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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine j)erke.

Kürzer, kürzer! Mein Vater wollte der Dogcustadt eine Lektion geben,
Köpf; sie sollten aufgehängt werden, und sie wurden aufgehängt, der eine, dächte
ich, zweimal, demi^iroo; wir verwendeten damals noch die elenden Vresciaucr
Stricke, lauter Werg! Ich erinnere mich deutlich. . . .

Wenn der Herzog einmal im Reden war, hörte er auch seinen Lakaien
gegenüber nicht so bald wieder auf.

Endlich kehrte er zu der Frage zurück, was Antonio Maria also in bezug
auf das Spioucuklecblatt versehen habe.

Altezza, sagte der Lakai, ich schäme mich zu sagen, daß ich damals von
der Politik noch sogut wie nichts verstand. Nun hatte ich durch Nachfor¬
schungen kurz vor dem Schluß der Verhandlungen über die drei Spione er¬
mittelt, daß nur zwei dieser Leute geborne Venetinner waren, der dritte aber,
jener hernach zweimal gehängte, ein echter Braneassi von dem angesehenen
Florentiner Hause --

Da hab' ich dich! rief der Herzog und sprang auf; aber so treibt Jhr's
immer, Nichtswürdige! Erfahren wir je von Euresgleichen die ganze Wahr¬
heit? Rai! Nie! Immer tragt Ihr irgendeinen Knochen zu heimlichem Ver¬
scharren abseits. Warum? Es liegt Euch im Blut, wie den Elstern das Zu¬
sammenschleppen silberner Löffel und Gabeln, die sie doch nicht fressen können.
Jetzt erinnere ich mich deutlich -- ein Braneassi war jener zweimal Gehängte,
und die Medici haben uns eine runde Summe an Bußpfcnnigcn dafür ausge¬
preßt. Nun, rede: Warum thatest du nicht bei Zeiten den Schnabel auf? Rede,
MMossv! Du hast doch sonst die Zunge nicht umsonst im Maule. Rede!
Ich will deu wirklichen Grund wissen. Es soll dir kein Haar gekrümmt werden.
Aber heraus mit der ganzen Wahrheit.

Der Lakai strich sich verlegen das Kinn. Ich habe ja damals geredet,
Altezza, sagte er beschämt, deshalb gerade mußte der superiore mich ja aus
dem Dienste jagen.

Ja, nachdem der zweite Strick seine Schuldigkeit gethan hatte! Da hast
du geredet, da konntest dn reden, da warst du der Superkluge, da hattest du
alles gewußt! O ich kenne euch Klugschwätzer durch und durch. Geh. Ich
werde ohne Vitalianv doch nicht fertig werden.

Altezza, sagte der Lakai, immer beschämter werdend, es kann niemand an
die Verdienste des superiore hinanreichen, und ich freue mich, Euch an seine
Überlegenheit durch meine Geschichte erinnert zu haben, denn zu ersetzen ist er
nicht, Altezza; in airwrg. rum, welch ein Mann! Aber Ihr wollt wissen, worin
ich mich damals als noch so völlig ungeschult erwies. Wie war die Sachlage,
Altezza? Beliebet Euch zu erinnern --

Nun, wie war sie? Du bist unerträglich weitschweifig.

Drei Spione mußten es sein, Altezza; wir hatten Venedig beschuldigt, uns
drei Spione auf den Hals geschickt zu haben. Konnten wir weniger als drei


Um eine j)erke.

Kürzer, kürzer! Mein Vater wollte der Dogcustadt eine Lektion geben,
Köpf; sie sollten aufgehängt werden, und sie wurden aufgehängt, der eine, dächte
ich, zweimal, demi^iroo; wir verwendeten damals noch die elenden Vresciaucr
Stricke, lauter Werg! Ich erinnere mich deutlich. . . .

Wenn der Herzog einmal im Reden war, hörte er auch seinen Lakaien
gegenüber nicht so bald wieder auf.

Endlich kehrte er zu der Frage zurück, was Antonio Maria also in bezug
auf das Spioucuklecblatt versehen habe.

Altezza, sagte der Lakai, ich schäme mich zu sagen, daß ich damals von
der Politik noch sogut wie nichts verstand. Nun hatte ich durch Nachfor¬
schungen kurz vor dem Schluß der Verhandlungen über die drei Spione er¬
mittelt, daß nur zwei dieser Leute geborne Venetinner waren, der dritte aber,
jener hernach zweimal gehängte, ein echter Braneassi von dem angesehenen
Florentiner Hause —

Da hab' ich dich! rief der Herzog und sprang auf; aber so treibt Jhr's
immer, Nichtswürdige! Erfahren wir je von Euresgleichen die ganze Wahr¬
heit? Rai! Nie! Immer tragt Ihr irgendeinen Knochen zu heimlichem Ver¬
scharren abseits. Warum? Es liegt Euch im Blut, wie den Elstern das Zu¬
sammenschleppen silberner Löffel und Gabeln, die sie doch nicht fressen können.
Jetzt erinnere ich mich deutlich — ein Braneassi war jener zweimal Gehängte,
und die Medici haben uns eine runde Summe an Bußpfcnnigcn dafür ausge¬
preßt. Nun, rede: Warum thatest du nicht bei Zeiten den Schnabel auf? Rede,
MMossv! Du hast doch sonst die Zunge nicht umsonst im Maule. Rede!
Ich will deu wirklichen Grund wissen. Es soll dir kein Haar gekrümmt werden.
Aber heraus mit der ganzen Wahrheit.

