Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. Zeit glaubte man, die Kaiserin werde in der Heftigkeit ihres Schmerzes die Die nächsten Jahre nach dem Tode Kaiser Franz' waren für Eleonore von Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. Zeit glaubte man, die Kaiserin werde in der Heftigkeit ihres Schmerzes die Die nächsten Jahre nach dem Tode Kaiser Franz' waren für Eleonore von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196618"/> <fw type="header" place="top"> Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2001" prev="#ID_2000"> Zeit glaubte man, die Kaiserin werde in der Heftigkeit ihres Schmerzes die<lb/> Regierung an den Sohn abtreten; erst nach und nach gewann die mutige Frau<lb/> wieder die Lust am Leben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2002" next="#ID_2003"> Die nächsten Jahre nach dem Tode Kaiser Franz' waren für Eleonore von<lb/> dein buntesten Wechsel des Hoflebens in Anspruch genommen. Nicht ohne ihre<lb/> Mitwirkung war die zweite Heirat Josephs mit der bairischen Prinzessin Josepha,<lb/> der Schwester des Kurfürsten Max Joseph, zustande gekommen. Bekanntlich<lb/> war diese Ehe eine der unglücklichsten, die je geschlossen wurden, und konnte die<lb/> Verdüsterung in Josephs Gemüt, anstatt sie — wie man gehofft hatte — zu<lb/> hebe», vielmehr mir noch steigern. Dagegen glückte die Verbindung der zweiten<lb/> Tochter Maria Theresias, Maria Christine, mit dem Herzog Albert von Sachsen-<lb/> Teschen, dem spätern Rcichsgeneral-Feldmarschnll, in einer umso erfreulicheren<lb/> Weise. Die Memoiren des letztgenannten Fürsten geben ein genaues Bild des<lb/> gleichzeitigen gesellschaftlichen Hof- und Adelslebens. Wie verschieden war doch<lb/> dasselbe von jenem des siebzehnten Jahrhunderts und von dem unsrer Tage!<lb/> Man horte nichts von den wüsten Gelagen, von den wilden nächtlichen Ritten,<lb/> von welchen uns die Chroniken mich der Zeit des dreißigjährigen Krieges erzählen;<lb/> man hörte auch nichts von der Frivolität und Raffinirtheit des französischen<lb/> Adels am Hofe Ludwigs XV. Wohl war noch die Rokvkvzeit mit ihrem koketten<lb/> Treiben und ihren süßmatteu Spielen in der Blüte, aber alles hatte eine feine,<lb/> glatte Form angenommen. Die Herzen pulsirten gewiß noch in heißer Leiden¬<lb/> schaft, die Strenge der Alten und die Ausgelassenheit der Jungen kamen oft in<lb/> Streit, aber in der häuslichen Zucht und in dem kühlen, steifen Ton der Ge¬<lb/> sellschaft erloschen die Flammen. Eine große Verschiedenheit war zwischen dein<lb/> Adel in Jnnerösterreich und jenem in Böhmen und Mähren. In Steiermnrk,<lb/> Körnten und Kram hatte sich der Landadel mit kleinen Gütern erhalten. In<lb/> den slawischen Ländern war nach der großen Revolution unter Ferdinand II.<lb/> der Grundbesitz in großen Latifundien an wenige, zunächst deutsche Familien<lb/> gekommen, welche sich muh der Sitte der Zeit französirten und die französische<lb/> Kultur, wie früher die italienische, vermittelten. Man darf nur die Schlösser<lb/> in Steiermark mit denen in Böhmen und Mähren vergleichen; die erster» sind<lb/> fast alle burgartig und im Reuaisscmeestil, die letztern im Rokokostil gebaut.<lb/> Wenn man durch die Säle dieser Schlösser geht, tritt einem überall das vorige<lb/> Jahrhundert mit seiner steifen Grandezza, mit seiner gepuderten falschen Antike<lb/> und seiner hausbackncn Gelehrsamkeit entgegen. Aus diesen Schlössern ist eine<lb/> Reihe von Männern hervorgegangen, ausgezeichnet durch ihre praktische Tüchtig¬<lb/> keit im Krieg und im Frieden, aber in der Teilnahme für die geistige Bildung<lb/> der Zeit wurden sie von ihren Frauen überragt. „Die Erziehung, die wir<lb/> unsern Frauen geben — schreibt einmal Leopoldine Kaunitz an ihre Schwester —,<lb/> ist gut, die unsrer Söhne schlecht. Man lehrt sie größtenteils unnütze Dinge;<lb/> was am allernotwendigsten ist und das Glück des Lebens bildet, nämlich sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0518]
Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.
