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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

lauteste Bewunderung für Friedrich den Zweiten -- eine Bewunderung, die
nur noch von der enthusiastischen Verehrung übertroffen wurde, von welcher
die Prinzessin von dem großen Könige erfüllt war. Er trat daher schon im
Jahre 1744 in preußische Kriegsdienste und machte dann den Feldzug von
1744 und 1745 mit, leistete aber nach beendigtem Kriege dem Wunsche seines
österreichisch gesinnten Vaters Folge und kehrte nach Pirmasens zurück. Im
Jahre 1750 siedelte er zum zweitenmale mit seiner Familie nach Prenzlau über
und blieb dort bis zum Jahre 1757. Zum erstenmale während ihres Ehestandes
war es der Prinzessin vergönnt gewesen, mit geistig bedeutenden Menschen in
Verkehr zu treten. Prenzlau selbst bot zwar wenig mehr als Buxweiler oder
Pirmasens. Dafür gewährte aber der Umgang mit dem preußischen Hofe,
namentlich mit der geistreichen Schwester Friedrichs des Zweiten, eine Fülle von
Anregungen. Mit schwerem Herzen verließ daher Karoline das Land, in dem
sie mit prophetischem Blick den künftigen Hort Deutschlands erkennen zu dürfe"
glaubte. Wie schwer mußte es ihrem ehrlichen Charakter werden, ihren Ge¬
fühlen für den großen König daheim keinen lauten Ausdruck geben zu dürfen;
es verbot ihr dies die Rücksicht auf ihren zärtlich geliebten Schwiegervater,
der ein leidenschaftlicher Anhänger der Kaiserin Maria Theresia war.

Das hohe Alter, in welchem der regierende Landgraf stand und welches
seinen baldigen Tod befürchten lassen mußte, veranlaßte die Prinzessin im
Jahre 1765, mit ihren Kindern -- es waren unterdes vier Töchter und ein
Sohn geboren worden -- nach Darmstadt überzusiedeln. Der Gemahl zog
auch jetzt den Aufenthalt unter seinen Pirmasenser Grenadieren vor und war
höchstens zu seltenen und kurzen Besuchen zu bewegen. Welche Schwierigkeiten
der Prinzessin aus einem solchen absichtlichen Fernbleiben erwuchsen, leuchtet
ein, wenn man erwägt, daß zur damaligen Zeit die Regierung eines Landes
im eigensten Sinne des Wortes eine rein persönliche Sache des Fürsten war.
Bei keinem andern Regenten aber trat diese Auffassung der Staatsidee in so
schroffer Weise zutage als bei dem Landgrafen Ludwig dein Neunten von Hesfen-
Darmftadt, dem Gemahl Karolinens. Gehorchen ohne Widerrede gegen die
Befehle des gebietenden Herrn galt ihm als die erste Pflicht. Diesen Gehorsam
verlangte er aber auch im vollsten Maße von seiner Gemahlin, seiner ersten
Unterthanin, und es ist begreiflich, daß aus solcher Anschauung der edeln fürst¬
lichen Fran eine Menge von Bekümmernissen erwuchs, wenn ihre kluge Nach¬
giebigkeit, die sie aber stets mit möglichstem Festhalten am Recht und mit der
Wahrung ihrer fürstlichen Ehre zu vereinigen suchte, nicht alles zu vermeiden
vermochte, was ihr feineres Gefühl verletzen mußte. Und es ist nicht das ge¬
ringste Zeugnis ihrer Geistes- und Seelenstärke, daß trotz aller Verschiedenheit
der beiderseitigen Charaktere der eheliche Friede ungestört blieb.

Daneben sollen aber auch die guten Eigenschaften des Fürsten nicht außer
Acht gelassen werden. Es ist dies umso notwendiger, als das geschichtliche


Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

lauteste Bewunderung für Friedrich den Zweiten — eine Bewunderung, die
nur noch von der enthusiastischen Verehrung übertroffen wurde, von welcher
die Prinzessin von dem großen Könige erfüllt war. Er trat daher schon im
Jahre 1744 in preußische Kriegsdienste und machte dann den Feldzug von
1744 und 1745 mit, leistete aber nach beendigtem Kriege dem Wunsche seines
österreichisch gesinnten Vaters Folge und kehrte nach Pirmasens zurück. Im
Jahre 1750 siedelte er zum zweitenmale mit seiner Familie nach Prenzlau über
und blieb dort bis zum Jahre 1757. Zum erstenmale während ihres Ehestandes
war es der Prinzessin vergönnt gewesen, mit geistig bedeutenden Menschen in
Verkehr zu treten. Prenzlau selbst bot zwar wenig mehr als Buxweiler oder
Pirmasens. Dafür gewährte aber der Umgang mit dem preußischen Hofe,
namentlich mit der geistreichen Schwester Friedrichs des Zweiten, eine Fülle von
Anregungen. Mit schwerem Herzen verließ daher Karoline das Land, in dem
sie mit prophetischem Blick den künftigen Hort Deutschlands erkennen zu dürfe»
glaubte. Wie schwer mußte es ihrem ehrlichen Charakter werden, ihren Ge¬
fühlen für den großen König daheim keinen lauten Ausdruck geben zu dürfen;
es verbot ihr dies die Rücksicht auf ihren zärtlich geliebten Schwiegervater,
der ein leidenschaftlicher Anhänger der Kaiserin Maria Theresia war.

