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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Deutsches Aünstlerleben im fünfzehnton und sechzehnten Jahrhundert.

die engen Schranken zu durchbrechen, die dem zünftigen dentschen Meister noch
immer gesteckt waren. In den ersten Gesellschaftskreisen waren die italienischen
Künstler des sechzehnten Jahrhunderts gefeiert. Stolz und unabhängig stand
Michelangelo den Päpsten gegenüber; die Literaten wie Pietro Aretino buhlten
um seine Freundschaft; der Kardinal Bibiena rechnete sichs zur Ehre an, seine
Nichte dem großen Nafsael zu verloben. Wie beschämend klingen dagegen die
gleichzeitigen Zeugnisse aus Deutschland. Noch 1506 schreibt Dürer von Italien
an Pirkhehmcr: "Wenn Ihr daheim so hoch geachtet seid, werdet Ihr mit einem
armen Maler nimmer auf der Gasse zu reden wagen, das wäre ja eine große
Schande für Euch, von xollrono 61 xittoro." Und als Erasmus 1523 Holden
eine Empfehlung an Aegidius in Antwerpen giebt, schreibt er kalt und vornehm:
"Der Überbringer ist derjenige, der mich gemalt hat, durch seine Empfehlung
will ich dir nicht weiter beschwerlich fallen." Der Gelehrte behandelt den Maler
uoch immer als weit unter ihm stehenden zünftigen Handwerker, und man be¬
greift, wie unter solchen Verhältnissen der stolze, von dem Bewußtsein seiner
Künstlerwürde durchdrungene Dürer bei seiner Abreise ans Venedig in den
Klageruf ausbrechen konnte: "O wie wird mich nach der Sonnen frieren, hier
bin ich ein Herr, daheim ein Schmarotzer." Erst in den zwanziger Jahren war
allmählich der Umschwung erfolgt.

Allen voran gingen in der Auszeichnung der Künstler die deutschen Fürsten.
Sie hatten auf ihren Reisen am ehesten Gelegenheit gehabt, die einflußreiche
Stellung der Künstler in Italien und in den Niederlanden kennen zu lernen,
und suchten allmählich anch ihrerseits den Glanz des Mäeeuatentums um sich
zu verbreiten, durch das die italienischen Großen berühmt waren. Auch sie
waren gleich den italienischen Tyrannen von Ruhmessehnsucht, von dem Streben,
sich "ein Gedächtnis zu setzen," erfüllt und hatten gleich jenen erkannt, daß die
Geschichtschreiber, Dichter und Künstler diejenigen seien, die den Ruhm zu ver¬
geben haben. So erklärt es sich, wenn sie von jetzt an die literarischen und
künstlerischen Größen in ihren Dienst zu ziehe" suchten. Und nicht mehr wie
im Mittelalter werden die Hofmaler mit Stallknechten und Küchenjuugcn in
einem Atem genannt, sondern es kommt wie in Italien zu einer gewissen Gleich¬
berechtigung zwischen den Trägern der Macht und denen des Talentes. In
echt bürgerlicher Weise verkehrt Maximilian mit Dürer, als er sich "zu Awgs-
burg hoch oben awff der pfaltz in seinem kleinen Stühle" von dem Meister
"knnterfeyn" läßt; und in noch innigerer Freundschaft sind die sächsischen Fürsten
mit Cranach Verbünde". Friedrich der Weise verleiht ihm 1S08 Wappenbrief
und Adel und weilt stundenlang in der Werkstatt des Malers, um dessen Ar¬
beiten zu betrachten; der Verbannte König Christian von Dänemark nimmt 1523
in Crancichs Hause seiue Wohnung, und der unglückliche Johann Friedrich blickt
wie zu einem väterlichen Freunde zu dem Maler empor. Der Künstler folgt
ihn: in die Gefangenschaft und sitzt an seiner Seite, wie der Kurfürst nach seiner


Deutsches Aünstlerleben im fünfzehnton und sechzehnten Jahrhundert.

die engen Schranken zu durchbrechen, die dem zünftigen dentschen Meister noch
immer gesteckt waren. In den ersten Gesellschaftskreisen waren die italienischen
Künstler des sechzehnten Jahrhunderts gefeiert. Stolz und unabhängig stand
Michelangelo den Päpsten gegenüber; die Literaten wie Pietro Aretino buhlten
um seine Freundschaft; der Kardinal Bibiena rechnete sichs zur Ehre an, seine
Nichte dem großen Nafsael zu verloben. Wie beschämend klingen dagegen die
gleichzeitigen Zeugnisse aus Deutschland. Noch 1506 schreibt Dürer von Italien
an Pirkhehmcr: „Wenn Ihr daheim so hoch geachtet seid, werdet Ihr mit einem
armen Maler nimmer auf der Gasse zu reden wagen, das wäre ja eine große
Schande für Euch, von xollrono 61 xittoro." Und als Erasmus 1523 Holden
eine Empfehlung an Aegidius in Antwerpen giebt, schreibt er kalt und vornehm:
„Der Überbringer ist derjenige, der mich gemalt hat, durch seine Empfehlung
will ich dir nicht weiter beschwerlich fallen." Der Gelehrte behandelt den Maler
uoch immer als weit unter ihm stehenden zünftigen Handwerker, und man be¬
greift, wie unter solchen Verhältnissen der stolze, von dem Bewußtsein seiner
Künstlerwürde durchdrungene Dürer bei seiner Abreise ans Venedig in den
Klageruf ausbrechen konnte: „O wie wird mich nach der Sonnen frieren, hier
bin ich ein Herr, daheim ein Schmarotzer." Erst in den zwanziger Jahren war
allmählich der Umschwung erfolgt.

