieder aufzunehmen. Jeder, dem das herrliche Gedicht &#x201E;Ilmenau" von 1783<lb/>
bekannt ist, weiß von der einst herrschenden Not. Goethe freute sich umso<lb/>
mehr über des Herzogs edeln Entschluß, als es ihm vor allem darauf ankam,<lb/>
diesen in einer nachhaltigen Thätigkeit zum Besten des Landes zu sehen. Über<lb/>
ein so preiswürdiges Unternehmen geifert Baumgartner: &#x201E;Silber, Silber! Das<lb/>
war ein nicht minder lockendes Losungswort als Poesie und Natur. Goethe, der<lb/>
noch 1776 in Frankfurt Geld pumpen mußte, wußte solche Hoffnungen zu schätzen.<lb/>
Dazu war um Ilmenau herum auch viel »Natur«, schöne Berge, Thäler,<lb/>
Schluchten, Aussichten, auch luftige Landleute und fröhliche Mädchen." Frei¬<lb/>
lich fand Goethe die Gegend von Ilmenau herrlich, wie die von Kochberg, aber<lb/>
lustige Landleute gab es dort so wenig als fröhliche Mädchen, und nicht ihret¬<lb/>
wegen wurde das schwierige Unternehmen aufgenommen. Baumgartner scheut sich<lb/>
nicht, dasselbe einen Schwindel (S. 361) zu nenneu und es mit dem Treiben<lb/>
neuerer &#x201E;Gründer" zu vergleichen. Weder Goethe noch die übrigen Kommissions¬<lb/>
mitglieder hätten etwas von der Sache verstanden. Unredlich verschweigt er, daß<lb/>
man gleich anfangs den Vicebcrghauptmcmn von Trebra aus Marienberg heranzog,<lb/>
um ihn sein sachkundiges Urteil über den zu erwartenden Erfolg abgeben und den<lb/>
Plan des dabei einzuschlagenden Verfahrens entwerfen zu lassen; dieser blieb länger<lb/>
als sieben Wochen, und er hatte einen tüchtigen Geschwornen mitgebracht, der<lb/>
angestellt wurde. Auch später geschah alles, um die nötigen Kräfte zu gewinnen.<lb/>
Goethe und fein Mitkommiffar von Voigt haben sich redlich bemüht, das Berg¬<lb/>
werk zu heben, was freilich leichter gelungen wäre, wenn es innerhalb eines<lb/>
großen eingerichteten Bergwesens gelegen hätte. Das Unglück der beiden Stollen¬<lb/>
brüche war ebensowenig vorauszusehen als der geringe Ertrag. Das Urteil<lb/>
Sachverständiger mußte Goethe und dem Herzog bei der Aufnahme des Jlme¬<lb/>
nauer Bergbaues genüge», und wenn sie zu jugendlich gutmütige Hoffnungen<lb/>
darauf setzten, so gereicht dies ihrem Herzen ebenso zur Ehre wie die gewissen¬<lb/>
hafte Sorge um dasselbe ihrem regen Pflichtgefühle. Die schöne Offenheit, mit<lb/>
welcher sich Goethe in den &#x201E;Tag- und Jahresheften" über den Mißerfolg äußert,<lb/>
hat Baumgartner zur Herabwürdigung der Sache und Goethes gemißbraucht.<lb/>
Gilt doch von ihm das Wort der &#x201E;Xenien" gegen Nicolai: &#x201E;Betastet er was,<lb/>
gleich ist das Ding auch beschmutzt." Wäre es ihm um Wahrheit zu thun<lb/>
gewesen, so hätte er die schöne Äußerung Goethes an Voigt vom 11. April<lb/>
1813 nicht unbenutzt lassen können. Baumgartner hat die Stirn, zu behaupten,<lb/>
Goethe habe beim Jlmenauer Bergbau nur die Absicht gehabt, sich zu amüsiren<lb/>
und sich dem Herzog unentbehrlich zu machen, das Volk habe für seine tollen<lb/>
Wochen und Monate bezahlen müssen. Daß das Unternehmen länger als ein<lb/>