Das hohe Alter, in welchem der regierende Landgraf stand und welches
seinen baldigen Tod befürchten lassen mußte, veranlaßte die Prinzessin im
Jahre 1765, mit ihren Kindern — es waren unterdes vier Töchter und ein
Sohn geboren worden — nach Darmstadt überzusiedeln. Der Gemahl zog
auch jetzt den Aufenthalt unter seinen Pirmasenser Grenadieren vor und war
höchstens zu seltenen und kurzen Besuchen zu bewegen. Welche Schwierigkeiten
der Prinzessin aus einem solchen absichtlichen Fernbleiben erwuchsen, leuchtet
ein, wenn man erwägt, daß zur damaligen Zeit die Regierung eines Landes
im eigensten Sinne des Wortes eine rein persönliche Sache des Fürsten war.
Bei keinem andern Regenten aber trat diese Auffassung der Staatsidee in so
schroffer Weise zutage als bei dem Landgrafen Ludwig dein Neunten von Hesfen-
Darmftadt, dem Gemahl Karolinens. Gehorchen ohne Widerrede gegen die
Befehle des gebietenden Herrn galt ihm als die erste Pflicht. Diesen Gehorsam
verlangte er aber auch im vollsten Maße von seiner Gemahlin, seiner ersten
Unterthanin, und es ist begreiflich, daß aus solcher Anschauung der edeln fürst¬
lichen Fran eine Menge von Bekümmernissen erwuchs, wenn ihre kluge Nach¬
giebigkeit, die sie aber stets mit möglichstem Festhalten am Recht und mit der
Wahrung ihrer fürstlichen Ehre zu vereinigen suchte, nicht alles zu vermeiden
vermochte, was ihr feineres Gefühl verletzen mußte. Und es ist nicht das ge¬
ringste Zeugnis ihrer Geistes- und Seelenstärke, daß trotz aller Verschiedenheit
der beiderseitigen Charaktere der eheliche Friede ungestört blieb.

Daneben sollen aber auch die guten Eigenschaften des Fürsten nicht außer
Acht gelassen werden. Es ist dies umso notwendiger, als das geschichtliche


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[0461] Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. lauteste Bewunderung für Friedrich den Zweiten — eine Bewunderung, die nur noch von der enthusiastischen Verehrung übertroffen wurde, von welcher die Prinzessin von dem großen Könige erfüllt war. Er trat daher schon im Jahre 1744 in preußische Kriegsdienste und machte dann den Feldzug von 1744 und 1745 mit, leistete aber nach beendigtem Kriege dem Wunsche seines österreichisch gesinnten Vaters Folge und kehrte nach Pirmasens zurück. Im Jahre 1750 siedelte er zum zweitenmale mit seiner Familie nach Prenzlau über und blieb dort bis zum Jahre 1757. Zum erstenmale während ihres Ehestandes war es der Prinzessin vergönnt gewesen, mit geistig bedeutenden Menschen in Verkehr zu treten. Prenzlau selbst bot zwar wenig mehr als Buxweiler oder Pirmasens. Dafür gewährte aber der Umgang mit dem preußischen Hofe, namentlich mit der geistreichen Schwester Friedrichs des Zweiten, eine Fülle von Anregungen. Mit schwerem Herzen verließ daher Karoline das Land, in dem sie mit prophetischem Blick den künftigen Hort Deutschlands erkennen zu dürfe» glaubte. Wie schwer mußte es ihrem ehrlichen Charakter werden, ihren Ge¬ fühlen für den großen König daheim keinen lauten Ausdruck geben zu dürfen; es verbot ihr dies die Rücksicht auf ihren zärtlich geliebten Schwiegervater, der ein leidenschaftlicher Anhänger der Kaiserin Maria Theresia war. Das hohe Alter, in welchem der regierende Landgraf stand und welches seinen baldigen Tod befürchten lassen mußte, veranlaßte die Prinzessin im Jahre 1765, mit ihren Kindern — es waren unterdes vier Töchter und ein Sohn geboren worden — nach Darmstadt überzusiedeln. Der Gemahl zog auch jetzt den Aufenthalt unter seinen Pirmasenser Grenadieren vor und war höchstens zu seltenen und kurzen Besuchen zu bewegen. Welche Schwierigkeiten der Prinzessin aus einem solchen absichtlichen Fernbleiben erwuchsen, leuchtet ein, wenn man erwägt, daß zur damaligen Zeit die Regierung eines Landes im eigensten Sinne des Wortes eine rein persönliche Sache des Fürsten war. Bei keinem andern Regenten aber trat diese Auffassung der Staatsidee in so schroffer Weise zutage als bei dem Landgrafen Ludwig dein Neunten von Hesfen- Darmftadt, dem Gemahl Karolinens. Gehorchen ohne Widerrede gegen die Befehle des gebietenden Herrn galt ihm als die erste Pflicht. Diesen Gehorsam verlangte er aber auch im vollsten Maße von seiner Gemahlin, seiner ersten Unterthanin, und es ist begreiflich, daß aus solcher Anschauung der edeln fürst¬ lichen Fran eine Menge von Bekümmernissen erwuchs, wenn ihre kluge Nach¬ giebigkeit, die sie aber stets mit möglichstem Festhalten am Recht und mit der Wahrung ihrer fürstlichen Ehre zu vereinigen suchte, nicht alles zu vermeiden vermochte, was ihr feineres Gefühl verletzen mußte. Und es ist nicht das ge¬ ringste Zeugnis ihrer Geistes- und Seelenstärke, daß trotz aller Verschiedenheit der beiderseitigen Charaktere der eheliche Friede ungestört blieb. Daneben sollen aber auch die guten Eigenschaften des Fürsten nicht außer Acht gelassen werden. Es ist dies umso notwendiger, als das geschichtliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/461>, abgerufen am 28.07.2024.