Der Lakai strich sich verlegen das Kinn. Ich habe ja damals geredet,
Altezza, sagte er beschämt, deshalb gerade mußte der superiore mich ja aus
dem Dienste jagen.

Ja, nachdem der zweite Strick seine Schuldigkeit gethan hatte! Da hast
du geredet, da konntest dn reden, da warst du der Superkluge, da hattest du
alles gewußt! O ich kenne euch Klugschwätzer durch und durch. Geh. Ich
werde ohne Vitalianv doch nicht fertig werden.

Altezza, sagte der Lakai, immer beschämter werdend, es kann niemand an
die Verdienste des superiore hinanreichen, und ich freue mich, Euch an seine
Überlegenheit durch meine Geschichte erinnert zu haben, denn zu ersetzen ist er
nicht, Altezza; in airwrg. rum, welch ein Mann! Aber Ihr wollt wissen, worin
ich mich damals als noch so völlig ungeschult erwies. Wie war die Sachlage,
Altezza? Beliebet Euch zu erinnern —

Nun, wie war sie? Du bist unerträglich weitschweifig.

Drei Spione mußten es sein, Altezza; wir hatten Venedig beschuldigt, uns
drei Spione auf den Hals geschickt zu haben. Konnten wir weniger als drei


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[0700] Um eine j)erke. Kürzer, kürzer! Mein Vater wollte der Dogcustadt eine Lektion geben, Köpf; sie sollten aufgehängt werden, und sie wurden aufgehängt, der eine, dächte ich, zweimal, demi^iroo; wir verwendeten damals noch die elenden Vresciaucr Stricke, lauter Werg! Ich erinnere mich deutlich. . . . Wenn der Herzog einmal im Reden war, hörte er auch seinen Lakaien gegenüber nicht so bald wieder auf. Endlich kehrte er zu der Frage zurück, was Antonio Maria also in bezug auf das Spioucuklecblatt versehen habe. Altezza, sagte der Lakai, ich schäme mich zu sagen, daß ich damals von der Politik noch sogut wie nichts verstand. Nun hatte ich durch Nachfor¬ schungen kurz vor dem Schluß der Verhandlungen über die drei Spione er¬ mittelt, daß nur zwei dieser Leute geborne Venetinner waren, der dritte aber, jener hernach zweimal gehängte, ein echter Braneassi von dem angesehenen Florentiner Hause — Da hab' ich dich! rief der Herzog und sprang auf; aber so treibt Jhr's immer, Nichtswürdige! Erfahren wir je von Euresgleichen die ganze Wahr¬ heit? Rai! Nie! Immer tragt Ihr irgendeinen Knochen zu heimlichem Ver¬ scharren abseits. Warum? Es liegt Euch im Blut, wie den Elstern das Zu¬ sammenschleppen silberner Löffel und Gabeln, die sie doch nicht fressen können. Jetzt erinnere ich mich deutlich — ein Braneassi war jener zweimal Gehängte, und die Medici haben uns eine runde Summe an Bußpfcnnigcn dafür ausge¬ preßt. Nun, rede: Warum thatest du nicht bei Zeiten den Schnabel auf? Rede, MMossv! Du hast doch sonst die Zunge nicht umsonst im Maule. Rede! Ich will deu wirklichen Grund wissen. Es soll dir kein Haar gekrümmt werden. Aber heraus mit der ganzen Wahrheit. Der Lakai strich sich verlegen das Kinn. Ich habe ja damals geredet, Altezza, sagte er beschämt, deshalb gerade mußte der superiore mich ja aus dem Dienste jagen. Ja, nachdem der zweite Strick seine Schuldigkeit gethan hatte! Da hast du geredet, da konntest dn reden, da warst du der Superkluge, da hattest du alles gewußt! O ich kenne euch Klugschwätzer durch und durch. Geh. Ich werde ohne Vitalianv doch nicht fertig werden. Altezza, sagte der Lakai, immer beschämter werdend, es kann niemand an die Verdienste des superiore hinanreichen, und ich freue mich, Euch an seine Überlegenheit durch meine Geschichte erinnert zu haben, denn zu ersetzen ist er nicht, Altezza; in airwrg. rum, welch ein Mann! Aber Ihr wollt wissen, worin ich mich damals als noch so völlig ungeschult erwies. Wie war die Sachlage, Altezza? Beliebet Euch zu erinnern — Nun, wie war sie? Du bist unerträglich weitschweifig. Drei Spione mußten es sein, Altezza; wir hatten Venedig beschuldigt, uns drei Spione auf den Hals geschickt zu haben. Konnten wir weniger als drei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/700>, abgerufen am 22.07.2024.