Vierteljahrhundert Ilmenau und der Umgegend zum Segen geworden, und auch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0333] Gin Jesuit über Goethe. Schon ehe Goethe nach Weimar kam, hatte der junge Herzog den Ent¬ schluß gefaßt, den Jlmenauer Bergbau zum Segen Ilmenaus und der ganzen Umgegend, die während der Einstellung der Arbeit immermehr verarmt war, wieder aufzunehmen. Jeder, dem das herrliche Gedicht „Ilmenau" von 1783 bekannt ist, weiß von der einst herrschenden Not. Goethe freute sich umso mehr über des Herzogs edeln Entschluß, als es ihm vor allem darauf ankam, diesen in einer nachhaltigen Thätigkeit zum Besten des Landes zu sehen. Über ein so preiswürdiges Unternehmen geifert Baumgartner: „Silber, Silber! Das war ein nicht minder lockendes Losungswort als Poesie und Natur. Goethe, der noch 1776 in Frankfurt Geld pumpen mußte, wußte solche Hoffnungen zu schätzen. Dazu war um Ilmenau herum auch viel »Natur«, schöne Berge, Thäler, Schluchten, Aussichten, auch luftige Landleute und fröhliche Mädchen." Frei¬ lich fand Goethe die Gegend von Ilmenau herrlich, wie die von Kochberg, aber lustige Landleute gab es dort so wenig als fröhliche Mädchen, und nicht ihret¬ wegen wurde das schwierige Unternehmen aufgenommen. Baumgartner scheut sich nicht, dasselbe einen Schwindel (S. 361) zu nenneu und es mit dem Treiben neuerer „Gründer" zu vergleichen. Weder Goethe noch die übrigen Kommissions¬ mitglieder hätten etwas von der Sache verstanden. Unredlich verschweigt er, daß man gleich anfangs den Vicebcrghauptmcmn von Trebra aus Marienberg heranzog, um ihn sein sachkundiges Urteil über den zu erwartenden Erfolg abgeben und den Plan des dabei einzuschlagenden Verfahrens entwerfen zu lassen; dieser blieb länger als sieben Wochen, und er hatte einen tüchtigen Geschwornen mitgebracht, der angestellt wurde. Auch später geschah alles, um die nötigen Kräfte zu gewinnen. Goethe und fein Mitkommiffar von Voigt haben sich redlich bemüht, das Berg¬ werk zu heben, was freilich leichter gelungen wäre, wenn es innerhalb eines großen eingerichteten Bergwesens gelegen hätte. Das Unglück der beiden Stollen¬ brüche war ebensowenig vorauszusehen als der geringe Ertrag. Das Urteil Sachverständiger mußte Goethe und dem Herzog bei der Aufnahme des Jlme¬ nauer Bergbaues genüge», und wenn sie zu jugendlich gutmütige Hoffnungen darauf setzten, so gereicht dies ihrem Herzen ebenso zur Ehre wie die gewissen¬ hafte Sorge um dasselbe ihrem regen Pflichtgefühle. Die schöne Offenheit, mit welcher sich Goethe in den „Tag- und Jahresheften" über den Mißerfolg äußert, hat Baumgartner zur Herabwürdigung der Sache und Goethes gemißbraucht. Gilt doch von ihm das Wort der „Xenien" gegen Nicolai: „Betastet er was, gleich ist das Ding auch beschmutzt." Wäre es ihm um Wahrheit zu thun gewesen, so hätte er die schöne Äußerung Goethes an Voigt vom 11. April 1813 nicht unbenutzt lassen können. Baumgartner hat die Stirn, zu behaupten, Goethe habe beim Jlmenauer Bergbau nur die Absicht gehabt, sich zu amüsiren und sich dem Herzog unentbehrlich zu machen, das Volk habe für seine tollen Wochen und Monate bezahlen müssen. Daß das Unternehmen länger als ein Vierteljahrhundert Ilmenau und der Umgegend zum Segen geworden, und auch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/333
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/333>, abgerufen am 15.01.2025.