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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Afghanistan und die Afghanen.

unternahmen, um Rache für die Niederlage zu üben, die sie das Jahr vorher
erlitten, und bei der sie in den Chaiberpäsfen ihr ganzes Heer verloren
hatten, in die Luft gesprengt und ist seitdem ein Trümmerhaufe geblieben. Die
übrigen öffentlichen Bauten sind nicht von Bedeutung. Auch der Palast des
Emirs, der mit der Zitadelle verbunden ist und am südöstlichen Ende der Stadt
liegt, hat zwar eine beträchtliche Ausdehnung, aber sonst nichts besonders Merk¬
würdiges, Die Privathäuser sind größtenteils nur als Hütten zu bezeichnen,
die enge und krumme, oben mit Matten überspannte Gassen bilden. Die Stadt,
welche einst nächst Buchara der Hauptmarkt Zentralasiens war, ist bei den
häusigen Kriegen und Unruhen der letzten Jahrzehnte sehr herabgekommen, und
was infolge der politischen Zustände und Ereignisse nicht zu gründe ging,
wurde vielfach durch natürliche Katastrophen, namentlich durch Erdbeben, die
nicht selteu sind und bisweilen mit furchtbarer Gewalt auftreten, in großem
Umfange zerstört. Am 14. Oktober 1874 z. B. stürzten bei einem solchen gegen
1000 Häuser ein. Jaworski erlebte hier, am 31. Juli 1878, morgens in der
achten Stunde, ebenfalls ein Erdbeben von mehreren Stößen, welche das Ge¬
bäude, in welchem man die russische Gesandtschaft untergebracht hatte, so heftig
erschütterten, daß die Fenstergewände krachten und die Scheiben klirrten.
Auch berichtet er von einem "Buran" (Orkan), der ihn im Garten des Emirs
überfiel und alles in Staub hüllte. Der Garten war nichts weniger als schön
oder großartig, eher armselig. Einige Gemüsebeete, gewöhnliche und spiral-
oder ringförmig gekrümmte Riesengurken von 4 bis 4^ Fuß Länge, Melonen,
Arbusen und Eierpflanzen, einige Aprikosen-, Pfirsich- und Birnbäume, die letztern
mit den sehr wohlschmeckenden Samarkanderbirnen, und ein kleiner, schlechtge-
pflegter Weinberg, das war so ziemlich alles, was in diesem königlichen Garten
zu finden war. Wir bemerken noch, daß Kabul wegen seiner hohen Lage keine
gesunde Stadt ist, daß der Typhus hier oft epidemisch auftritt, und daß das
Kabuler Fieber weithin gefürchtet wird.




Afghanistan und die Afghanen.

