Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Gin Zesuitsüber Goethe. rauchten Studien beruhende Arbeit von Herbst "Goethe in Wetzlar," die, wie So wenig beherrscht Baumgartner das Material. Noch schlimmer steht Gin Zesuitsüber Goethe. rauchten Studien beruhende Arbeit von Herbst „Goethe in Wetzlar," die, wie So wenig beherrscht Baumgartner das Material. Noch schlimmer steht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0330" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197064"/> <fw type="header" place="top"> Gin Zesuitsüber Goethe.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1057" prev="#ID_1056"> rauchten Studien beruhende Arbeit von Herbst „Goethe in Wetzlar," die, wie<lb/> Baumgartner aus vielen Berichten ersehen konnte, auch über die Krisis der<lb/> Leidenschaft des Dichters ganz neue Aufschlüsse gebracht hat, welche ein gewissen¬<lb/> hafter Lebensbeschreiber benutzen mußte. Bei dem Berichte über Goethes Gro߬<lb/> vater von väterlicher Seite kannte Baumgcirtner nicht die neuen Mitteilungen<lb/> von Archivar Grotefend, die schon der zweiten Ausgabe meines Lebens von<lb/> Goethe zu Gute gekommen sind. Ebenso wenig weiß er von den Aufklä¬<lb/> rungen, die wir neuerdings über Thorane, richtiger Thorane, erhalten haben.<lb/> Meine Schrift „Goethes Eintritt in Weimar," der erste Band meiner „Ab¬<lb/> handlungen" und manches andre von mir ist nicht benutzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1058"> So wenig beherrscht Baumgartner das Material. Noch schlimmer steht<lb/> es mit der Benutzung der von ihm angeführten Bücher, die äußerst sporadisch<lb/> ist, so daß man mit seinem Lieblingsausdrücke von ihm sagen kann, er habe darin<lb/> nur gewühlt; an ein aufmerksames Lesen, um von besonnener Prüfung garnicht<lb/> zu sprechen, ist nicht zu deuten. Werden doch sogar die urkundlichen Stellen aufs<lb/> flüchtigste angesehen, wie z. B. in einem Briefe an Frau von Stein das von<lb/> Goethe genommene „Ärgernis" als ein von ihm gegebenes gedeutet ist. Sehr<lb/> vieles Bedeutende ist Übergängen, manche Angaben sind so ungenau, daß der<lb/> Rotstift, der ihnen nachginge, ein ergiebiges Feld fände. Von den vielfachen<lb/> Verwechslungen seien nur ein paar wunderliche erwähnt. Der Baron Jmhoff,<lb/> der seine erste Frau, eine Nürnbergerin, in Indien an Hastinas verlauft hatte,<lb/> brachte zwei dort gekaufte „Mohrenknaben und Geschwister," Hudan und Lauf,<lb/> nach Weimar. Baumgartner macht diese „Mohrenknaben" nicht bloß an einer,<lb/> sondern an drei Stellen (S. 242, 299. 305) zu Söhnen Jmhoffs und seiner<lb/> ersten Gattin, während wir wissen, daß Lady Hastings die beiden Kinder erster<lb/> Ehe bei sich behielt, ihr Gatte in liebevollster Weise für sie sorgte, sie erst sehr<lb/> spät zum Besuche von Jmhoffs Kindern aus zweiter Ehe nach Weimar kamen. Hätte<lb/> Baumgartner die von ihm angeführten Bücher mehr als durchblättert, ein so<lb/> arger Schnitzer Hütte ihm nicht begegnen können. Aber freilich waren die beiden<lb/> Mohrenknaben aus Jmhoffs erster Ehe, wenn sie in Weimar vor den Augen<lb/> der zweiten Frau wild herumliefen, ein pikanter Zug im Bilde der damaligen<lb/> Residenz an der Ilm. Ein zweites Beispiel. Obgleich wir wissen, daß die vier<lb/> Töchter der Frau von Stein vor Goethes Ankunft in Weimar gestorben waren,<lb/> erklärt Baumgartner S. 488 das in einem Briefe Goethes vom Jahre 1781 und<lb/> sonst mehrfach erwähnte „Linchen" für deren Tochter. Bekanntlich ist darunter<lb/> Karoline von Iller verstanden, deren Beziehung zum Prinzen Konstantin bei<lb/> Baumgartner nicht fehlt. Ein drittes Beispiel bietet Goethes Sohn, der S 632<lb/> „Julius August Werther" heißt; es wäre doch zu skandalös schön, wenn Goethe<lb/> seinem Sohne den Namen des unglücklichen Helden seines ersten Romans gegeben<lb/> hätte, und warum sollte man nicht aus dem Walther einen Werther machen!<lb/> Oder ist dies bloß ein auf Baumgartens Ungenauigkeit spottender Druckfehler?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0330]
Gin Zesuitsüber Goethe.
