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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Scilislmry und der Mahdi.

rissen. Acgypten ist ein Land, das sichs etwas kosten lassen kann. Es hat den
Nil mit seinen Gaben, es hat einen unerschöpflichen Boden, es hat einen Chedive
ohne Ehrgeiz. England interessirt sich sür seine Neutralität, Europa für seine
Zahlungsfähigkeit. Welches andre Land auf Erden könnte die Großmächte bereit
finden, seine Wechsel zu indossiren? Fürsten der Finanzwelt, wie die Rothschilds,
sind stets bei der Hand, ihm zu helfen, wenn es für den Augenblick in Ver¬
legenheit geraten ist. Freilich ist diese hilfreiche Gesinnung der Großmächte und
Großjuden nicht ganz ohne Eigennutz. England denkt an den Suezkanal, die
Straße nach Indien. Frankreich wollte erst politischen Einfluß, jetzt erstrebt es
finanziellen. Die andern Mächte werden, teils von alten diplomatischen Tradi¬
tionen, teils durch das Drängen von Besitzern ägyptischer Schuldtitel, schwächer in
dieser Richtung bewegt. Arabi und nach ihm der Mahdi bedeuteten für sie und
die Franzosen keinen Krieg gegen das Christentum, sondern eine Revolution
gegen den Koupon, und so geschah es, daß, als die Engländer dagegen ein¬
schritten, ihnen an allen Börsen Europas im Stillen Beifall zugelächelt und guter
Erfolg gewünscht wurde. Noch jetzt sind wir hier die Avantgarde der Finanzwelt
aller Länder, deren Anlagen am Nil wir vor dem Barbarentume der Wüste
schützen, die nichts von Kapital und Zinsen, von Aktionären, Staatsschulden und
Staatsglänbigern weiß. Aebten wir nur diese Funktion aus, so wäre unsre
Stellung im Nillande eine wenig würdige und ehrenvolle; aber wir vertreten
in Aegypten zugleich eine feste, geordnete Regierung gegenüber der Anarchie,
den Fortschritt in Sachen von Recht und Gesetz und eine Besteuernngsweise,
zu der sich kein muhamedanischer Regent ohne Zwang von außen bequemen
würde. Die Hauptsache aber ist, daß wir uus hier eine Meerstraße freihalten,
welche uns drei Wochen eher als die um das Kap nach Indien bringt, wo uns
jetzt eine Großmacht nahe ans den Leib gerückt ist. Jedermann muß aus diesen
Betrachtungen ersehen, daß für uns und für ganz Europa die finanzielle und
die politische Frage bei Aegypten zusammenfallen. Wollten wir morgen das Land
verlassen, so wäre es mit der Sicherheit der Verzinsung und Tilgung seiner
Schulden zu Ende, der Chedive würde keine drei Tage auf einen neuen Auf¬
stand zu warten haben, und der Staat würde entweder der vom Sudan her
drohenden Barbarei oder einer innern Revolution zur Beute werden.

Lord Salisbury kann diese Frage unbefangen und ungebunden durch die
Theorien und Verpflichtungen seiner Amtsvvrgcinger studiren und zu lösen ver¬
suchen. Er muß dabei nur eins vermeiden: vorzeitige Versprechungen, Aegypten
zu räumen, die mit fehlgeschlagnen Unternehmungen endigen.




Scilislmry und der Mahdi.

rissen. Acgypten ist ein Land, das sichs etwas kosten lassen kann. Es hat den
Nil mit seinen Gaben, es hat einen unerschöpflichen Boden, es hat einen Chedive
ohne Ehrgeiz. England interessirt sich sür seine Neutralität, Europa für seine
Zahlungsfähigkeit. Welches andre Land auf Erden könnte die Großmächte bereit
finden, seine Wechsel zu indossiren? Fürsten der Finanzwelt, wie die Rothschilds,
sind stets bei der Hand, ihm zu helfen, wenn es für den Augenblick in Ver¬
legenheit geraten ist. Freilich ist diese hilfreiche Gesinnung der Großmächte und
Großjuden nicht ganz ohne Eigennutz. England denkt an den Suezkanal, die
Straße nach Indien. Frankreich wollte erst politischen Einfluß, jetzt erstrebt es
finanziellen. Die andern Mächte werden, teils von alten diplomatischen Tradi¬
tionen, teils durch das Drängen von Besitzern ägyptischer Schuldtitel, schwächer in
dieser Richtung bewegt. Arabi und nach ihm der Mahdi bedeuteten für sie und
die Franzosen keinen Krieg gegen das Christentum, sondern eine Revolution
gegen den Koupon, und so geschah es, daß, als die Engländer dagegen ein¬
schritten, ihnen an allen Börsen Europas im Stillen Beifall zugelächelt und guter
Erfolg gewünscht wurde. Noch jetzt sind wir hier die Avantgarde der Finanzwelt
aller Länder, deren Anlagen am Nil wir vor dem Barbarentume der Wüste
schützen, die nichts von Kapital und Zinsen, von Aktionären, Staatsschulden und
Staatsglänbigern weiß. Aebten wir nur diese Funktion aus, so wäre unsre
Stellung im Nillande eine wenig würdige und ehrenvolle; aber wir vertreten
in Aegypten zugleich eine feste, geordnete Regierung gegenüber der Anarchie,
den Fortschritt in Sachen von Recht und Gesetz und eine Besteuernngsweise,
zu der sich kein muhamedanischer Regent ohne Zwang von außen bequemen
würde. Die Hauptsache aber ist, daß wir uus hier eine Meerstraße freihalten,
welche uns drei Wochen eher als die um das Kap nach Indien bringt, wo uns
jetzt eine Großmacht nahe ans den Leib gerückt ist. Jedermann muß aus diesen
Betrachtungen ersehen, daß für uns und für ganz Europa die finanzielle und
die politische Frage bei Aegypten zusammenfallen. Wollten wir morgen das Land
verlassen, so wäre es mit der Sicherheit der Verzinsung und Tilgung seiner
Schulden zu Ende, der Chedive würde keine drei Tage auf einen neuen Auf¬
stand zu warten haben, und der Staat würde entweder der vom Sudan her
drohenden Barbarei oder einer innern Revolution zur Beute werden.

Lord Salisbury kann diese Frage unbefangen und ungebunden durch die
Theorien und Verpflichtungen seiner Amtsvvrgcinger studiren und zu lösen ver¬
suchen. Er muß dabei nur eins vermeiden: vorzeitige Versprechungen, Aegypten
zu räumen, die mit fehlgeschlagnen Unternehmungen endigen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/195>, abgerufen am 24.11.2024.