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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.

Verhältnis zu entdecken, welches sich in Verona zwischen der Tochter des alten
Buonacvlsi und Giuseppe Gonzaga angesponnen hatte, war Vitaliano in den
Augen des Herzogs um mehr als die Hälfte seines Ansehens gekommen.

Freilich hatte jetzt die Plauderhaftigkeit des vertrauten Dieners Giuseppes
an den Tag gebracht, daß ganz andres im Werke gewesen war als eine Ent¬
führung, daß der Veroneser Vetter vielmehr auf dem Punkte gestanden hatte,
die Unzufricdnen in und um Mantua um sich zu sammeln, und daß einer der
gefährlichsten Verschwörer, daß Ambrogio Pellegrini hinter ihm stand.

Aber gleichviel, wir werden ja sehen, sagte sich der Herzog, als er am
Morgen nach der Erhebung des Advokaten Primaticcio zum Guardasigilli den
Lakaien Antonio Maria mit der großen Corduanmappc eintreten sah, der ge¬
heimnisvollen Mappe, die der Herzog sonst mir aus den Händen Vitalianos
entgegengenommen hatte.

Antonio Marias ehrbar trockne Miene verriet mit keinem Zuge, er ahne,
daß er auf dem Wege sei, zu dem Amte Vitalianos berufen zu werden.

Leg' hin, sagte Francesco und deutete auf seinen Schreibtisch, indem er,
in seinen Ledersessel zurückgelehnt, die spärlichen Haare seines Schnnrrbartes
glättete und mit seinen grauen Augen den Lakaien dabei scharf fixirte: Wie
alt bist du?

neununddreißig, Altezza.

Wie lange im Amt?

Seit dem Tage des heiligen Nieephorus.

Ich denke, du trugst schon zu Zeiten meines Vaters die herzogliche Livree.

Drei Jahre lang, Altezza.

Und zogst sie wieder aus?

Ungern, Altezza.

Natürlich. Aber der Grund?

Meine Leistungen wurden als ungenügend befunden, Altezza.

Von meinem Vater?

Vielleicht auch von Euerm in Gott ruhenden Herrn Vater, Altezza.

Auch? Was heißt das? Von wem sonst?

Von den? superiore, Altezza.

Hin! Bei welcher Gelegenheit?

Altezza, sagte Antonio Maria, immer in geschäftsmäßig trockner Weise,
ich war in der That den berechtigten Ansprüchen des superiore noch nicht ge¬
wachsen. Ich hatte mich in einer wichtigen Sache sehr einfältig benommen.
Altezza erlassen mir wohl die Erzählung der Einzelheiten.

Francesco stampfte mit dem Fuße. Ich fragte: bei welcher Gelegenheit?
rief er; man hat zu gehorchen.

Altezza, verneigte sich der Lakai, es handelte sich um die drei Spione, die
Euer in Gott ruhender --


Um eine perle.

Verhältnis zu entdecken, welches sich in Verona zwischen der Tochter des alten
Buonacvlsi und Giuseppe Gonzaga angesponnen hatte, war Vitaliano in den
Augen des Herzogs um mehr als die Hälfte seines Ansehens gekommen.

Freilich hatte jetzt die Plauderhaftigkeit des vertrauten Dieners Giuseppes
an den Tag gebracht, daß ganz andres im Werke gewesen war als eine Ent¬
führung, daß der Veroneser Vetter vielmehr auf dem Punkte gestanden hatte,
die Unzufricdnen in und um Mantua um sich zu sammeln, und daß einer der
gefährlichsten Verschwörer, daß Ambrogio Pellegrini hinter ihm stand.

Aber gleichviel, wir werden ja sehen, sagte sich der Herzog, als er am
Morgen nach der Erhebung des Advokaten Primaticcio zum Guardasigilli den
Lakaien Antonio Maria mit der großen Corduanmappc eintreten sah, der ge¬
heimnisvollen Mappe, die der Herzog sonst mir aus den Händen Vitalianos
entgegengenommen hatte.

Antonio Marias ehrbar trockne Miene verriet mit keinem Zuge, er ahne,
daß er auf dem Wege sei, zu dem Amte Vitalianos berufen zu werden.

