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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

kaum die Gegenstände unterscheiden ließ, bis meine Augen und Nase sich endlich
an die mancherlei Dämpfe und widrigen Ausflüsse einigermaßen gewöhnt hatten.
Wer Liebhaber von wohlgeübten und schöngewachsener Soldaten ist, wird für
alle die widrigen Ausflüsse hinlänglich entschädigt. So wie das Regiment auf-
marschirt und seine Fronten durch das ganze Haus ausdehnt, erblickt man von
einem Flügel zum andern eine sehr gerade Linie, in welcher man sogar von
der Spitze des Fußes bis an die Spitze des aufgesetzten Bajonnets kaum eine
vorwärts oder rückwärts gehende Krümmung wahrnimmt; durch alle Glieder
erscheint diese pünktliche Richtung, und sie wird weder durch die häufigen Hand¬
griffe noch durch die vielseitigen Körperbewegungen verschoben. Die Schwen¬
kungen und Manöver geschehen mit einer außerordentlichen Schnelligkeit und
Pünktlichkeit, man glaubt eine Maschine zu sehen, die durch Ruder- und Trieb¬
werk bewegt und regiert wird. Mau soll sogar öfters das ganze Regiment
im Fechten exerziere und in den verschiednen Tempos keinen einzigen Fehler
bemerkt haben. Auf den 25. August, als dem Namensfest des Landgrafen,
ist jährlich Hauptrevue, und dann wimmelt es in Pirmasens von auswärtigen
Offizieren und andern Fremden, die teils aus Frankreich, Zweibrücken, der
Unterpfalz, Hessen und andern Ländern hierherreisen. Den Landgrafen habe ich
auch in aller Thätigkeit dabei gesehen; mit spähenden Blicke befand er sich
bald auf dem rechten, bald auf dem linken Flügel, bald vor dem Zentrum,
bald in den hintern Gliedern; alles war geschäftig an ihm, und er scheint mit
Leib und Seele Soldat zu sein. Doch läßt er hierbei keine fremden Zuschauer
aus den Augen; es wurde sogleich bei Anfang der Parade ein Offizier an mich
geschickt, der sich nach meinem Namen erkundigen sollte, und nach einiger Zeit
hatte ich die Ehre, den Herrn Landgrafen selbst zu sprechen, wobei er sich in den
höflichsten und gefälligsten Ausdrücken mit mir unterhielt. Ju seinem Hause und
in seinen Appartements erblickt man wenig Pracht, man glaubt bei einem kcunpi-
renden General zu sein, überall leuchtet die Lieblingsneigung des Fürsten hervor."

Nur selten, und dann immer nur auf kurze Zeit, kam die Prinzessin nach
diesem Klein-Potsdam. Sie bewohnte dann einen ihr zuliebe inmitten eines
Gartens erbauten Pavillon. In einem an die Prinzessin Amalie von Preußen
gerichteten Briefe schildert sie deu Eindruck, den der jeweilige Aufenhcüt in
Pirmasens mit seinen Exerzitien und deu Trommelprvduktiouen des Gemahls,
der Meister auf diesem Instrument war, auf ihre feingestimmte Seele machte:
"Das Leben hier ist weniger noch als ein Vegetiren, und wenn eines Tages
eine Seelenwanderung stattfindet, weiß ich nicht, ob ich nicht vorziehen würde,
eine Auster zu sein, wenn man mir die Wahl ließe, ein solches trauriges Tier
zu sein oder hier zu wohnen."

Wir gehen über die nächste Zeit hinweg und bemerken nur, daß der Pir-
mascuser Aufenthalt zweimal dnrch eine zeitweilige Übersiedlung der beiden
Gatten nach Prenzlau eine Unterbrechung erlitt. Der Erbprinz hegte die


Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

kaum die Gegenstände unterscheiden ließ, bis meine Augen und Nase sich endlich
an die mancherlei Dämpfe und widrigen Ausflüsse einigermaßen gewöhnt hatten.
Wer Liebhaber von wohlgeübten und schöngewachsener Soldaten ist, wird für
alle die widrigen Ausflüsse hinlänglich entschädigt. So wie das Regiment auf-
marschirt und seine Fronten durch das ganze Haus ausdehnt, erblickt man von
einem Flügel zum andern eine sehr gerade Linie, in welcher man sogar von
der Spitze des Fußes bis an die Spitze des aufgesetzten Bajonnets kaum eine
vorwärts oder rückwärts gehende Krümmung wahrnimmt; durch alle Glieder
erscheint diese pünktliche Richtung, und sie wird weder durch die häufigen Hand¬
griffe noch durch die vielseitigen Körperbewegungen verschoben. Die Schwen¬
kungen und Manöver geschehen mit einer außerordentlichen Schnelligkeit und
Pünktlichkeit, man glaubt eine Maschine zu sehen, die durch Ruder- und Trieb¬
werk bewegt und regiert wird. Mau soll sogar öfters das ganze Regiment
im Fechten exerziere und in den verschiednen Tempos keinen einzigen Fehler
bemerkt haben. Auf den 25. August, als dem Namensfest des Landgrafen,
ist jährlich Hauptrevue, und dann wimmelt es in Pirmasens von auswärtigen
Offizieren und andern Fremden, die teils aus Frankreich, Zweibrücken, der
Unterpfalz, Hessen und andern Ländern hierherreisen. Den Landgrafen habe ich
auch in aller Thätigkeit dabei gesehen; mit spähenden Blicke befand er sich
bald auf dem rechten, bald auf dem linken Flügel, bald vor dem Zentrum,
bald in den hintern Gliedern; alles war geschäftig an ihm, und er scheint mit
Leib und Seele Soldat zu sein. Doch läßt er hierbei keine fremden Zuschauer
aus den Augen; es wurde sogleich bei Anfang der Parade ein Offizier an mich
geschickt, der sich nach meinem Namen erkundigen sollte, und nach einiger Zeit
hatte ich die Ehre, den Herrn Landgrafen selbst zu sprechen, wobei er sich in den
höflichsten und gefälligsten Ausdrücken mit mir unterhielt. Ju seinem Hause und
in seinen Appartements erblickt man wenig Pracht, man glaubt bei einem kcunpi-
renden General zu sein, überall leuchtet die Lieblingsneigung des Fürsten hervor."

