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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Nordamerikanische Lisenbahnznstände.

Nicht minder gefährlich sind die Verschmelzungen stärkerer und schwächerer
Bahugesclljchaften. Wenn schon einzelne Privatpersonen eine so mächtige Stellung
erringen können, um wie viel mehr müssen die Befürchtungen sich steigern im
Hinblick auf die Möglichkeit einer Verbindung der einzelnen Aktiengesellschaften
unter einander. Es entstehen dann leicht Staaten im Staate, wie man gesagt
hat, und gewiß ist ein Teil der vorhandnen Unzuträglichkeiten im englischen
Eisenbahnwesen gerade auf den Umstand zurückzuführen, daß es vier große
Kompagnien sind, welche die Fäden des Verkehrs in den Händen halten. In
Frankreich sind es sechs große Gesellschaften, von denen alles abhängt, und
wenn, wie erwähnt, in deu Vereinigten Staaten allerdings die Zahl der Aktien¬
gesellschaften, welche Eisenbahnen gebaut haben und noch bewirtschaften, eine
ansehnliche ist, so gehören gleichwohl Fusionen dort nicht zu deu Seltenheiten,
und man weiß durch Verbände und Verträge sich manche Vorteile zu sichern,
die nicht immer für das Publikum zu solchen werden. So ist die mächtige
Uevv ^ort Ocmtral alni Huäscm ü.ivvr Riulroiut, eine der wichtigsten Bahnen für
den Verkehr von Newyork nach den großen Seen hin, durch Vereinigung einer
ganzen Anzahl kleiner Bahnen entstanden, und das mächtige System der Ver¬
einigten Bahnen von Pennsylvanien hat den gleichen Ursprung. Eine andre,
weniger auffällige, vielleicht aber deshalb umso bedauerlichere Form der Ver¬
einigung ist der Erwerb eines sogenannten oontrolling' wol'We, bei einer
andern Gesellschaft. Darunter versteht man "den Erwerb soviel stimmberechtigter
Aktien eines andern Unternehmens, daß der erwerbende Unternehmer über die
Mehrheit der Stimmen in der Generalversammlung des "kontrvlirten" Unter¬
nehmens verfügt, somit die Verwaltung desselben nach seinem Belieben leiten
und dabei eine Personalunion in der Leitung der verschiednen Unternehmungen
herbeiführen kann." Auch Pachtungen einer Bahn dnrch die andre kommen
vor, die sogenannten loaMs; nicht selten auf die Dauer von 99 Jahren, was
selbstverständlich alsdann nur eine verschleierte Eigentumsübertragung ist.

Weniger gefährlich sollen die Eisenbahnkartelle sein, die unter dem Namen
1>n0l,8 bekannt sind. Dieselben beabsichtigen die Transporte einer bestimmten
Gegend nnter alle die Bahnlinien, die für dieselbe in Betracht kommen können,
gleichmäßig oder in einem gewissen bestimmten Verhältnisse zu verteilen. Im
Publikum herrscht ein Vorurteil gegen die pool", die Ansicht, daß diese es mit
den Beuntzeru der Bahnen nicht gut meinen. Jedoch wird von sehr verständiger
amerikanischer Seite behauptet, daß die Organisation der pools so wenig ehren¬
rührig sei, wie die deutschen oder europäischen Eisenbahnvcrbände und Verträge,
die für den internationalen Verkehr von größtem Nutzen und unentbehrlich sind.
Die Schilderung, die v. d. Leben in den: Aufsatze "Eiscnbahnkriege und Eisen¬
bahnvcrbände" von der Thätigkeit des unter dem Präsidium eines Deutschen,
Colonel Albert Füll aus Darmstadt, bestehenden .tout I6x<Zf!v.tlo<z OomnuUvc!
entwirft, ist denn auch dazu angethan, diese letztere Vorstellung zu unterstützen.


Nordamerikanische Lisenbahnznstände.

Nicht minder gefährlich sind die Verschmelzungen stärkerer und schwächerer
Bahugesclljchaften. Wenn schon einzelne Privatpersonen eine so mächtige Stellung
erringen können, um wie viel mehr müssen die Befürchtungen sich steigern im
Hinblick auf die Möglichkeit einer Verbindung der einzelnen Aktiengesellschaften
unter einander. Es entstehen dann leicht Staaten im Staate, wie man gesagt
hat, und gewiß ist ein Teil der vorhandnen Unzuträglichkeiten im englischen
Eisenbahnwesen gerade auf den Umstand zurückzuführen, daß es vier große
Kompagnien sind, welche die Fäden des Verkehrs in den Händen halten. In
Frankreich sind es sechs große Gesellschaften, von denen alles abhängt, und
wenn, wie erwähnt, in deu Vereinigten Staaten allerdings die Zahl der Aktien¬
gesellschaften, welche Eisenbahnen gebaut haben und noch bewirtschaften, eine
ansehnliche ist, so gehören gleichwohl Fusionen dort nicht zu deu Seltenheiten,
und man weiß durch Verbände und Verträge sich manche Vorteile zu sichern,
die nicht immer für das Publikum zu solchen werden. So ist die mächtige
Uevv ^ort Ocmtral alni Huäscm ü.ivvr Riulroiut, eine der wichtigsten Bahnen für
den Verkehr von Newyork nach den großen Seen hin, durch Vereinigung einer
ganzen Anzahl kleiner Bahnen entstanden, und das mächtige System der Ver¬
einigten Bahnen von Pennsylvanien hat den gleichen Ursprung. Eine andre,
weniger auffällige, vielleicht aber deshalb umso bedauerlichere Form der Ver¬
einigung ist der Erwerb eines sogenannten oontrolling' wol'We, bei einer
andern Gesellschaft. Darunter versteht man „den Erwerb soviel stimmberechtigter
Aktien eines andern Unternehmens, daß der erwerbende Unternehmer über die
Mehrheit der Stimmen in der Generalversammlung des «kontrvlirten» Unter¬
nehmens verfügt, somit die Verwaltung desselben nach seinem Belieben leiten
und dabei eine Personalunion in der Leitung der verschiednen Unternehmungen
herbeiführen kann." Auch Pachtungen einer Bahn dnrch die andre kommen
vor, die sogenannten loaMs; nicht selten auf die Dauer von 99 Jahren, was
selbstverständlich alsdann nur eine verschleierte Eigentumsübertragung ist.

