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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Nie war über Giuseppes Heimgang anders als durch den Pater Vigilio
zu dem Vater Floridas geredet worden. Der alte Pater hatte seine Zaghaftig¬
keit angesichts der wuchtigen Schicksalsschläge, von denen Hoch wie Niedrig in
Mantua heimgesucht worden war, überwunden, und wenn er in seinen Nede-
gefcchten mit Marcello von der Verteidigung seines Beichtkindes nach langem
Wortstreite auch keine andern Früchte geerntet hatte, als daß Marcello ihm
endlich schweigendes Hinnehmen des nun einmal nicht ungeschehen zu machenden
gelobte, so war die frühere vermeinte Überlegenheit Mareellvs über den so gern
alles friedlich ausgleichenden Pater doch ins Wanken gebracht, und Marcello
hatte seitdem nicht anders als durch sinmmes Grollen seiner verbitterten Stimmung
Ausdruck zu geben gewagt.

Aber schweigendes Hinnehmen ist für manche Naturen etwas auf die Länge
unerträgliches, nud der alte Feuerkopf Marcello gehörte zu diesen Naturen.

Nun hatte er schon gleich nach seiner Einkerkerung, einen Übeln Ausgnug
seines Prozesses voraussehend, sein Hans zu bestellen begonnen, und die damals
von ihm zu Papier gebrachten Verfügungen waren bisher, in jenem selben un¬
leserlicher Zustande gelassen, in einem der Folianten aufgehoben worden; mit
ihnen zugleich ein Verzeichnis des Familienschmuckes der Buonacvlsi.

Florida hatte uicht bemerkt, was die Papiere enthielte", als sie dieselben
eines Tages, um in der Lektüre fortfahren zu können, ans die Seite legte, denn
es handelte sich um eine für die Bnonacolsi-Dynastie wichtige Stelle der Chronik,
um den im Jahre 1ZV2 von Guido Buouacvlsi, benannt Bvttigella, begonnenen
Van des Palazzo Ducale, und Marcello begleitete jedes Wort des Chronisten
mit einem mürrischstolzcu LoÄ ö, so ist es.

Aber ans einmal machte er ihr mit düsterm Stirnrunzeln ein Zeichen, es
sei für heute genug.

Sein Blick war auf jenes Verzeichnis gefallen, das Verzeichnis des Fami¬
lienschmuckes, und indem er es in die Hand nahm, hefteten sich seine Blicke ans
eine Zeile, welche er nach der Rückkehr aus Verona dem Register hinzugefügt
hatte, eine Zeile, in welcher über die Herkunft und den Kaufpreis der dort ein¬
gehandelten Perle das nähere aufgezeichnet worden war.

Floridas Ange war seinem Blicke gefolgt, ihre Wangen röteten sich.

Auch vor ihrem Geiste stand plötzlich alles, was jener Perlenhandel, was
jene in Verona verlebten Stunden für sie bedeuteten.

Ihr ward beklommen zumute, sie preßte die Hand aufs Herz und erhob
sich, um das Zimmer zu verlassen.

Bleib! donnerte Marcello, und seine Stirnader schwoll, als wolle sie zer¬
springen. Um jener Perle willen, fuhr er mit bebender Stimme fort, wunde
ich mit gebrochnem Herzen dem Grabe zu; um jener Perle willen wurde das
Wappen der Bnonacvlsi in den Staub getreten; um jeuer Perle willen bin ich
ohne Kind, sehe ich ein Wesen an meiner Seite, das ans den Namen Gonzaga


Nie war über Giuseppes Heimgang anders als durch den Pater Vigilio
zu dem Vater Floridas geredet worden. Der alte Pater hatte seine Zaghaftig¬
keit angesichts der wuchtigen Schicksalsschläge, von denen Hoch wie Niedrig in
Mantua heimgesucht worden war, überwunden, und wenn er in seinen Nede-
gefcchten mit Marcello von der Verteidigung seines Beichtkindes nach langem
Wortstreite auch keine andern Früchte geerntet hatte, als daß Marcello ihm
endlich schweigendes Hinnehmen des nun einmal nicht ungeschehen zu machenden
gelobte, so war die frühere vermeinte Überlegenheit Mareellvs über den so gern
alles friedlich ausgleichenden Pater doch ins Wanken gebracht, und Marcello
hatte seitdem nicht anders als durch sinmmes Grollen seiner verbitterten Stimmung
Ausdruck zu geben gewagt.

Aber schweigendes Hinnehmen ist für manche Naturen etwas auf die Länge
unerträgliches, nud der alte Feuerkopf Marcello gehörte zu diesen Naturen.

Nun hatte er schon gleich nach seiner Einkerkerung, einen Übeln Ausgnug
seines Prozesses voraussehend, sein Hans zu bestellen begonnen, und die damals
von ihm zu Papier gebrachten Verfügungen waren bisher, in jenem selben un¬
leserlicher Zustande gelassen, in einem der Folianten aufgehoben worden; mit
ihnen zugleich ein Verzeichnis des Familienschmuckes der Buonacvlsi.