Nur selten, und dann immer nur auf kurze Zeit, kam die Prinzessin nach
diesem Klein-Potsdam. Sie bewohnte dann einen ihr zuliebe inmitten eines
Gartens erbauten Pavillon. In einem an die Prinzessin Amalie von Preußen
gerichteten Briefe schildert sie deu Eindruck, den der jeweilige Aufenhcüt in
Pirmasens mit seinen Exerzitien und deu Trommelprvduktiouen des Gemahls,
der Meister auf diesem Instrument war, auf ihre feingestimmte Seele machte:
„Das Leben hier ist weniger noch als ein Vegetiren, und wenn eines Tages
eine Seelenwanderung stattfindet, weiß ich nicht, ob ich nicht vorziehen würde,
eine Auster zu sein, wenn man mir die Wahl ließe, ein solches trauriges Tier
zu sein oder hier zu wohnen."

Wir gehen über die nächste Zeit hinweg und bemerken nur, daß der Pir-
mascuser Aufenthalt zweimal dnrch eine zeitweilige Übersiedlung der beiden
Gatten nach Prenzlau eine Unterbrechung erlitt. Der Erbprinz hegte die


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[0460] Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. kaum die Gegenstände unterscheiden ließ, bis meine Augen und Nase sich endlich an die mancherlei Dämpfe und widrigen Ausflüsse einigermaßen gewöhnt hatten. Wer Liebhaber von wohlgeübten und schöngewachsener Soldaten ist, wird für alle die widrigen Ausflüsse hinlänglich entschädigt. So wie das Regiment auf- marschirt und seine Fronten durch das ganze Haus ausdehnt, erblickt man von einem Flügel zum andern eine sehr gerade Linie, in welcher man sogar von der Spitze des Fußes bis an die Spitze des aufgesetzten Bajonnets kaum eine vorwärts oder rückwärts gehende Krümmung wahrnimmt; durch alle Glieder erscheint diese pünktliche Richtung, und sie wird weder durch die häufigen Hand¬ griffe noch durch die vielseitigen Körperbewegungen verschoben. Die Schwen¬ kungen und Manöver geschehen mit einer außerordentlichen Schnelligkeit und Pünktlichkeit, man glaubt eine Maschine zu sehen, die durch Ruder- und Trieb¬ werk bewegt und regiert wird. Mau soll sogar öfters das ganze Regiment im Fechten exerziere und in den verschiednen Tempos keinen einzigen Fehler bemerkt haben. Auf den 25. August, als dem Namensfest des Landgrafen, ist jährlich Hauptrevue, und dann wimmelt es in Pirmasens von auswärtigen Offizieren und andern Fremden, die teils aus Frankreich, Zweibrücken, der Unterpfalz, Hessen und andern Ländern hierherreisen. Den Landgrafen habe ich auch in aller Thätigkeit dabei gesehen; mit spähenden Blicke befand er sich bald auf dem rechten, bald auf dem linken Flügel, bald vor dem Zentrum, bald in den hintern Gliedern; alles war geschäftig an ihm, und er scheint mit Leib und Seele Soldat zu sein. Doch läßt er hierbei keine fremden Zuschauer aus den Augen; es wurde sogleich bei Anfang der Parade ein Offizier an mich geschickt, der sich nach meinem Namen erkundigen sollte, und nach einiger Zeit hatte ich die Ehre, den Herrn Landgrafen selbst zu sprechen, wobei er sich in den höflichsten und gefälligsten Ausdrücken mit mir unterhielt. Ju seinem Hause und in seinen Appartements erblickt man wenig Pracht, man glaubt bei einem kcunpi- renden General zu sein, überall leuchtet die Lieblingsneigung des Fürsten hervor." Nur selten, und dann immer nur auf kurze Zeit, kam die Prinzessin nach diesem Klein-Potsdam. Sie bewohnte dann einen ihr zuliebe inmitten eines Gartens erbauten Pavillon. In einem an die Prinzessin Amalie von Preußen gerichteten Briefe schildert sie deu Eindruck, den der jeweilige Aufenhcüt in Pirmasens mit seinen Exerzitien und deu Trommelprvduktiouen des Gemahls, der Meister auf diesem Instrument war, auf ihre feingestimmte Seele machte: „Das Leben hier ist weniger noch als ein Vegetiren, und wenn eines Tages eine Seelenwanderung stattfindet, weiß ich nicht, ob ich nicht vorziehen würde, eine Auster zu sein, wenn man mir die Wahl ließe, ein solches trauriges Tier zu sein oder hier zu wohnen." Wir gehen über die nächste Zeit hinweg und bemerken nur, daß der Pir- mascuser Aufenthalt zweimal dnrch eine zeitweilige Übersiedlung der beiden Gatten nach Prenzlau eine Unterbrechung erlitt. Der Erbprinz hegte die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/460>, abgerufen am 28.07.2024.