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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

hängen? Das wäre gewesen, als hätten wir mit unsrer Beschuldigung den
Mund zu voll genommen --

Kürzer, kürzer!

Oder als könnten wir unser Wort nicht wahr machen --

Welches Wort? Der Kerl kommt nie zu Ende.

Daß wir nämlich, Altezza, schon Mittel hätten, alle drei dingfest zu machen.

Alle drei, alle drei! Wir haben ja drei gehängt! Wer bestreite, daß es
sich um drei handelt? Etwa ich? Nie hat mich Vitaliano mit solchen Spitz¬
findigkeiten im Kreise herumgeführt.

Altezza, sagte der Lakai unterthänig, aber mit einem leisen Verzweiflungs¬
seufzer, ich nahm mir also die Freiheit, Eltern in Gott --

Aufmerksam zu machen, auf was? Auf die Florentiner Sippen des einen
Spions? Alle drei waren ja gar keine Spione, sondern Falschspieler; dn bist
der konfuseste Geschichtenerzähler, der mir je die Zeit stahl. Also, du machtest
meinen Vater aufmerksam -- auf was? ans was? frage ich zum zwanzigsten male!

Er warf sich wieder in seinen Sessel.

Auf den Umstand, daß die Medici unsre guten Freunde seien, und daß es
mir bedenklich scheine, einen ihrer Unterthanen aufzuknüpfen.

Das sagtest du meinem Vater vor der Exekution?

Am Tage vor der Exekution, Altezza; dort im Sessel saß er; ich sehe ihn
noch, wie er den Kopf dabei hin und her wiegte. Gott habe ihn selig. Und
der Lakai wischte sich die Augen.

Und was antwortete mein Vater?

Nichts, Altezza.

Aber Vitaliano?

Signor Vitaliano wusch mir mit Recht den Kopf; dostmoom! sagte er,
muß ein Fürst denn mit jeder Lappalie behelligt werden? Hätte ich für gut
gehalten, sagte er, ihm davon zu reden, da wäre es an mir gewesen, den gnä¬
digen Herrn Herzog auf die Florentiner Abstammung des Brcmeassi aufmerksam
zu machen; natürlich wußte ich's von Anfang an, sagte er. Aber wie, wenn
der gnädige Herr Herzog nicht Lust hatte, das Urteil zu kassiren? Und er hat
keine Lust, sagte Signor Vitaliano, er hat ja alle Hände voll mit seineu Bauten
zu thun. Gehänge werden muß der Florentiner also so wie so, sagte Signor
Vitaliano -- aber die Ausrede, man habe in Mantua nichts von Braneassis
Florentiner Herkunft gewußt, die hast du unserm gnädigen Herrn nun abge¬
schnitten, sagte Signor Vitaliano, und er fügte hinzu: Hier hast du deinen
Monatslohn; Leute, die mehr zu wissen vorgeben als ihr Vorgesetzter, können
wir nicht brauchen; übrigens merke dir eins, setzte er auch noch hinzu: ein
Fürst weiß die meisten Dinge weit früher als wir andern, und schweigt er
darüber, so muß ein Untergebener warten, bis man ihn fragt.

(Fortschlmn sole,,.)


Um eine Perle.

hängen? Das wäre gewesen, als hätten wir mit unsrer Beschuldigung den
Mund zu voll genommen —

Kürzer, kürzer!

Oder als könnten wir unser Wort nicht wahr machen —

Welches Wort? Der Kerl kommt nie zu Ende.

Daß wir nämlich, Altezza, schon Mittel hätten, alle drei dingfest zu machen.

Alle drei, alle drei! Wir haben ja drei gehängt! Wer bestreite, daß es
sich um drei handelt? Etwa ich? Nie hat mich Vitaliano mit solchen Spitz¬
findigkeiten im Kreise herumgeführt.

Altezza, sagte der Lakai unterthänig, aber mit einem leisen Verzweiflungs¬
seufzer, ich nahm mir also die Freiheit, Eltern in Gott —

Aufmerksam zu machen, auf was? Auf die Florentiner Sippen des einen
Spions? Alle drei waren ja gar keine Spione, sondern Falschspieler; dn bist
der konfuseste Geschichtenerzähler, der mir je die Zeit stahl. Also, du machtest
meinen Vater aufmerksam — auf was? ans was? frage ich zum zwanzigsten male!

Er warf sich wieder in seinen Sessel.

Auf den Umstand, daß die Medici unsre guten Freunde seien, und daß es
mir bedenklich scheine, einen ihrer Unterthanen aufzuknüpfen.

Das sagtest du meinem Vater vor der Exekution?

Am Tage vor der Exekution, Altezza; dort im Sessel saß er; ich sehe ihn
noch, wie er den Kopf dabei hin und her wiegte. Gott habe ihn selig. Und
der Lakai wischte sich die Augen.

