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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Die evangelische Allianz vom Jahre 1^685.

gilt es, neue Gemeinschaften zu begründen, welche der bedrohten, historisch ge¬
rechtfertigten Einzelwirtschaft zum Schutze dienen und unserm Staatswesen sein
eigenartiges, volkstümliches Gepräge erhalten. Ein Mittel dazu erblicken wir
in der Einführung eines Repräsentativsysteins ans bcrnfsständischer Grundlage,




Die evangelische Allianz vom Jahre ^685.
von Hugo Landwehr.

in 18. Oktober dieses Jahres sind zwei Jahrhunderte verflossen,
zjitdem Ludwig der Vierzehnte durch die Aufhebung des Edikts
von Nantes dem reformirten Bekenntnis in seinen Landen den
letzten Nest der Freiheit nahmTausende von arbeitsame" Händen,
welche den Wohlstand Frankreichs stets gefördert hattet,, wurden
von ihrem Herde Vertrieben. Gern ließen sie Hab und Gut im Stich, wenn es
ihnen nur gelang, das nackte Leben zu retten, um andernorts unter einem mild¬
gesinnten Herrscher ungestört ihren Glaubensverrichtungen nachgehen zu können.
Frankreichs wirtschaftliche Lage hat durch jenen Gewaltakt namenlos gelitten,
der französische Exporthandel stand damals nahe vor dem Untergange, dazu
schien es gefahrvoll, mit jenem Lande Handelsbeziehungen zu pflegen. In einer
Zeit, wo die Glaubensvcrfolgungen schon einen beträchtlichen Höhepunkt erreicht
hatten, wurden binnen vierzehn Tagen in Amsterdam über hundert Wechselbriefe
protestirt. Der Kredit Frankreichs schien auf Null herabgesunken zu sein. Die
natürliche Folge davon war, "daß niemand seine Effekten in Frankreich weder
bei den Reformirten, noch selbst bei den Katholischen sicher sah."

Waren nun schon die Handelsbeziehungen Hollands zu den Unterthanen
Ludwigs nicht unbedeutend, so mußte sich umsomehr die Aufmerksamkeit der
"Herrn Staaten-General" auf jene Vorgänge richten, da Holländer in großer
Anzahl ans französischem Boden angesiedelt lebten, und diesen jetzt nicht minder
die Verfolgung um ihres Glaubens willen drohte.

Ein allgemeiner Sturm des Entsetzens über jene Gewaltmaßregeln Ludwigs
erhob sich damals nicht nur im Haag, souderu in der gesamten evangelischen
Welt. Die vornehmsten Häupter derselben protestirten gegen ein Verfahren, das



Der vorliegende Aufsatz fußt vornehmlich auf den Korrespondenzen von v. Diest und
P. v. Fuchs, deren Benutzung die Direktion der königlich preussischen Staatsarchive in Berlin
gütigst gestattete.
Die evangelische Allianz vom Jahre 1^685.

gilt es, neue Gemeinschaften zu begründen, welche der bedrohten, historisch ge¬
rechtfertigten Einzelwirtschaft zum Schutze dienen und unserm Staatswesen sein
eigenartiges, volkstümliches Gepräge erhalten. Ein Mittel dazu erblicken wir
in der Einführung eines Repräsentativsysteins ans bcrnfsständischer Grundlage,




Die evangelische Allianz vom Jahre ^685.
von Hugo Landwehr.

in 18. Oktober dieses Jahres sind zwei Jahrhunderte verflossen,
zjitdem Ludwig der Vierzehnte durch die Aufhebung des Edikts
von Nantes dem reformirten Bekenntnis in seinen Landen den
letzten Nest der Freiheit nahmTausende von arbeitsame» Händen,
welche den Wohlstand Frankreichs stets gefördert hattet,, wurden
von ihrem Herde Vertrieben. Gern ließen sie Hab und Gut im Stich, wenn es
ihnen nur gelang, das nackte Leben zu retten, um andernorts unter einem mild¬
gesinnten Herrscher ungestört ihren Glaubensverrichtungen nachgehen zu können.
Frankreichs wirtschaftliche Lage hat durch jenen Gewaltakt namenlos gelitten,
der französische Exporthandel stand damals nahe vor dem Untergange, dazu
schien es gefahrvoll, mit jenem Lande Handelsbeziehungen zu pflegen. In einer
Zeit, wo die Glaubensvcrfolgungen schon einen beträchtlichen Höhepunkt erreicht
hatten, wurden binnen vierzehn Tagen in Amsterdam über hundert Wechselbriefe
protestirt. Der Kredit Frankreichs schien auf Null herabgesunken zu sein. Die
natürliche Folge davon war, „daß niemand seine Effekten in Frankreich weder
bei den Reformirten, noch selbst bei den Katholischen sicher sah."

