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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

das Unglück der Zeit, den Gegensatz der herrschenden Ideen bis ins tiefste Herz.
Sie war eine Zeitgenossin der Fran von Stein, der Angelica Kaufmann, der
Landgräfin Karoline von Hessen, der unglücklichen Marie Antoinerte von Frank¬
reich und der Königin Luise von Preußen. Sie gehörte der vornehmen Ge¬
sellschaft Österreichs an, war eine Aristokratin von Geburt und Gesinnung, eine
der ersten Frauen am Hofe Maria Theresias und Josephs des Zweiten. Sie er¬
lebte die französische Revolution und wurde die Stammmutter eines Geschlechts,
dessen Enkel und Urenkel ihrer mit Stolz und Verehrung gedenken.

Eleonore Liechtenstein war eine geborne Fürstin von Öttingcn Spielberg,
eine Tochter des Fttrsteu Johann Aloys des Ersten, jenes wunderlichen und
gutmütigen Duodczsouveräns, von dem der boshafte Ritter von Lang in seinen
bekannten Memoiren erzählt, daß er, nachdem seine tiefverschuldeten Güter unter
kaiserliche Sequestration gekommen waren, weil er nichts mehr zu regieren hatte,
tagelang im Fensterflügel seines Schlosses, oberhalb des Thores gelegen, die
aus- und eingehenden Leute beobachtet und mit ihnen von irniors geplaudert
habe. Auch die sonstigen Zustände am Öttingenschen Hofe waren nicht dazu
angethan, einen bildsamen Einfluß auf begabte jugendliche Gemüter auszuüben.
Zur Vollendung ihrer Erziehung wurde Eleonore mit ihrer Schwester in ein
französisches Kloster nach Straßbnrg gebracht. Die Mädchen vergaßen dort
ihre Muttersprache fast gänzlich, lernten Französisch, etwas Geschichte und
Geographie, Reliquien einfassen, Altarpolster sticken und ähnliche Künste.
Im Jahre 1760 starb ihrer Mutter Schwester, die Herzogin von Gnastalla,
und vermachte ihnen ihr ganzes bedeutendes Vermögen. Eleonore wurde da¬
durch mit einem Schlage aus einer mittellosen, fast armen Prinzessin zu einer
der reichsten Erbinnen. Die nächste Folge dieses Glückswechsels bestand darin,
daß die beiden jungen Mädchen noch im Sommer desselben Jahres an den
Wiener Hof kamen, mit dem, wie die meisten süddeutschen Adelsfamilien, auch
die Öttingen seit Alters intime Beziehungen unterhielten. Es dauerte auch
nicht lange, so hatten die Schwestern Freier ans den höchsten Kreisen der öster¬
reichischen Gesellschaft gefunden. Leopoldine Verlobte sich mit dem jungen Grafen
Ernst Kaunitz, dem Sohne des Staatskanzlers; zwei Monate später Eleonore
mit dem Fürsten Karl Liechtenstein, der sich bereits im siebenjährigen Kriege
aufs vorteilhafteste ausgezeichnet hatte und in der Stufenleiter militärischer
Ehren bis zum Generalmajor emporgestiegen war. Die ersten Jahre ihrer
glücklichen Ehe verlebte Eleonore meist auf ihren Gütern in Mührer und
ans denen ihres Mannes in Niederösterreich. Die Wintermonate wurden in
Wien zugebracht. Die erste Gelegenheit, nach außen hin bedeutsamer hervor¬
zutreten, fand sich für die junge Frau, als sie im Jahre 1764 mit ihrem Gemahl
der Krönung Josephs des Zweiten in Frankfurt als Ehrendame assistiren mußte.
Auf dem Wege dahin wurde in München, wo die Mißwirtschaft des bairischen
Hofes Eleonore scharfe und treffende Worte entlockte, und in Öttingen Halt


Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

das Unglück der Zeit, den Gegensatz der herrschenden Ideen bis ins tiefste Herz.
Sie war eine Zeitgenossin der Fran von Stein, der Angelica Kaufmann, der
Landgräfin Karoline von Hessen, der unglücklichen Marie Antoinerte von Frank¬
reich und der Königin Luise von Preußen. Sie gehörte der vornehmen Ge¬
sellschaft Österreichs an, war eine Aristokratin von Geburt und Gesinnung, eine
der ersten Frauen am Hofe Maria Theresias und Josephs des Zweiten. Sie er¬
lebte die französische Revolution und wurde die Stammmutter eines Geschlechts,
dessen Enkel und Urenkel ihrer mit Stolz und Verehrung gedenken.

