Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Literatur. hört! Alter Chronist, rief er, indem er nach dein Folianten griff, alter Michele Um eine Perle! um eine Perle! Florida war weiß geworden wie die Wand. Ihr schwindelte, alles bewegte Der Greis sah es, wollte aufstehen, um ihr beizuspringen, unterdrückte aber Literatur. Der Kampf um den Besitz. Vo" Dr. F. L. Chleborad. Wie", Mailzscher Verlag. 188S. Der Verfasser hat sein Buch, von dem hier eine deutsche Ausgabe vorliegt, Der Inhalt des Buches berührt uns im allgemeinen sympathisch; denn es Literatur. hört! Alter Chronist, rief er, indem er nach dein Folianten griff, alter Michele Um eine Perle! um eine Perle! Florida war weiß geworden wie die Wand. Ihr schwindelte, alles bewegte Der Greis sah es, wollte aufstehen, um ihr beizuspringen, unterdrückte aber Literatur. Der Kampf um den Besitz. Vo» Dr. F. L. Chleborad. Wie», Mailzscher Verlag. 188S. Der Verfasser hat sein Buch, von dem hier eine deutsche Ausgabe vorliegt, Der Inhalt des Buches berührt uns im allgemeinen sympathisch; denn es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196491"/> <fw type="header" place="top"> Literatur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1597" prev="#ID_1596"> hört! Alter Chronist, rief er, indem er nach dein Folianten griff, alter Michele<lb/> Vvrdenvne, der dn nnr Ehrenvolles von meinem Geschlechte zu berichten wußtest,<lb/> steige aus deiner Gruft empor, trage nach, was diese Wochen an Schimpf und<lb/> Schande ans mein greises Haupt brachten, und dann schreibe ans Ende deines<lb/> Werkes die Worte:</p><lb/> <p xml:id="ID_1598"> Um eine Perle! um eine Perle!</p><lb/> <p xml:id="ID_1599"> Florida war weiß geworden wie die Wand. Ihr schwindelte, alles bewegte<lb/> sich vor ihr im Kreise, sie hielt sich nur aufrecht, indem sie die Lehne ihres<lb/> Stuhles umklammerte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1600"> Der Greis sah es, wollte aufstehen, um ihr beizuspringen, unterdrückte aber<lb/> diese Regung in demselben Augenblicke und legte den Folianten aus der Hand, als<lb/> sei min ausgesprochen und abgethan, was sich einmal hatte Luft machen müssen,<lb/> was nicht um jenes Versprechens des schweigenden Hiuuehmeus willen unter¬<lb/> drückt Werden konnte. (Fortsetzung folgt.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Literatur.</head><lb/> <p xml:id="ID_1601"> Der Kampf um den Besitz. Vo» Dr. F. L. Chleborad. Wie», Mailzscher Verlag. 188S.</p><lb/> <p xml:id="ID_1602"> Der Verfasser hat sein Buch, von dem hier eine deutsche Ausgabe vorliegt,<lb/> bereits im Jahre 1884 in der Sprache seiner Landsleute erscheinen lassen; ob dies<lb/> mährisch oder tschechisch ist, vermag Referent nicht zu beurteilen, da er keiner dieser<lb/> beiden Weltsprachen mächtig ist. Der Vcrlcigsvrt der Abhandlung war Brunn,<lb/> der Verfasser scheint aber auch viel in Böhmen gelebt zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1603" next="#ID_1604"> Der Inhalt des Buches berührt uns im allgemeinen sympathisch; denn es<lb/> beruht darauf, daß die soziale Frage uur durch das soziale Königtum gelöst werden<lb/> könne. Der Kampf um den Besitz ist etwas dem Menschen angeborenes, der<lb/> Mensch wird zu demselben durch die Natur und dnrch seine Mitmenschen genötigt,<lb/> aber die bisherige Entwicklung dieses Kampfes hat zu der ungleichen Verteilung<lb/> des Besitzes, zu den wenigen Besitzenden und zu der Menge Besitzloser führen<lb/> müssen. Der Verfasser rät den Besitzlosen, sich mit der Monarchie zu verbinden<lb/> und infolge dieser Allianz die erlangte Macht zu einer Umgestaltung der sozialen<lb/> Zustände zu benutzen. Diese Umformung findet der Verfasser teils in der Defen¬<lb/> sive der Besitzlosen, teils in der Offensive. Die erstere ruht mehr noch auf Poli¬<lb/> tischen als auf sozialem Gebiete, denn zu ihr wird gerechnet: Förderung des Asso-<lb/> ziativnswesens, freies Versammlungs-, Vereins- und Petitionsrecht, kein Vermögens-<lb/> wahlzcusus, obligatorischer Unterricht, Reform der Steuergesetzgebung mit progressiver<lb/> Einkommensteuer unter Freilassung gewisser Existenzminima, Beschränkung der bente-<lb/> süchtigen Konkurrenz, Schutzzölle u. dergl. in. Für die Offensive, d. h. für die<lb/> Erkämpfung neuer ökonomischer Verfassungsformen, faßt der Verfasser alle Vor¬<lb/> schläge zusammen, die sonst von einzelnen als Lösung der sozialen Frage in An¬<lb/> regung gebracht worden sind. Dieser Gedanke ist unzweifelhaft richtig, denn die<lb/> soziale Frage umfaßt das gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben und muß<lb/> sich deshalb ans alle Beziehungen der Menschen in dieser Richtung erstrecken. Be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0391]
Literatur.