Zeit glaubte man, die Kaiserin werde in der Heftigkeit ihres Schmerzes die
Regierung an den Sohn abtreten; erst nach und nach gewann die mutige Frau
wieder die Lust am Leben.
Die nächsten Jahre nach dem Tode Kaiser Franz' waren für Eleonore von
dein buntesten Wechsel des Hoflebens in Anspruch genommen. Nicht ohne ihre
Mitwirkung war die zweite Heirat Josephs mit der bairischen Prinzessin Josepha,
der Schwester des Kurfürsten Max Joseph, zustande gekommen. Bekanntlich
war diese Ehe eine der unglücklichsten, die je geschlossen wurden, und konnte die
Verdüsterung in Josephs Gemüt, anstatt sie — wie man gehofft hatte — zu
hebe», vielmehr mir noch steigern. Dagegen glückte die Verbindung der zweiten
Tochter Maria Theresias, Maria Christine, mit dem Herzog Albert von Sachsen-
Teschen, dem spätern Rcichsgeneral-Feldmarschnll, in einer umso erfreulicheren
Weise. Die Memoiren des letztgenannten Fürsten geben ein genaues Bild des
gleichzeitigen gesellschaftlichen Hof- und Adelslebens. Wie verschieden war doch
dasselbe von jenem des siebzehnten Jahrhunderts und von dem unsrer Tage!
Man horte nichts von den wüsten Gelagen, von den wilden nächtlichen Ritten,
von welchen uns die Chroniken mich der Zeit des dreißigjährigen Krieges erzählen;
man hörte auch nichts von der Frivolität und Raffinirtheit des französischen
Adels am Hofe Ludwigs XV. Wohl war noch die Rokvkvzeit mit ihrem koketten
Treiben und ihren süßmatteu Spielen in der Blüte, aber alles hatte eine feine,
glatte Form angenommen. Die Herzen pulsirten gewiß noch in heißer Leiden¬
schaft, die Strenge der Alten und die Ausgelassenheit der Jungen kamen oft in
Streit, aber in der häuslichen Zucht und in dem kühlen, steifen Ton der Ge¬
sellschaft erloschen die Flammen. Eine große Verschiedenheit war zwischen dein
Adel in Jnnerösterreich und jenem in Böhmen und Mähren. In Steiermnrk,
Körnten und Kram hatte sich der Landadel mit kleinen Gütern erhalten. In
den slawischen Ländern war nach der großen Revolution unter Ferdinand II.
der Grundbesitz in großen Latifundien an wenige, zunächst deutsche Familien
gekommen, welche sich muh der Sitte der Zeit französirten und die französische
Kultur, wie früher die italienische, vermittelten. Man darf nur die Schlösser
in Steiermark mit denen in Böhmen und Mähren vergleichen; die erster» sind
fast alle burgartig und im Reuaisscmeestil, die letztern im Rokokostil gebaut.
Wenn man durch die Säle dieser Schlösser geht, tritt einem überall das vorige
Jahrhundert mit seiner steifen Grandezza, mit seiner gepuderten falschen Antike
und seiner hausbackncn Gelehrsamkeit entgegen. Aus diesen Schlössern ist eine
Reihe von Männern hervorgegangen, ausgezeichnet durch ihre praktische Tüchtig¬
keit im Krieg und im Frieden, aber in der Teilnahme für die geistige Bildung
der Zeit wurden sie von ihren Frauen überragt. „Die Erziehung, die wir
unsern Frauen geben — schreibt einmal Leopoldine Kaunitz an ihre Schwester —,
ist gut, die unsrer Söhne schlecht. Man lehrt sie größtenteils unnütze Dinge;
was am allernotwendigsten ist und das Glück des Lebens bildet, nämlich sich
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