Und was antwortete mein Vater?

Nichts, Altezza.

Aber Vitaliano?

Signor Vitaliano wusch mir mit Recht den Kopf; dostmoom! sagte er,
muß ein Fürst denn mit jeder Lappalie behelligt werden? Hätte ich für gut
gehalten, sagte er, ihm davon zu reden, da wäre es an mir gewesen, den gnä¬
digen Herrn Herzog auf die Florentiner Abstammung des Brcmeassi aufmerksam
zu machen; natürlich wußte ich's von Anfang an, sagte er. Aber wie, wenn
der gnädige Herr Herzog nicht Lust hatte, das Urteil zu kassiren? Und er hat
keine Lust, sagte Signor Vitaliano, er hat ja alle Hände voll mit seineu Bauten
zu thun. Gehänge werden muß der Florentiner also so wie so, sagte Signor
Vitaliano — aber die Ausrede, man habe in Mantua nichts von Braneassis
Florentiner Herkunft gewußt, die hast du unserm gnädigen Herrn nun abge¬
schnitten, sagte Signor Vitaliano, und er fügte hinzu: Hier hast du deinen
Monatslohn; Leute, die mehr zu wissen vorgeben als ihr Vorgesetzter, können
wir nicht brauchen; übrigens merke dir eins, setzte er auch noch hinzu: ein
Fürst weiß die meisten Dinge weit früher als wir andern, und schweigt er
darüber, so muß ein Untergebener warten, bis man ihn fragt.

(Fortschlmn sole,,.)


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[0701] Um eine Perle. hängen? Das wäre gewesen, als hätten wir mit unsrer Beschuldigung den Mund zu voll genommen — Kürzer, kürzer! Oder als könnten wir unser Wort nicht wahr machen — Welches Wort? Der Kerl kommt nie zu Ende. Daß wir nämlich, Altezza, schon Mittel hätten, alle drei dingfest zu machen. Alle drei, alle drei! Wir haben ja drei gehängt! Wer bestreite, daß es sich um drei handelt? Etwa ich? Nie hat mich Vitaliano mit solchen Spitz¬ findigkeiten im Kreise herumgeführt. Altezza, sagte der Lakai unterthänig, aber mit einem leisen Verzweiflungs¬ seufzer, ich nahm mir also die Freiheit, Eltern in Gott — Aufmerksam zu machen, auf was? Auf die Florentiner Sippen des einen Spions? Alle drei waren ja gar keine Spione, sondern Falschspieler; dn bist der konfuseste Geschichtenerzähler, der mir je die Zeit stahl. Also, du machtest meinen Vater aufmerksam — auf was? ans was? frage ich zum zwanzigsten male! Er warf sich wieder in seinen Sessel. Auf den Umstand, daß die Medici unsre guten Freunde seien, und daß es mir bedenklich scheine, einen ihrer Unterthanen aufzuknüpfen. Das sagtest du meinem Vater vor der Exekution? Am Tage vor der Exekution, Altezza; dort im Sessel saß er; ich sehe ihn noch, wie er den Kopf dabei hin und her wiegte. Gott habe ihn selig. Und der Lakai wischte sich die Augen. Und was antwortete mein Vater? Nichts, Altezza. Aber Vitaliano? Signor Vitaliano wusch mir mit Recht den Kopf; dostmoom! sagte er, muß ein Fürst denn mit jeder Lappalie behelligt werden? Hätte ich für gut gehalten, sagte er, ihm davon zu reden, da wäre es an mir gewesen, den gnä¬ digen Herrn Herzog auf die Florentiner Abstammung des Brcmeassi aufmerksam zu machen; natürlich wußte ich's von Anfang an, sagte er. Aber wie, wenn der gnädige Herr Herzog nicht Lust hatte, das Urteil zu kassiren? Und er hat keine Lust, sagte Signor Vitaliano, er hat ja alle Hände voll mit seineu Bauten zu thun. Gehänge werden muß der Florentiner also so wie so, sagte Signor Vitaliano — aber die Ausrede, man habe in Mantua nichts von Braneassis Florentiner Herkunft gewußt, die hast du unserm gnädigen Herrn nun abge¬ schnitten, sagte Signor Vitaliano, und er fügte hinzu: Hier hast du deinen Monatslohn; Leute, die mehr zu wissen vorgeben als ihr Vorgesetzter, können wir nicht brauchen; übrigens merke dir eins, setzte er auch noch hinzu: ein Fürst weiß die meisten Dinge weit früher als wir andern, und schweigt er darüber, so muß ein Untergebener warten, bis man ihn fragt. (Fortschlmn sole,,.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/701>, abgerufen am 22.07.2024.