hört! Alter Chronist, rief er, indem er nach dein Folianten griff, alter Michele
Vvrdenvne, der dn nnr Ehrenvolles von meinem Geschlechte zu berichten wußtest,
steige aus deiner Gruft empor, trage nach, was diese Wochen an Schimpf und
Schande ans mein greises Haupt brachten, und dann schreibe ans Ende deines
Werkes die Worte:
Um eine Perle! um eine Perle!
Florida war weiß geworden wie die Wand. Ihr schwindelte, alles bewegte
sich vor ihr im Kreise, sie hielt sich nur aufrecht, indem sie die Lehne ihres
Stuhles umklammerte.
Der Greis sah es, wollte aufstehen, um ihr beizuspringen, unterdrückte aber
diese Regung in demselben Augenblicke und legte den Folianten aus der Hand, als
sei min ausgesprochen und abgethan, was sich einmal hatte Luft machen müssen,
was nicht um jenes Versprechens des schweigenden Hiuuehmeus willen unter¬
drückt Werden konnte. (Fortsetzung folgt.)
Literatur.
Der Kampf um den Besitz. Vo» Dr. F. L. Chleborad. Wie», Mailzscher Verlag. 188S.
Der Verfasser hat sein Buch, von dem hier eine deutsche Ausgabe vorliegt,
bereits im Jahre 1884 in der Sprache seiner Landsleute erscheinen lassen; ob dies
mährisch oder tschechisch ist, vermag Referent nicht zu beurteilen, da er keiner dieser
beiden Weltsprachen mächtig ist. Der Vcrlcigsvrt der Abhandlung war Brunn,
der Verfasser scheint aber auch viel in Böhmen gelebt zu haben.
Der Inhalt des Buches berührt uns im allgemeinen sympathisch; denn es
beruht darauf, daß die soziale Frage uur durch das soziale Königtum gelöst werden
könne. Der Kampf um den Besitz ist etwas dem Menschen angeborenes, der
Mensch wird zu demselben durch die Natur und dnrch seine Mitmenschen genötigt,
aber die bisherige Entwicklung dieses Kampfes hat zu der ungleichen Verteilung
des Besitzes, zu den wenigen Besitzenden und zu der Menge Besitzloser führen
müssen. Der Verfasser rät den Besitzlosen, sich mit der Monarchie zu verbinden
und infolge dieser Allianz die erlangte Macht zu einer Umgestaltung der sozialen
Zustände zu benutzen. Diese Umformung findet der Verfasser teils in der Defen¬
sive der Besitzlosen, teils in der Offensive. Die erstere ruht mehr noch auf Poli¬
tischen als auf sozialem Gebiete, denn zu ihr wird gerechnet: Förderung des Asso-
ziativnswesens, freies Versammlungs-, Vereins- und Petitionsrecht, kein Vermögens-
wahlzcusus, obligatorischer Unterricht, Reform der Steuergesetzgebung mit progressiver
Einkommensteuer unter Freilassung gewisser Existenzminima, Beschränkung der bente-
süchtigen Konkurrenz, Schutzzölle u. dergl. in. Für die Offensive, d. h. für die
Erkämpfung neuer ökonomischer Verfassungsformen, faßt der Verfasser alle Vor¬
schläge zusammen, die sonst von einzelnen als Lösung der sozialen Frage in An¬
regung gebracht worden sind. Dieser Gedanke ist unzweifelhaft richtig, denn die
soziale Frage umfaßt das gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben und muß
sich deshalb ans alle Beziehungen der Menschen in dieser Richtung erstrecken. Be-
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