Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Ein politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts. zweitausend. Hauff führt uns in einem eignen Kapitel "Schubart als Kritiker" Gustav Hauff, dessen Schubartbiographie uns zu vorstehender flüchtigen *) Eine auch von Hauff gerühmte Auswahl aus Schubarts Gedichten und Biographie
Schubarts enthält der dritte Band von A. Sauers trefflicher Ausgabe der "Stürmer und Dränger" (Spemcmns "Deutsche Nativnalliteratur" Bd. 79-81). Ein politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts. zweitausend. Hauff führt uns in einem eignen Kapitel „Schubart als Kritiker" Gustav Hauff, dessen Schubartbiographie uns zu vorstehender flüchtigen *) Eine auch von Hauff gerühmte Auswahl aus Schubarts Gedichten und Biographie
Schubarts enthält der dritte Band von A. Sauers trefflicher Ausgabe der „Stürmer und Dränger" (Spemcmns „Deutsche Nativnalliteratur" Bd. 79-81). <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196375"/> <fw type="header" place="top"> Ein politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1094" prev="#ID_1093"> zweitausend. Hauff führt uns in einem eignen Kapitel „Schubart als Kritiker"<lb/> vor; ich möchte sein weitgehendes Lob Schubarts, vor allem die Vergleichung<lb/> mit Lessing (S. 314 und 329) nicht unterschreiben. Einzelnen treffenden littera¬<lb/> rischen Urteilen stehen doch mehr seltsame und geschmacklose gegenüber. Höhere<lb/> künstlerische Einsichten gingen ihm völlig ab. In politischen Dingen aber ist<lb/> es umgekehrt; da stehen einzelnen verschrobnen Äußerungen in der Mehrzahl<lb/> der Fälle gesunde Ansichten gegenüber. Energisch tritt Schubart für den Fürsten-<lb/> bund ein; wie für ihn selber die Rettung aus dem würtembergischen Gefängnis<lb/> durch die Verwendung des preußischen Königs erfolgt war, so ist er unerschütter¬<lb/> lich in dem Glauben an die Bedeutung des preußischen Staates für Deutsch¬<lb/> land. Den politischen Sinn suchte er von Anfang an zu wecken und zu leiten.<lb/> Von seiner eignen politischen Einsicht aber zeugt es, daß er der französischen<lb/> Revolution zwar mit Begeisterung, aber ungleich kritischer als Klopstock, Wie¬<lb/> land u. a. gegenübertrat. Überall war er von lautersten deutschem Patriotismus<lb/> geleitet. Er hat, wie schon sein Hermannkultus zeigt, von Klopstock patriotische<lb/> Anregungen empfangen; allein schou in seiner Bewunderung Friedrichs des<lb/> Großen trennt er sich von Klopstock. In weitern Kreisen noch als Klopstock<lb/> hat Schubart für Erweckung vaterländischen Sinnes gewirkt und dabei für die<lb/> realen Verhältnisse ein ganz andres Verständnis gezeigt als dieser.</p><lb/> <p xml:id="ID_1095" next="#ID_1096"> Gustav Hauff, dessen Schubartbiographie uns zu vorstehender flüchtigen<lb/> Charakteristik den Anlaß geboten, giebt im Anhange seines Buches eine „Über¬<lb/> sicht über die Schubartliteratur." Als „eine epochemachende Erscheinung" der¬<lb/> selben muß er das Werk von David Friedrich Strauß rühmen: „Chr. Fr. D. Schu-<lb/> barts Leben in seinen Briefen" (2 Bde., Berlin 1849; jetzt als 8. und 9. Bd.<lb/> in Strauß' gesammelten Schriften ^Bonn 1878^ wieder abgedruckt). Es war die<lb/> erste der großen literarischen Biographien von Strauß, und manche begründete<lb/> Einwendung läßt sich gegen dieselbe erheben. Hauffs Polemik aber läßt sich<lb/> nicht billigen; ich würde mir gegen ein Werk, von dessen Text, abgesehen von<lb/> den Briefzitaten, ich Seiten und Seiten in meine eigne Arbeit herübernehme, nicht<lb/> so viel — unbegründeten — Tadel gestatten. In einem oder dem andern un¬<lb/> wesentlichen Punkte ist Hauff zu andern Ansichten gelangt, in den Hauptsachen zitirt<lb/> er Strauß und gesteht damit selber zu, daß er inhaltlich mit ihm übereinstimmt<lb/> und formell das von ihm Gesagte nicht besser vortragen kann. Hauff zitirt so<lb/> viel aus Strauß, daß ich nicht einsehe, warum er an manchen andern Stellen<lb/> ihn ohne Anführungszeichen wörtlich abschreibt. Hauff hat vor fünf Jahren<lb/> sehr schätzenswerte „Schillerstudien" veröffentlicht; seine nur leider nicht voll¬<lb/> ständige kritische Ausgabe von Schubarts Gedichten, die einzige zuverlässige,<lb/> welche überhaupt existirt,*) wie die vorliegende Biographie geben von seinen</p><lb/> <note xml:id="FID_20" place="foot"> *) Eine auch von Hauff gerühmte Auswahl aus Schubarts Gedichten und Biographie<lb/> Schubarts enthält der dritte Band von A. Sauers trefflicher Ausgabe der „Stürmer und<lb/> Dränger" (Spemcmns „Deutsche Nativnalliteratur" Bd. 79-81).</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0275]
Ein politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts.
