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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zwei fürstliche Finnen des achtzehnten Icihrhnnderts.

gemacht. Ergötzlich ist die Schilderung, welche die Reisende von einem Besuche
an dem benachbarten Anobachschen Hofe macht. Eleonore fuhr in einem alten
viersilbigen Wagen, den schon ihre Mutter verwünscht hatte und der unterwegs
mich zweimal brach; dabei war sie hvfmäßig gekleidet und stieß mit ihrer hohen
Frisur immer an die Decke des Wagens. Der Markgraf Friedrich Karl
Alexander -- derselbe, der später sein Land an Preußen abtrat -- empfing
die Liechtenstein inmitten seines kleinen Hofstaates kühl und feierlich wie ein
großer Souverän. Die Hofherren waren nicht unterhaltend, die Damen häßlich,
abscheulich angezogen und in einer Weise dekolletirt, wie Eleonore es noch nie
gesehen hatte. Bei dem Diner brachten alle Toaste aus. Nach demselben zeigte
der Markgraf dem Gaste seine Pferde und Hunde, die er für seine Parforce¬
jagden aus England hatte kommen lassen. Eleonore blieb indessen bei den
Damen. Abends war Spiel und Souper, und sie fuhren dann müde und ge¬
langweilt nach Hause. Am 19. März trafen sie in Frankfurt ein. Wer kennt
nicht die anschauliche Schilderung, die Goethe von der Krönung Josephs des
Zweiten in "Dichtung und Wahrheit" gegeben hat? Eine große Anzahl Herren
und Damen aus den vornehmsten Kreisen ganz Deutschlands hatte sich in
Frankfurt zusammengefunden. Schon damals ging Joseph seiue eignen Wege,
die weitab von der überlieferten Bahn führten. Durch den frühzeitigen Tod
seiner ersten Frau, der schöne", melancholischen Isabella von Parma, war er
ni den Jahren, wo andern der frohe Lebensgenuß erst recht aufzugehen Pflegt,
zu stiller Zurückgezogenheit und träumerischer Grübelei veranlaßt worden.
"Mein Herz ist von Schmerz elfüllt -- schreibt er unmittelbar vor der Krönung
an seine Mutter --, wie kann ich von einer Wurde erfreut sei", von der ich nur
die Last und keine Annehmlichkeit kenne; ich, der ich die Einsamkeit liebe und
nur schwer mit unbekannten Leute" Verkehre, soll immer in der Welt sein und
Gespräche mit fremden Personen sichren; ich, der ich nur wenige Worte habe,
soll deu ganzen Tag schwatzen und auf augenehme Weise nichts sagen." Doppelt
bedeutsam klingt aus einem solche" Munde das Lob, das der junge König über
die in Frankfurt anwesenden deutschen Frauen äußert: "Die deutschen Frauen
gefallen mir in ihrer äußern Erscheinung viel besser als die Frauen in Wien;
sie sind fröhlicher und haben mehr Geist."

Seit dem Kröuuugsfeste war Eleonore Liechtenstein in nähere Beziehungen
zum Hofe gekommen. Es ist ein wahrhaft erquickendes, fast idhllisches Bild,
eine Oase inmitten der Wüsteneien der zahlreichen Höfe des achtzehnten Jahr¬
hunderts, dieser Hof Maria Theresias. Von ihren Töchtern war im Jahre
1700 die älteste, Maria Anna, 22 Jahre alt, Maria Christine 18, Elisabeth 17,
Amalie 15, die jüngeren, Johanna, Josephine, Karoline und Antonie, waren
Kinder von 10 bis 5 Jahren. Außer Joseph waren noch vier jüngere Sohne,
Karl, Leopold, Ferdinand und Max, da. Einen jähe" Riß in das schöne Fa¬
milienleben machte der plötzliche Tod des Kaisers im August 1765. Einige


Zwei fürstliche Finnen des achtzehnten Icihrhnnderts.

gemacht. Ergötzlich ist die Schilderung, welche die Reisende von einem Besuche
an dem benachbarten Anobachschen Hofe macht. Eleonore fuhr in einem alten
viersilbigen Wagen, den schon ihre Mutter verwünscht hatte und der unterwegs
mich zweimal brach; dabei war sie hvfmäßig gekleidet und stieß mit ihrer hohen
Frisur immer an die Decke des Wagens. Der Markgraf Friedrich Karl
Alexander — derselbe, der später sein Land an Preußen abtrat — empfing
die Liechtenstein inmitten seines kleinen Hofstaates kühl und feierlich wie ein
großer Souverän. Die Hofherren waren nicht unterhaltend, die Damen häßlich,
abscheulich angezogen und in einer Weise dekolletirt, wie Eleonore es noch nie
gesehen hatte. Bei dem Diner brachten alle Toaste aus. Nach demselben zeigte
der Markgraf dem Gaste seine Pferde und Hunde, die er für seine Parforce¬
jagden aus England hatte kommen lassen. Eleonore blieb indessen bei den
Damen. Abends war Spiel und Souper, und sie fuhren dann müde und ge¬
langweilt nach Hause. Am 19. März trafen sie in Frankfurt ein. Wer kennt
nicht die anschauliche Schilderung, die Goethe von der Krönung Josephs des
Zweiten in „Dichtung und Wahrheit" gegeben hat? Eine große Anzahl Herren
und Damen aus den vornehmsten Kreisen ganz Deutschlands hatte sich in
Frankfurt zusammengefunden. Schon damals ging Joseph seiue eignen Wege,
die weitab von der überlieferten Bahn führten. Durch den frühzeitigen Tod
seiner ersten Frau, der schöne», melancholischen Isabella von Parma, war er
ni den Jahren, wo andern der frohe Lebensgenuß erst recht aufzugehen Pflegt,
zu stiller Zurückgezogenheit und träumerischer Grübelei veranlaßt worden.
„Mein Herz ist von Schmerz elfüllt — schreibt er unmittelbar vor der Krönung
an seine Mutter —, wie kann ich von einer Wurde erfreut sei», von der ich nur
die Last und keine Annehmlichkeit kenne; ich, der ich die Einsamkeit liebe und
nur schwer mit unbekannten Leute» Verkehre, soll immer in der Welt sein und
Gespräche mit fremden Personen sichren; ich, der ich nur wenige Worte habe,
soll deu ganzen Tag schwatzen und auf augenehme Weise nichts sagen." Doppelt
bedeutsam klingt aus einem solche» Munde das Lob, das der junge König über
die in Frankfurt anwesenden deutschen Frauen äußert: „Die deutschen Frauen
gefallen mir in ihrer äußern Erscheinung viel besser als die Frauen in Wien;
sie sind fröhlicher und haben mehr Geist."