Allen voran gingen in der Auszeichnung der Künstler die deutschen Fürsten.
Sie hatten auf ihren Reisen am ehesten Gelegenheit gehabt, die einflußreiche
Stellung der Künstler in Italien und in den Niederlanden kennen zu lernen,
und suchten allmählich anch ihrerseits den Glanz des Mäeeuatentums um sich
zu verbreiten, durch das die italienischen Großen berühmt waren. Auch sie
waren gleich den italienischen Tyrannen von Ruhmessehnsucht, von dem Streben,
sich „ein Gedächtnis zu setzen," erfüllt und hatten gleich jenen erkannt, daß die
Geschichtschreiber, Dichter und Künstler diejenigen seien, die den Ruhm zu ver¬
geben haben. So erklärt es sich, wenn sie von jetzt an die literarischen und
künstlerischen Größen in ihren Dienst zu ziehe» suchten. Und nicht mehr wie
im Mittelalter werden die Hofmaler mit Stallknechten und Küchenjuugcn in
einem Atem genannt, sondern es kommt wie in Italien zu einer gewissen Gleich¬
berechtigung zwischen den Trägern der Macht und denen des Talentes. In
echt bürgerlicher Weise verkehrt Maximilian mit Dürer, als er sich „zu Awgs-
burg hoch oben awff der pfaltz in seinem kleinen Stühle" von dem Meister
„knnterfeyn" läßt; und in noch innigerer Freundschaft sind die sächsischen Fürsten
mit Cranach Verbünde». Friedrich der Weise verleiht ihm 1S08 Wappenbrief
und Adel und weilt stundenlang in der Werkstatt des Malers, um dessen Ar¬
beiten zu betrachten; der Verbannte König Christian von Dänemark nimmt 1523
in Crancichs Hause seiue Wohnung, und der unglückliche Johann Friedrich blickt
wie zu einem väterlichen Freunde zu dem Maler empor. Der Künstler folgt
ihn: in die Gefangenschaft und sitzt an seiner Seite, wie der Kurfürst nach seiner


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[0034] Deutsches Aünstlerleben im fünfzehnton und sechzehnten Jahrhundert. die engen Schranken zu durchbrechen, die dem zünftigen dentschen Meister noch immer gesteckt waren. In den ersten Gesellschaftskreisen waren die italienischen Künstler des sechzehnten Jahrhunderts gefeiert. Stolz und unabhängig stand Michelangelo den Päpsten gegenüber; die Literaten wie Pietro Aretino buhlten um seine Freundschaft; der Kardinal Bibiena rechnete sichs zur Ehre an, seine Nichte dem großen Nafsael zu verloben. Wie beschämend klingen dagegen die gleichzeitigen Zeugnisse aus Deutschland. Noch 1506 schreibt Dürer von Italien an Pirkhehmcr: „Wenn Ihr daheim so hoch geachtet seid, werdet Ihr mit einem armen Maler nimmer auf der Gasse zu reden wagen, das wäre ja eine große Schande für Euch, von xollrono 61 xittoro." Und als Erasmus 1523 Holden eine Empfehlung an Aegidius in Antwerpen giebt, schreibt er kalt und vornehm: „Der Überbringer ist derjenige, der mich gemalt hat, durch seine Empfehlung will ich dir nicht weiter beschwerlich fallen." Der Gelehrte behandelt den Maler uoch immer als weit unter ihm stehenden zünftigen Handwerker, und man be¬ greift, wie unter solchen Verhältnissen der stolze, von dem Bewußtsein seiner Künstlerwürde durchdrungene Dürer bei seiner Abreise ans Venedig in den Klageruf ausbrechen konnte: „O wie wird mich nach der Sonnen frieren, hier bin ich ein Herr, daheim ein Schmarotzer." Erst in den zwanziger Jahren war allmählich der Umschwung erfolgt. Allen voran gingen in der Auszeichnung der Künstler die deutschen Fürsten. Sie hatten auf ihren Reisen am ehesten Gelegenheit gehabt, die einflußreiche Stellung der Künstler in Italien und in den Niederlanden kennen zu lernen, und suchten allmählich anch ihrerseits den Glanz des Mäeeuatentums um sich zu verbreiten, durch das die italienischen Großen berühmt waren. Auch sie waren gleich den italienischen Tyrannen von Ruhmessehnsucht, von dem Streben, sich „ein Gedächtnis zu setzen," erfüllt und hatten gleich jenen erkannt, daß die Geschichtschreiber, Dichter und Künstler diejenigen seien, die den Ruhm zu ver¬ geben haben. So erklärt es sich, wenn sie von jetzt an die literarischen und künstlerischen Größen in ihren Dienst zu ziehe» suchten. Und nicht mehr wie im Mittelalter werden die Hofmaler mit Stallknechten und Küchenjuugcn in einem Atem genannt, sondern es kommt wie in Italien zu einer gewissen Gleich¬ berechtigung zwischen den Trägern der Macht und denen des Talentes. In echt bürgerlicher Weise verkehrt Maximilian mit Dürer, als er sich „zu Awgs- burg hoch oben awff der pfaltz in seinem kleinen Stühle" von dem Meister „knnterfeyn" läßt; und in noch innigerer Freundschaft sind die sächsischen Fürsten mit Cranach Verbünde». Friedrich der Weise verleiht ihm 1S08 Wappenbrief und Adel und weilt stundenlang in der Werkstatt des Malers, um dessen Ar¬ beiten zu betrachten; der Verbannte König Christian von Dänemark nimmt 1523 in Crancichs Hause seiue Wohnung, und der unglückliche Johann Friedrich blickt wie zu einem väterlichen Freunde zu dem Maler empor. Der Künstler folgt ihn: in die Gefangenschaft und sitzt an seiner Seite, wie der Kurfürst nach seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/34>, abgerufen am 24.11.2024.