rauchten Studien beruhende Arbeit von Herbst „Goethe in Wetzlar," die, wie
Baumgartner aus vielen Berichten ersehen konnte, auch über die Krisis der
Leidenschaft des Dichters ganz neue Aufschlüsse gebracht hat, welche ein gewissen¬
hafter Lebensbeschreiber benutzen mußte. Bei dem Berichte über Goethes Gro߬
vater von väterlicher Seite kannte Baumgcirtner nicht die neuen Mitteilungen
von Archivar Grotefend, die schon der zweiten Ausgabe meines Lebens von
Goethe zu Gute gekommen sind. Ebenso wenig weiß er von den Aufklä¬
rungen, die wir neuerdings über Thorane, richtiger Thorane, erhalten haben.
Meine Schrift „Goethes Eintritt in Weimar," der erste Band meiner „Ab¬
handlungen" und manches andre von mir ist nicht benutzt.
So wenig beherrscht Baumgartner das Material. Noch schlimmer steht
es mit der Benutzung der von ihm angeführten Bücher, die äußerst sporadisch
ist, so daß man mit seinem Lieblingsausdrücke von ihm sagen kann, er habe darin
nur gewühlt; an ein aufmerksames Lesen, um von besonnener Prüfung garnicht
zu sprechen, ist nicht zu deuten. Werden doch sogar die urkundlichen Stellen aufs
flüchtigste angesehen, wie z. B. in einem Briefe an Frau von Stein das von
Goethe genommene „Ärgernis" als ein von ihm gegebenes gedeutet ist. Sehr
vieles Bedeutende ist Übergängen, manche Angaben sind so ungenau, daß der
Rotstift, der ihnen nachginge, ein ergiebiges Feld fände. Von den vielfachen
Verwechslungen seien nur ein paar wunderliche erwähnt. Der Baron Jmhoff,
der seine erste Frau, eine Nürnbergerin, in Indien an Hastinas verlauft hatte,
brachte zwei dort gekaufte „Mohrenknaben und Geschwister," Hudan und Lauf,
nach Weimar. Baumgartner macht diese „Mohrenknaben" nicht bloß an einer,
sondern an drei Stellen (S. 242, 299. 305) zu Söhnen Jmhoffs und seiner
ersten Gattin, während wir wissen, daß Lady Hastings die beiden Kinder erster
Ehe bei sich behielt, ihr Gatte in liebevollster Weise für sie sorgte, sie erst sehr
spät zum Besuche von Jmhoffs Kindern aus zweiter Ehe nach Weimar kamen. Hätte
Baumgartner die von ihm angeführten Bücher mehr als durchblättert, ein so
arger Schnitzer Hütte ihm nicht begegnen können. Aber freilich waren die beiden
Mohrenknaben aus Jmhoffs erster Ehe, wenn sie in Weimar vor den Augen
der zweiten Frau wild herumliefen, ein pikanter Zug im Bilde der damaligen
Residenz an der Ilm. Ein zweites Beispiel. Obgleich wir wissen, daß die vier
Töchter der Frau von Stein vor Goethes Ankunft in Weimar gestorben waren,
erklärt Baumgartner S. 488 das in einem Briefe Goethes vom Jahre 1781 und
sonst mehrfach erwähnte „Linchen" für deren Tochter. Bekanntlich ist darunter
Karoline von Iller verstanden, deren Beziehung zum Prinzen Konstantin bei
Baumgartner nicht fehlt. Ein drittes Beispiel bietet Goethes Sohn, der S 632
„Julius August Werther" heißt; es wäre doch zu skandalös schön, wenn Goethe
seinem Sohne den Namen des unglücklichen Helden seines ersten Romans gegeben
hätte, und warum sollte man nicht aus dem Walther einen Werther machen!
Oder ist dies bloß ein auf Baumgartens Ungenauigkeit spottender Druckfehler?
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