Seit dem Kröuuugsfeste war Eleonore Liechtenstein in nähere Beziehungen
zum Hofe gekommen. Es ist ein wahrhaft erquickendes, fast idhllisches Bild,
eine Oase inmitten der Wüsteneien der zahlreichen Höfe des achtzehnten Jahr¬
hunderts, dieser Hof Maria Theresias. Von ihren Töchtern war im Jahre
1700 die älteste, Maria Anna, 22 Jahre alt, Maria Christine 18, Elisabeth 17,
Amalie 15, die jüngeren, Johanna, Josephine, Karoline und Antonie, waren
Kinder von 10 bis 5 Jahren. Außer Joseph waren noch vier jüngere Sohne,
Karl, Leopold, Ferdinand und Max, da. Einen jähe» Riß in das schöne Fa¬
milienleben machte der plötzliche Tod des Kaisers im August 1765. Einige


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[0517] Zwei fürstliche Finnen des achtzehnten Icihrhnnderts. gemacht. Ergötzlich ist die Schilderung, welche die Reisende von einem Besuche an dem benachbarten Anobachschen Hofe macht. Eleonore fuhr in einem alten viersilbigen Wagen, den schon ihre Mutter verwünscht hatte und der unterwegs mich zweimal brach; dabei war sie hvfmäßig gekleidet und stieß mit ihrer hohen Frisur immer an die Decke des Wagens. Der Markgraf Friedrich Karl Alexander — derselbe, der später sein Land an Preußen abtrat — empfing die Liechtenstein inmitten seines kleinen Hofstaates kühl und feierlich wie ein großer Souverän. Die Hofherren waren nicht unterhaltend, die Damen häßlich, abscheulich angezogen und in einer Weise dekolletirt, wie Eleonore es noch nie gesehen hatte. Bei dem Diner brachten alle Toaste aus. Nach demselben zeigte der Markgraf dem Gaste seine Pferde und Hunde, die er für seine Parforce¬ jagden aus England hatte kommen lassen. Eleonore blieb indessen bei den Damen. Abends war Spiel und Souper, und sie fuhren dann müde und ge¬ langweilt nach Hause. Am 19. März trafen sie in Frankfurt ein. Wer kennt nicht die anschauliche Schilderung, die Goethe von der Krönung Josephs des Zweiten in „Dichtung und Wahrheit" gegeben hat? Eine große Anzahl Herren und Damen aus den vornehmsten Kreisen ganz Deutschlands hatte sich in Frankfurt zusammengefunden. Schon damals ging Joseph seiue eignen Wege, die weitab von der überlieferten Bahn führten. Durch den frühzeitigen Tod seiner ersten Frau, der schöne», melancholischen Isabella von Parma, war er ni den Jahren, wo andern der frohe Lebensgenuß erst recht aufzugehen Pflegt, zu stiller Zurückgezogenheit und träumerischer Grübelei veranlaßt worden. „Mein Herz ist von Schmerz elfüllt — schreibt er unmittelbar vor der Krönung an seine Mutter —, wie kann ich von einer Wurde erfreut sei», von der ich nur die Last und keine Annehmlichkeit kenne; ich, der ich die Einsamkeit liebe und nur schwer mit unbekannten Leute» Verkehre, soll immer in der Welt sein und Gespräche mit fremden Personen sichren; ich, der ich nur wenige Worte habe, soll deu ganzen Tag schwatzen und auf augenehme Weise nichts sagen." Doppelt bedeutsam klingt aus einem solche» Munde das Lob, das der junge König über die in Frankfurt anwesenden deutschen Frauen äußert: „Die deutschen Frauen gefallen mir in ihrer äußern Erscheinung viel besser als die Frauen in Wien; sie sind fröhlicher und haben mehr Geist." Seit dem Kröuuugsfeste war Eleonore Liechtenstein in nähere Beziehungen zum Hofe gekommen. Es ist ein wahrhaft erquickendes, fast idhllisches Bild, eine Oase inmitten der Wüsteneien der zahlreichen Höfe des achtzehnten Jahr¬ hunderts, dieser Hof Maria Theresias. Von ihren Töchtern war im Jahre 1700 die älteste, Maria Anna, 22 Jahre alt, Maria Christine 18, Elisabeth 17, Amalie 15, die jüngeren, Johanna, Josephine, Karoline und Antonie, waren Kinder von 10 bis 5 Jahren. Außer Joseph waren noch vier jüngere Sohne, Karl, Leopold, Ferdinand und Max, da. Einen jähe» Riß in das schöne Fa¬ milienleben machte der plötzliche Tod des Kaisers im August 1765. Einige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/517>, abgerufen am 25.11.2024.