Waren nun schon die Handelsbeziehungen Hollands zu den Unterthanen
Ludwigs nicht unbedeutend, so mußte sich umsomehr die Aufmerksamkeit der
„Herrn Staaten-General" auf jene Vorgänge richten, da Holländer in großer
Anzahl ans französischem Boden angesiedelt lebten, und diesen jetzt nicht minder
die Verfolgung um ihres Glaubens willen drohte.

Ein allgemeiner Sturm des Entsetzens über jene Gewaltmaßregeln Ludwigs
erhob sich damals nicht nur im Haag, souderu in der gesamten evangelischen
Welt. Die vornehmsten Häupter derselben protestirten gegen ein Verfahren, das



Der vorliegende Aufsatz fußt vornehmlich auf den Korrespondenzen von v. Diest und
P. v. Fuchs, deren Benutzung die Direktion der königlich preussischen Staatsarchive in Berlin
gütigst gestattete.
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[0141] Die evangelische Allianz vom Jahre 1^685. gilt es, neue Gemeinschaften zu begründen, welche der bedrohten, historisch ge¬ rechtfertigten Einzelwirtschaft zum Schutze dienen und unserm Staatswesen sein eigenartiges, volkstümliches Gepräge erhalten. Ein Mittel dazu erblicken wir in der Einführung eines Repräsentativsysteins ans bcrnfsständischer Grundlage, Die evangelische Allianz vom Jahre ^685. von Hugo Landwehr. in 18. Oktober dieses Jahres sind zwei Jahrhunderte verflossen, zjitdem Ludwig der Vierzehnte durch die Aufhebung des Edikts von Nantes dem reformirten Bekenntnis in seinen Landen den letzten Nest der Freiheit nahmTausende von arbeitsame» Händen, welche den Wohlstand Frankreichs stets gefördert hattet,, wurden von ihrem Herde Vertrieben. Gern ließen sie Hab und Gut im Stich, wenn es ihnen nur gelang, das nackte Leben zu retten, um andernorts unter einem mild¬ gesinnten Herrscher ungestört ihren Glaubensverrichtungen nachgehen zu können. Frankreichs wirtschaftliche Lage hat durch jenen Gewaltakt namenlos gelitten, der französische Exporthandel stand damals nahe vor dem Untergange, dazu schien es gefahrvoll, mit jenem Lande Handelsbeziehungen zu pflegen. In einer Zeit, wo die Glaubensvcrfolgungen schon einen beträchtlichen Höhepunkt erreicht hatten, wurden binnen vierzehn Tagen in Amsterdam über hundert Wechselbriefe protestirt. Der Kredit Frankreichs schien auf Null herabgesunken zu sein. Die natürliche Folge davon war, „daß niemand seine Effekten in Frankreich weder bei den Reformirten, noch selbst bei den Katholischen sicher sah." Waren nun schon die Handelsbeziehungen Hollands zu den Unterthanen Ludwigs nicht unbedeutend, so mußte sich umsomehr die Aufmerksamkeit der „Herrn Staaten-General" auf jene Vorgänge richten, da Holländer in großer Anzahl ans französischem Boden angesiedelt lebten, und diesen jetzt nicht minder die Verfolgung um ihres Glaubens willen drohte. Ein allgemeiner Sturm des Entsetzens über jene Gewaltmaßregeln Ludwigs erhob sich damals nicht nur im Haag, souderu in der gesamten evangelischen Welt. Die vornehmsten Häupter derselben protestirten gegen ein Verfahren, das Der vorliegende Aufsatz fußt vornehmlich auf den Korrespondenzen von v. Diest und P. v. Fuchs, deren Benutzung die Direktion der königlich preussischen Staatsarchive in Berlin gütigst gestattete.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/141>, abgerufen am 15.01.2025.