Weniger gefährlich sollen die Eisenbahnkartelle sein, die unter dem Namen
1>n0l,8 bekannt sind. Dieselben beabsichtigen die Transporte einer bestimmten
Gegend nnter alle die Bahnlinien, die für dieselbe in Betracht kommen können,
gleichmäßig oder in einem gewissen bestimmten Verhältnisse zu verteilen. Im
Publikum herrscht ein Vorurteil gegen die pool«, die Ansicht, daß diese es mit
den Beuntzeru der Bahnen nicht gut meinen. Jedoch wird von sehr verständiger
amerikanischer Seite behauptet, daß die Organisation der pools so wenig ehren¬
rührig sei, wie die deutschen oder europäischen Eisenbahnvcrbände und Verträge,
die für den internationalen Verkehr von größtem Nutzen und unentbehrlich sind.
Die Schilderung, die v. d. Leben in den: Aufsatze „Eiscnbahnkriege und Eisen¬
bahnvcrbände" von der Thätigkeit des unter dem Präsidium eines Deutschen,
Colonel Albert Füll aus Darmstadt, bestehenden .tout I6x<Zf!v.tlo<z OomnuUvc!
entwirft, ist denn auch dazu angethan, diese letztere Vorstellung zu unterstützen.


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[0504] Nordamerikanische Lisenbahnznstände. Nicht minder gefährlich sind die Verschmelzungen stärkerer und schwächerer Bahugesclljchaften. Wenn schon einzelne Privatpersonen eine so mächtige Stellung erringen können, um wie viel mehr müssen die Befürchtungen sich steigern im Hinblick auf die Möglichkeit einer Verbindung der einzelnen Aktiengesellschaften unter einander. Es entstehen dann leicht Staaten im Staate, wie man gesagt hat, und gewiß ist ein Teil der vorhandnen Unzuträglichkeiten im englischen Eisenbahnwesen gerade auf den Umstand zurückzuführen, daß es vier große Kompagnien sind, welche die Fäden des Verkehrs in den Händen halten. In Frankreich sind es sechs große Gesellschaften, von denen alles abhängt, und wenn, wie erwähnt, in deu Vereinigten Staaten allerdings die Zahl der Aktien¬ gesellschaften, welche Eisenbahnen gebaut haben und noch bewirtschaften, eine ansehnliche ist, so gehören gleichwohl Fusionen dort nicht zu deu Seltenheiten, und man weiß durch Verbände und Verträge sich manche Vorteile zu sichern, die nicht immer für das Publikum zu solchen werden. So ist die mächtige Uevv ^ort Ocmtral alni Huäscm ü.ivvr Riulroiut, eine der wichtigsten Bahnen für den Verkehr von Newyork nach den großen Seen hin, durch Vereinigung einer ganzen Anzahl kleiner Bahnen entstanden, und das mächtige System der Ver¬ einigten Bahnen von Pennsylvanien hat den gleichen Ursprung. Eine andre, weniger auffällige, vielleicht aber deshalb umso bedauerlichere Form der Ver¬ einigung ist der Erwerb eines sogenannten oontrolling' wol'We, bei einer andern Gesellschaft. Darunter versteht man „den Erwerb soviel stimmberechtigter Aktien eines andern Unternehmens, daß der erwerbende Unternehmer über die Mehrheit der Stimmen in der Generalversammlung des «kontrvlirten» Unter¬ nehmens verfügt, somit die Verwaltung desselben nach seinem Belieben leiten und dabei eine Personalunion in der Leitung der verschiednen Unternehmungen herbeiführen kann." Auch Pachtungen einer Bahn dnrch die andre kommen vor, die sogenannten loaMs; nicht selten auf die Dauer von 99 Jahren, was selbstverständlich alsdann nur eine verschleierte Eigentumsübertragung ist. Weniger gefährlich sollen die Eisenbahnkartelle sein, die unter dem Namen 1>n0l,8 bekannt sind. Dieselben beabsichtigen die Transporte einer bestimmten Gegend nnter alle die Bahnlinien, die für dieselbe in Betracht kommen können, gleichmäßig oder in einem gewissen bestimmten Verhältnisse zu verteilen. Im Publikum herrscht ein Vorurteil gegen die pool«, die Ansicht, daß diese es mit den Beuntzeru der Bahnen nicht gut meinen. Jedoch wird von sehr verständiger amerikanischer Seite behauptet, daß die Organisation der pools so wenig ehren¬ rührig sei, wie die deutschen oder europäischen Eisenbahnvcrbände und Verträge, die für den internationalen Verkehr von größtem Nutzen und unentbehrlich sind. Die Schilderung, die v. d. Leben in den: Aufsatze „Eiscnbahnkriege und Eisen¬ bahnvcrbände" von der Thätigkeit des unter dem Präsidium eines Deutschen, Colonel Albert Füll aus Darmstadt, bestehenden .tout I6x<Zf!v.tlo<z OomnuUvc! entwirft, ist denn auch dazu angethan, diese letztere Vorstellung zu unterstützen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/504>, abgerufen am 25.11.2024.