Florida hatte uicht bemerkt, was die Papiere enthielte», als sie dieselben
eines Tages, um in der Lektüre fortfahren zu können, ans die Seite legte, denn
es handelte sich um eine für die Bnonacolsi-Dynastie wichtige Stelle der Chronik,
um den im Jahre 1ZV2 von Guido Buouacvlsi, benannt Bvttigella, begonnenen
Van des Palazzo Ducale, und Marcello begleitete jedes Wort des Chronisten
mit einem mürrischstolzcu LoÄ ö, so ist es.

Aber ans einmal machte er ihr mit düsterm Stirnrunzeln ein Zeichen, es
sei für heute genug.

Sein Blick war auf jenes Verzeichnis gefallen, das Verzeichnis des Fami¬
lienschmuckes, und indem er es in die Hand nahm, hefteten sich seine Blicke ans
eine Zeile, welche er nach der Rückkehr aus Verona dem Register hinzugefügt
hatte, eine Zeile, in welcher über die Herkunft und den Kaufpreis der dort ein¬
gehandelten Perle das nähere aufgezeichnet worden war.

Floridas Ange war seinem Blicke gefolgt, ihre Wangen röteten sich.

Auch vor ihrem Geiste stand plötzlich alles, was jener Perlenhandel, was
jene in Verona verlebten Stunden für sie bedeuteten.

Ihr ward beklommen zumute, sie preßte die Hand aufs Herz und erhob
sich, um das Zimmer zu verlassen.

Bleib! donnerte Marcello, und seine Stirnader schwoll, als wolle sie zer¬
springen. Um jener Perle willen, fuhr er mit bebender Stimme fort, wunde
ich mit gebrochnem Herzen dem Grabe zu; um jener Perle willen wurde das
Wappen der Bnonacvlsi in den Staub getreten; um jeuer Perle willen bin ich
ohne Kind, sehe ich ein Wesen an meiner Seite, das ans den Namen Gonzaga


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[0390] Nie war über Giuseppes Heimgang anders als durch den Pater Vigilio zu dem Vater Floridas geredet worden. Der alte Pater hatte seine Zaghaftig¬ keit angesichts der wuchtigen Schicksalsschläge, von denen Hoch wie Niedrig in Mantua heimgesucht worden war, überwunden, und wenn er in seinen Nede- gefcchten mit Marcello von der Verteidigung seines Beichtkindes nach langem Wortstreite auch keine andern Früchte geerntet hatte, als daß Marcello ihm endlich schweigendes Hinnehmen des nun einmal nicht ungeschehen zu machenden gelobte, so war die frühere vermeinte Überlegenheit Mareellvs über den so gern alles friedlich ausgleichenden Pater doch ins Wanken gebracht, und Marcello hatte seitdem nicht anders als durch sinmmes Grollen seiner verbitterten Stimmung Ausdruck zu geben gewagt. Aber schweigendes Hinnehmen ist für manche Naturen etwas auf die Länge unerträgliches, nud der alte Feuerkopf Marcello gehörte zu diesen Naturen. Nun hatte er schon gleich nach seiner Einkerkerung, einen Übeln Ausgnug seines Prozesses voraussehend, sein Hans zu bestellen begonnen, und die damals von ihm zu Papier gebrachten Verfügungen waren bisher, in jenem selben un¬ leserlicher Zustande gelassen, in einem der Folianten aufgehoben worden; mit ihnen zugleich ein Verzeichnis des Familienschmuckes der Buonacvlsi. Florida hatte uicht bemerkt, was die Papiere enthielte», als sie dieselben eines Tages, um in der Lektüre fortfahren zu können, ans die Seite legte, denn es handelte sich um eine für die Bnonacolsi-Dynastie wichtige Stelle der Chronik, um den im Jahre 1ZV2 von Guido Buouacvlsi, benannt Bvttigella, begonnenen Van des Palazzo Ducale, und Marcello begleitete jedes Wort des Chronisten mit einem mürrischstolzcu LoÄ ö, so ist es. Aber ans einmal machte er ihr mit düsterm Stirnrunzeln ein Zeichen, es sei für heute genug. Sein Blick war auf jenes Verzeichnis gefallen, das Verzeichnis des Fami¬ lienschmuckes, und indem er es in die Hand nahm, hefteten sich seine Blicke ans eine Zeile, welche er nach der Rückkehr aus Verona dem Register hinzugefügt hatte, eine Zeile, in welcher über die Herkunft und den Kaufpreis der dort ein¬ gehandelten Perle das nähere aufgezeichnet worden war. Floridas Ange war seinem Blicke gefolgt, ihre Wangen röteten sich. Auch vor ihrem Geiste stand plötzlich alles, was jener Perlenhandel, was jene in Verona verlebten Stunden für sie bedeuteten. Ihr ward beklommen zumute, sie preßte die Hand aufs Herz und erhob sich, um das Zimmer zu verlassen. Bleib! donnerte Marcello, und seine Stirnader schwoll, als wolle sie zer¬ springen. Um jener Perle willen, fuhr er mit bebender Stimme fort, wunde ich mit gebrochnem Herzen dem Grabe zu; um jener Perle willen wurde das Wappen der Bnonacvlsi in den Staub getreten; um jeuer Perle willen bin ich ohne Kind, sehe ich ein Wesen an meiner Seite, das ans den Namen Gonzaga

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/390>, abgerufen am 26.11.2024.