Leg' hin, sagte Francesco und deutete auf seinen Schreibtisch, indem er,
in seinen Ledersessel zurückgelehnt, die spärlichen Haare seines Schnnrrbartes
glättete und mit seinen grauen Augen den Lakaien dabei scharf fixirte: Wie
alt bist du?

neununddreißig, Altezza.

Wie lange im Amt?

Seit dem Tage des heiligen Nieephorus.

Ich denke, du trugst schon zu Zeiten meines Vaters die herzogliche Livree.

Drei Jahre lang, Altezza.

Und zogst sie wieder aus?

Ungern, Altezza.

Natürlich. Aber der Grund?

Meine Leistungen wurden als ungenügend befunden, Altezza.

Von meinem Vater?

Vielleicht auch von Euerm in Gott ruhenden Herrn Vater, Altezza.

Auch? Was heißt das? Von wem sonst?

Von den? superiore, Altezza.

Hin! Bei welcher Gelegenheit?

Altezza, sagte Antonio Maria, immer in geschäftsmäßig trockner Weise,
ich war in der That den berechtigten Ansprüchen des superiore noch nicht ge¬
wachsen. Ich hatte mich in einer wichtigen Sache sehr einfältig benommen.
Altezza erlassen mir wohl die Erzählung der Einzelheiten.

Francesco stampfte mit dem Fuße. Ich fragte: bei welcher Gelegenheit?
rief er; man hat zu gehorchen.

Altezza, verneigte sich der Lakai, es handelte sich um die drei Spione, die
Euer in Gott ruhender —


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[0699] Um eine perle. Verhältnis zu entdecken, welches sich in Verona zwischen der Tochter des alten Buonacvlsi und Giuseppe Gonzaga angesponnen hatte, war Vitaliano in den Augen des Herzogs um mehr als die Hälfte seines Ansehens gekommen. Freilich hatte jetzt die Plauderhaftigkeit des vertrauten Dieners Giuseppes an den Tag gebracht, daß ganz andres im Werke gewesen war als eine Ent¬ führung, daß der Veroneser Vetter vielmehr auf dem Punkte gestanden hatte, die Unzufricdnen in und um Mantua um sich zu sammeln, und daß einer der gefährlichsten Verschwörer, daß Ambrogio Pellegrini hinter ihm stand. Aber gleichviel, wir werden ja sehen, sagte sich der Herzog, als er am Morgen nach der Erhebung des Advokaten Primaticcio zum Guardasigilli den Lakaien Antonio Maria mit der großen Corduanmappc eintreten sah, der ge¬ heimnisvollen Mappe, die der Herzog sonst mir aus den Händen Vitalianos entgegengenommen hatte. Antonio Marias ehrbar trockne Miene verriet mit keinem Zuge, er ahne, daß er auf dem Wege sei, zu dem Amte Vitalianos berufen zu werden. Leg' hin, sagte Francesco und deutete auf seinen Schreibtisch, indem er, in seinen Ledersessel zurückgelehnt, die spärlichen Haare seines Schnnrrbartes glättete und mit seinen grauen Augen den Lakaien dabei scharf fixirte: Wie alt bist du? neununddreißig, Altezza. Wie lange im Amt? Seit dem Tage des heiligen Nieephorus. Ich denke, du trugst schon zu Zeiten meines Vaters die herzogliche Livree. Drei Jahre lang, Altezza. Und zogst sie wieder aus? Ungern, Altezza. Natürlich. Aber der Grund? Meine Leistungen wurden als ungenügend befunden, Altezza. Von meinem Vater? Vielleicht auch von Euerm in Gott ruhenden Herrn Vater, Altezza. Auch? Was heißt das? Von wem sonst? Von den? superiore, Altezza. Hin! Bei welcher Gelegenheit? Altezza, sagte Antonio Maria, immer in geschäftsmäßig trockner Weise, ich war in der That den berechtigten Ansprüchen des superiore noch nicht ge¬ wachsen. Ich hatte mich in einer wichtigen Sache sehr einfältig benommen. Altezza erlassen mir wohl die Erzählung der Einzelheiten. Francesco stampfte mit dem Fuße. Ich fragte: bei welcher Gelegenheit? rief er; man hat zu gehorchen. Altezza, verneigte sich der Lakai, es handelte sich um die drei Spione, die Euer in Gott ruhender —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/699>, abgerufen am 22.07.2024.