unternahmen, um Rache für die Niederlage zu üben, die sie das Jahr vorher
erlitten, und bei der sie in den Chaiberpäsfen ihr ganzes Heer verloren
hatten, in die Luft gesprengt und ist seitdem ein Trümmerhaufe geblieben. Die
übrigen öffentlichen Bauten sind nicht von Bedeutung. Auch der Palast des
Emirs, der mit der Zitadelle verbunden ist und am südöstlichen Ende der Stadt
liegt, hat zwar eine beträchtliche Ausdehnung, aber sonst nichts besonders Merk¬
würdiges, Die Privathäuser sind größtenteils nur als Hütten zu bezeichnen,
die enge und krumme, oben mit Matten überspannte Gassen bilden. Die Stadt,
welche einst nächst Buchara der Hauptmarkt Zentralasiens war, ist bei den
häusigen Kriegen und Unruhen der letzten Jahrzehnte sehr herabgekommen, und
was infolge der politischen Zustände und Ereignisse nicht zu gründe ging,
wurde vielfach durch natürliche Katastrophen, namentlich durch Erdbeben, die
nicht selteu sind und bisweilen mit furchtbarer Gewalt auftreten, in großem
Umfange zerstört. Am 14. Oktober 1874 z. B. stürzten bei einem solchen gegen
1000 Häuser ein. Jaworski erlebte hier, am 31. Juli 1878, morgens in der
achten Stunde, ebenfalls ein Erdbeben von mehreren Stößen, welche das Ge¬
bäude, in welchem man die russische Gesandtschaft untergebracht hatte, so heftig
erschütterten, daß die Fenstergewände krachten und die Scheiben klirrten.
Auch berichtet er von einem „Buran" (Orkan), der ihn im Garten des Emirs
überfiel und alles in Staub hüllte. Der Garten war nichts weniger als schön
oder großartig, eher armselig. Einige Gemüsebeete, gewöhnliche und spiral-
oder ringförmig gekrümmte Riesengurken von 4 bis 4^ Fuß Länge, Melonen,
Arbusen und Eierpflanzen, einige Aprikosen-, Pfirsich- und Birnbäume, die letztern
mit den sehr wohlschmeckenden Samarkanderbirnen, und ein kleiner, schlechtge-
pflegter Weinberg, das war so ziemlich alles, was in diesem königlichen Garten
zu finden war. Wir bemerken noch, daß Kabul wegen seiner hohen Lage keine
gesunde Stadt ist, daß der Typhus hier oft epidemisch auftritt, und daß das
Kabuler Fieber weithin gefürchtet wird.




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[0667] Afghanistan und die Afghanen. unternahmen, um Rache für die Niederlage zu üben, die sie das Jahr vorher erlitten, und bei der sie in den Chaiberpäsfen ihr ganzes Heer verloren hatten, in die Luft gesprengt und ist seitdem ein Trümmerhaufe geblieben. Die übrigen öffentlichen Bauten sind nicht von Bedeutung. Auch der Palast des Emirs, der mit der Zitadelle verbunden ist und am südöstlichen Ende der Stadt liegt, hat zwar eine beträchtliche Ausdehnung, aber sonst nichts besonders Merk¬ würdiges, Die Privathäuser sind größtenteils nur als Hütten zu bezeichnen, die enge und krumme, oben mit Matten überspannte Gassen bilden. Die Stadt, welche einst nächst Buchara der Hauptmarkt Zentralasiens war, ist bei den häusigen Kriegen und Unruhen der letzten Jahrzehnte sehr herabgekommen, und was infolge der politischen Zustände und Ereignisse nicht zu gründe ging, wurde vielfach durch natürliche Katastrophen, namentlich durch Erdbeben, die nicht selteu sind und bisweilen mit furchtbarer Gewalt auftreten, in großem Umfange zerstört. Am 14. Oktober 1874 z. B. stürzten bei einem solchen gegen 1000 Häuser ein. Jaworski erlebte hier, am 31. Juli 1878, morgens in der achten Stunde, ebenfalls ein Erdbeben von mehreren Stößen, welche das Ge¬ bäude, in welchem man die russische Gesandtschaft untergebracht hatte, so heftig erschütterten, daß die Fenstergewände krachten und die Scheiben klirrten. Auch berichtet er von einem „Buran" (Orkan), der ihn im Garten des Emirs überfiel und alles in Staub hüllte. Der Garten war nichts weniger als schön oder großartig, eher armselig. Einige Gemüsebeete, gewöhnliche und spiral- oder ringförmig gekrümmte Riesengurken von 4 bis 4^ Fuß Länge, Melonen, Arbusen und Eierpflanzen, einige Aprikosen-, Pfirsich- und Birnbäume, die letztern mit den sehr wohlschmeckenden Samarkanderbirnen, und ein kleiner, schlechtge- pflegter Weinberg, das war so ziemlich alles, was in diesem königlichen Garten zu finden war. Wir bemerken noch, daß Kabul wegen seiner hohen Lage keine gesunde Stadt ist, daß der Typhus hier oft epidemisch auftritt, und daß das Kabuler Fieber weithin gefürchtet wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/667>, abgerufen am 22.07.2024.