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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.
Roman von Robert Ivaldmnller (Ed. Duboc). (Fortsetzung.)

n diesem Augenblicke bemerkte der Herzog zu seinem Erstaune:,,
daß der Anwalt, von seinem Schwächcznstandc sich etwas er¬
holend, den in der Giftslasche verbliebenen Nest sich durch Ein-
gießen in sein Glas aneignete, und daß, nachdem er das Glas
geleert hatte, das kleine Männlein sich aus seinem Sessel, wenn
auch nur erst mühsam, erhob.

Andrea war von der langen und gefährlichen Unterredung mit dem als
arglistig bekannten Herzog in so hohem Grade mitgenommen und abgespannt
gewesen, daß ihm alles von dem Herzog inzwischen Gethane und Gesprochene
entgangen war. Der Letztere erkannte rasch seinen Irrtum und, indem nun
auch er selbst wieder Herr über seine Kräfte wurde, sagte er sich, daß er im
Begriff gewesen war, sich dem Gelächter seiner Leute wie dem Spott des Ur¬
walds preiszugeben. Es gelang ihm, die letzten Spuren von Furcht und Mi߬
trauen aus seinen Mienen zu bannen. Und so, vor den um Verzeihung bit¬
tenden Alten wieder mit würdevollem Anstand hintretend, sagte er mit gütigem
Ausdruck: Ich habe, während Ihr zechtet, meine Zeit auch nicht ganz verloren,
guter Freund! In meinem Staatsrate ist eine Stelle valant. Ich habe über¬
legt, welche Funktionen Euch zugewiesen werden können. Nun denn, Signor
Andrea, als besondern Beweis meines Vertrauens ersuche ich Euch hiermit, mir
morgen mit dem Frühesten über alle von Euch in jener Euern neuen Eigen¬
schaft angeordneten Maßnahmen zur Ergreifung Abbondios Bericht zu erstatten.

Der Anwalt rieb sich die Stirn. Altezzci, sagte er mit wirklicher Verlegen¬
heit, das Volk hat eine Redensart vom Erdrücktwerdm durch Wohlthäte". Ich
muß einen Teil meiner Schlvächeanwandlung mit dieser Redensart entschuldigen,
aber den Nest wollet gütigst auf Rechnung der Seelenpein schreiben, die ich in


Grenzboten U- tWS. 87


Um eine perle.
Roman von Robert Ivaldmnller (Ed. Duboc). (Fortsetzung.)

n diesem Augenblicke bemerkte der Herzog zu seinem Erstaune:,,
daß der Anwalt, von seinem Schwächcznstandc sich etwas er¬
holend, den in der Giftslasche verbliebenen Nest sich durch Ein-
gießen in sein Glas aneignete, und daß, nachdem er das Glas
geleert hatte, das kleine Männlein sich aus seinem Sessel, wenn
auch nur erst mühsam, erhob.

Andrea war von der langen und gefährlichen Unterredung mit dem als
arglistig bekannten Herzog in so hohem Grade mitgenommen und abgespannt
gewesen, daß ihm alles von dem Herzog inzwischen Gethane und Gesprochene
entgangen war. Der Letztere erkannte rasch seinen Irrtum und, indem nun
auch er selbst wieder Herr über seine Kräfte wurde, sagte er sich, daß er im
Begriff gewesen war, sich dem Gelächter seiner Leute wie dem Spott des Ur¬
walds preiszugeben. Es gelang ihm, die letzten Spuren von Furcht und Mi߬
trauen aus seinen Mienen zu bannen. Und so, vor den um Verzeihung bit¬
tenden Alten wieder mit würdevollem Anstand hintretend, sagte er mit gütigem
Ausdruck: Ich habe, während Ihr zechtet, meine Zeit auch nicht ganz verloren,
guter Freund! In meinem Staatsrate ist eine Stelle valant. Ich habe über¬
legt, welche Funktionen Euch zugewiesen werden können. Nun denn, Signor
Andrea, als besondern Beweis meines Vertrauens ersuche ich Euch hiermit, mir
morgen mit dem Frühesten über alle von Euch in jener Euern neuen Eigen¬
schaft angeordneten Maßnahmen zur Ergreifung Abbondios Bericht zu erstatten.

Der Anwalt rieb sich die Stirn. Altezzci, sagte er mit wirklicher Verlegen¬
heit, das Volk hat eine Redensart vom Erdrücktwerdm durch Wohlthäte«. Ich
muß einen Teil meiner Schlvächeanwandlung mit dieser Redensart entschuldigen,
aber den Nest wollet gütigst auf Rechnung der Seelenpein schreiben, die ich in


Grenzboten U- tWS. 87
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[0694] [Abbildung] Um eine perle. Roman von Robert Ivaldmnller (Ed. Duboc). (Fortsetzung.) n diesem Augenblicke bemerkte der Herzog zu seinem Erstaune:,, daß der Anwalt, von seinem Schwächcznstandc sich etwas er¬ holend, den in der Giftslasche verbliebenen Nest sich durch Ein- gießen in sein Glas aneignete, und daß, nachdem er das Glas geleert hatte, das kleine Männlein sich aus seinem Sessel, wenn auch nur erst mühsam, erhob. Andrea war von der langen und gefährlichen Unterredung mit dem als arglistig bekannten Herzog in so hohem Grade mitgenommen und abgespannt gewesen, daß ihm alles von dem Herzog inzwischen Gethane und Gesprochene entgangen war. Der Letztere erkannte rasch seinen Irrtum und, indem nun auch er selbst wieder Herr über seine Kräfte wurde, sagte er sich, daß er im Begriff gewesen war, sich dem Gelächter seiner Leute wie dem Spott des Ur¬ walds preiszugeben. Es gelang ihm, die letzten Spuren von Furcht und Mi߬ trauen aus seinen Mienen zu bannen. Und so, vor den um Verzeihung bit¬ tenden Alten wieder mit würdevollem Anstand hintretend, sagte er mit gütigem Ausdruck: Ich habe, während Ihr zechtet, meine Zeit auch nicht ganz verloren, guter Freund! In meinem Staatsrate ist eine Stelle valant. Ich habe über¬ legt, welche Funktionen Euch zugewiesen werden können. Nun denn, Signor Andrea, als besondern Beweis meines Vertrauens ersuche ich Euch hiermit, mir morgen mit dem Frühesten über alle von Euch in jener Euern neuen Eigen¬ schaft angeordneten Maßnahmen zur Ergreifung Abbondios Bericht zu erstatten. Der Anwalt rieb sich die Stirn. Altezzci, sagte er mit wirklicher Verlegen¬ heit, das Volk hat eine Redensart vom Erdrücktwerdm durch Wohlthäte«. Ich muß einen Teil meiner Schlvächeanwandlung mit dieser Redensart entschuldigen, aber den Nest wollet gütigst auf Rechnung der Seelenpein schreiben, die ich in Grenzboten U- tWS. 87

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/694>, abgerufen am 29.06.2024.