zweitausend. Hauff führt uns in einem eignen Kapitel „Schubart als Kritiker"
vor; ich möchte sein weitgehendes Lob Schubarts, vor allem die Vergleichung
mit Lessing (S. 314 und 329) nicht unterschreiben. Einzelnen treffenden littera¬
rischen Urteilen stehen doch mehr seltsame und geschmacklose gegenüber. Höhere
künstlerische Einsichten gingen ihm völlig ab. In politischen Dingen aber ist
es umgekehrt; da stehen einzelnen verschrobnen Äußerungen in der Mehrzahl
der Fälle gesunde Ansichten gegenüber. Energisch tritt Schubart für den Fürsten-
bund ein; wie für ihn selber die Rettung aus dem würtembergischen Gefängnis
durch die Verwendung des preußischen Königs erfolgt war, so ist er unerschütter¬
lich in dem Glauben an die Bedeutung des preußischen Staates für Deutsch¬
land. Den politischen Sinn suchte er von Anfang an zu wecken und zu leiten.
Von seiner eignen politischen Einsicht aber zeugt es, daß er der französischen
Revolution zwar mit Begeisterung, aber ungleich kritischer als Klopstock, Wie¬
land u. a. gegenübertrat. Überall war er von lautersten deutschem Patriotismus
geleitet. Er hat, wie schon sein Hermannkultus zeigt, von Klopstock patriotische
Anregungen empfangen; allein schou in seiner Bewunderung Friedrichs des
Großen trennt er sich von Klopstock. In weitern Kreisen noch als Klopstock
hat Schubart für Erweckung vaterländischen Sinnes gewirkt und dabei für die
realen Verhältnisse ein ganz andres Verständnis gezeigt als dieser.
Gustav Hauff, dessen Schubartbiographie uns zu vorstehender flüchtigen
Charakteristik den Anlaß geboten, giebt im Anhange seines Buches eine „Über¬
sicht über die Schubartliteratur." Als „eine epochemachende Erscheinung" der¬
selben muß er das Werk von David Friedrich Strauß rühmen: „Chr. Fr. D. Schu-
barts Leben in seinen Briefen" (2 Bde., Berlin 1849; jetzt als 8. und 9. Bd.
in Strauß' gesammelten Schriften ^Bonn 1878^ wieder abgedruckt). Es war die
erste der großen literarischen Biographien von Strauß, und manche begründete
Einwendung läßt sich gegen dieselbe erheben. Hauffs Polemik aber läßt sich
nicht billigen; ich würde mir gegen ein Werk, von dessen Text, abgesehen von
den Briefzitaten, ich Seiten und Seiten in meine eigne Arbeit herübernehme, nicht
so viel — unbegründeten — Tadel gestatten. In einem oder dem andern un¬
wesentlichen Punkte ist Hauff zu andern Ansichten gelangt, in den Hauptsachen zitirt
er Strauß und gesteht damit selber zu, daß er inhaltlich mit ihm übereinstimmt
und formell das von ihm Gesagte nicht besser vortragen kann. Hauff zitirt so
viel aus Strauß, daß ich nicht einsehe, warum er an manchen andern Stellen
ihn ohne Anführungszeichen wörtlich abschreibt. Hauff hat vor fünf Jahren
sehr schätzenswerte „Schillerstudien" veröffentlicht; seine nur leider nicht voll¬
ständige kritische Ausgabe von Schubarts Gedichten, die einzige zuverlässige,
welche überhaupt existirt,*) wie die vorliegende Biographie geben von seinen
*) Eine auch von Hauff gerühmte Auswahl aus Schubarts Gedichten und Biographie
Schubarts enthält der dritte Band von A. Sauers trefflicher Ausgabe der „Stürmer und
Dränger" (Spemcmns „Deutsche Nativnalliteratur" Bd. 79-81).
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