Eleonore Liechtenstein war eine geborne Fürstin von Öttingcn Spielberg,
eine Tochter des Fttrsteu Johann Aloys des Ersten, jenes wunderlichen und
gutmütigen Duodczsouveräns, von dem der boshafte Ritter von Lang in seinen
bekannten Memoiren erzählt, daß er, nachdem seine tiefverschuldeten Güter unter
kaiserliche Sequestration gekommen waren, weil er nichts mehr zu regieren hatte,
tagelang im Fensterflügel seines Schlosses, oberhalb des Thores gelegen, die
aus- und eingehenden Leute beobachtet und mit ihnen von irniors geplaudert
habe. Auch die sonstigen Zustände am Öttingenschen Hofe waren nicht dazu
angethan, einen bildsamen Einfluß auf begabte jugendliche Gemüter auszuüben.
Zur Vollendung ihrer Erziehung wurde Eleonore mit ihrer Schwester in ein
französisches Kloster nach Straßbnrg gebracht. Die Mädchen vergaßen dort
ihre Muttersprache fast gänzlich, lernten Französisch, etwas Geschichte und
Geographie, Reliquien einfassen, Altarpolster sticken und ähnliche Künste.
Im Jahre 1760 starb ihrer Mutter Schwester, die Herzogin von Gnastalla,
und vermachte ihnen ihr ganzes bedeutendes Vermögen. Eleonore wurde da¬
durch mit einem Schlage aus einer mittellosen, fast armen Prinzessin zu einer
der reichsten Erbinnen. Die nächste Folge dieses Glückswechsels bestand darin,
daß die beiden jungen Mädchen noch im Sommer desselben Jahres an den
Wiener Hof kamen, mit dem, wie die meisten süddeutschen Adelsfamilien, auch
die Öttingen seit Alters intime Beziehungen unterhielten. Es dauerte auch
nicht lange, so hatten die Schwestern Freier ans den höchsten Kreisen der öster¬
reichischen Gesellschaft gefunden. Leopoldine Verlobte sich mit dem jungen Grafen
Ernst Kaunitz, dem Sohne des Staatskanzlers; zwei Monate später Eleonore
mit dem Fürsten Karl Liechtenstein, der sich bereits im siebenjährigen Kriege
aufs vorteilhafteste ausgezeichnet hatte und in der Stufenleiter militärischer
Ehren bis zum Generalmajor emporgestiegen war. Die ersten Jahre ihrer
glücklichen Ehe verlebte Eleonore meist auf ihren Gütern in Mührer und
ans denen ihres Mannes in Niederösterreich. Die Wintermonate wurden in
Wien zugebracht. Die erste Gelegenheit, nach außen hin bedeutsamer hervor¬
zutreten, fand sich für die junge Frau, als sie im Jahre 1764 mit ihrem Gemahl
der Krönung Josephs des Zweiten in Frankfurt als Ehrendame assistiren mußte.
Auf dem Wege dahin wurde in München, wo die Mißwirtschaft des bairischen
Hofes Eleonore scharfe und treffende Worte entlockte, und in Öttingen Halt


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[0516] Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. das Unglück der Zeit, den Gegensatz der herrschenden Ideen bis ins tiefste Herz. Sie war eine Zeitgenossin der Fran von Stein, der Angelica Kaufmann, der Landgräfin Karoline von Hessen, der unglücklichen Marie Antoinerte von Frank¬ reich und der Königin Luise von Preußen. Sie gehörte der vornehmen Ge¬ sellschaft Österreichs an, war eine Aristokratin von Geburt und Gesinnung, eine der ersten Frauen am Hofe Maria Theresias und Josephs des Zweiten. Sie er¬ lebte die französische Revolution und wurde die Stammmutter eines Geschlechts, dessen Enkel und Urenkel ihrer mit Stolz und Verehrung gedenken. Eleonore Liechtenstein war eine geborne Fürstin von Öttingcn Spielberg, eine Tochter des Fttrsteu Johann Aloys des Ersten, jenes wunderlichen und gutmütigen Duodczsouveräns, von dem der boshafte Ritter von Lang in seinen bekannten Memoiren erzählt, daß er, nachdem seine tiefverschuldeten Güter unter kaiserliche Sequestration gekommen waren, weil er nichts mehr zu regieren hatte, tagelang im Fensterflügel seines Schlosses, oberhalb des Thores gelegen, die aus- und eingehenden Leute beobachtet und mit ihnen von irniors geplaudert habe. Auch die sonstigen Zustände am Öttingenschen Hofe waren nicht dazu angethan, einen bildsamen Einfluß auf begabte jugendliche Gemüter auszuüben. Zur Vollendung ihrer Erziehung wurde Eleonore mit ihrer Schwester in ein französisches Kloster nach Straßbnrg gebracht. Die Mädchen vergaßen dort ihre Muttersprache fast gänzlich, lernten Französisch, etwas Geschichte und Geographie, Reliquien einfassen, Altarpolster sticken und ähnliche Künste. Im Jahre 1760 starb ihrer Mutter Schwester, die Herzogin von Gnastalla, und vermachte ihnen ihr ganzes bedeutendes Vermögen. Eleonore wurde da¬ durch mit einem Schlage aus einer mittellosen, fast armen Prinzessin zu einer der reichsten Erbinnen. Die nächste Folge dieses Glückswechsels bestand darin, daß die beiden jungen Mädchen noch im Sommer desselben Jahres an den Wiener Hof kamen, mit dem, wie die meisten süddeutschen Adelsfamilien, auch die Öttingen seit Alters intime Beziehungen unterhielten. Es dauerte auch nicht lange, so hatten die Schwestern Freier ans den höchsten Kreisen der öster¬ reichischen Gesellschaft gefunden. Leopoldine Verlobte sich mit dem jungen Grafen Ernst Kaunitz, dem Sohne des Staatskanzlers; zwei Monate später Eleonore mit dem Fürsten Karl Liechtenstein, der sich bereits im siebenjährigen Kriege aufs vorteilhafteste ausgezeichnet hatte und in der Stufenleiter militärischer Ehren bis zum Generalmajor emporgestiegen war. Die ersten Jahre ihrer glücklichen Ehe verlebte Eleonore meist auf ihren Gütern in Mührer und ans denen ihres Mannes in Niederösterreich. Die Wintermonate wurden in Wien zugebracht. Die erste Gelegenheit, nach außen hin bedeutsamer hervor¬ zutreten, fand sich für die junge Frau, als sie im Jahre 1764 mit ihrem Gemahl der Krönung Josephs des Zweiten in Frankfurt als Ehrendame assistiren mußte. Auf dem Wege dahin wurde in München, wo die Mißwirtschaft des bairischen Hofes Eleonore scharfe und treffende Worte entlockte, und in Öttingen Halt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/516>, abgerufen am 01.09.2024.