Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin Veilchen auf der Wiese stand.

den Fesseln Lilis zu befreien. Am 17. Juli 1775 erschien die Operette, ebenfalls
mit Andrees Musik, auf dem Berliner Theater. Inzwischen scheint auch schon
mit dem Stich begonnen morden zu sein, denn unterm 7. August 1775 erließ
Andree die Einladung zur Subskription auf deu Klavieranszug wie auf die
Stimmen. Der erstere erschien im Frühjahr 1776; die Widmung Andrees an
den Fürsten von Jsenburg ist datirt: "Offenbach, den 16. April 1776."

Die zweite nachweisbare Komposition des "Veilchens" ist nie gedruckt
worden, sie war -- von der Herzogin Amalia. Schon in den ersten Monaten
von Goethes Weimarer Zeit, Anfang des Jahres 1776, scheint auch auf dem
Liebhabertheater des Hofes an eine Aufführung von "Erwin und Elmire" ge¬
dacht worden zu sein. Aber bei der bereits eingetretenen Lockerung seiner
Beziehungen zu Offenbach mag Goethe auf Nudrees Komposition verzichtet
haben, und so lieferte die Herzogin, die sich mehrfach als Kompvuistin versucht
hat. im Frühjahr 1776 neue Musik dazu. Am 16. Mai 1776 wurde die
Operette in Ettersburg probirt, am 24. Mui, am 4. und am 10. Juni auf¬
geführt. Lenz, der damals auch in Weimar war, schrieb über die Komposition
der Herzogin ein verzücktes Gedicht (Teutscher Mercur, 1776, II, S. 197),
das mit den Worten schließt:


Ja ja, Durchlauchtigste, dn zauderst uns Elmircn
In jede wilde Wnstcncy;
Und kann der Dichter uns in seelger Rnscrey
Bis an des Todes Schwelle führein
So führst du uns von da uoch seeliger und lieber
Bis uach Elhsium hinüber.

Aber auch auf andern Theatern hielt man sich nicht an die Musik Andrees.
Dem Gothaischen Theatcrkalender ans das Jahr 1777 beigegeben, also schon

1776 entstanden, ist eine Komposition des "Veilchens," die den Namen Schweitzer
trägt. Der Komponist ist offenbar Anton Schweitzer, der seit 1772 Musik¬
direktor in Weimar gewesen und nach dem Brande des Schlosses mit der
Seilerschen Truppe nach Gotha gegangen war, wo er bis zu seinem Tode (1787)
herzoglicher Kapellmeister war. Auch seine Komposition von "Erwin und Elmire"
ist mit Ausnahme des "Veilchens" ungedruckt gebliebe". Wahrscheinlich ist
sie aber am Gothaischen Theater aufgeführt worden.

Schweitzer hatte jedoch an seinem eignen Theater einen Konkurrenten.
1777 erschien ein Klavierauszug des Singspiels von Carl David Stegmann
im Druck. Stegmann war Schauspieler und Theatersänger, war an vielen
Theatern nacheinander engagirt und hat viel für die Bühne und den Konzert¬
saal komponirt. 1775 war er in Danzig, 1776 in Königsberg, 1777 in Gotha.
Möglicherweise ist seine Komposition in Königsberg aufgeführt worden.

Das "Veilchen" wurde natürlich bald die Lieblingsnummer des ganzen
Singspiels. Wurde doch mit den Veilchen in der Sentimentnlitcits- und in


Gin Veilchen auf der Wiese stand.

den Fesseln Lilis zu befreien. Am 17. Juli 1775 erschien die Operette, ebenfalls
mit Andrees Musik, auf dem Berliner Theater. Inzwischen scheint auch schon
mit dem Stich begonnen morden zu sein, denn unterm 7. August 1775 erließ
Andree die Einladung zur Subskription auf deu Klavieranszug wie auf die
Stimmen. Der erstere erschien im Frühjahr 1776; die Widmung Andrees an
den Fürsten von Jsenburg ist datirt: „Offenbach, den 16. April 1776."

Die zweite nachweisbare Komposition des „Veilchens" ist nie gedruckt
worden, sie war — von der Herzogin Amalia. Schon in den ersten Monaten
von Goethes Weimarer Zeit, Anfang des Jahres 1776, scheint auch auf dem
Liebhabertheater des Hofes an eine Aufführung von „Erwin und Elmire" ge¬
dacht worden zu sein. Aber bei der bereits eingetretenen Lockerung seiner
Beziehungen zu Offenbach mag Goethe auf Nudrees Komposition verzichtet
haben, und so lieferte die Herzogin, die sich mehrfach als Kompvuistin versucht
hat. im Frühjahr 1776 neue Musik dazu. Am 16. Mai 1776 wurde die
Operette in Ettersburg probirt, am 24. Mui, am 4. und am 10. Juni auf¬
geführt. Lenz, der damals auch in Weimar war, schrieb über die Komposition
der Herzogin ein verzücktes Gedicht (Teutscher Mercur, 1776, II, S. 197),
das mit den Worten schließt:


Ja ja, Durchlauchtigste, dn zauderst uns Elmircn
In jede wilde Wnstcncy;
Und kann der Dichter uns in seelger Rnscrey
Bis an des Todes Schwelle führein
So führst du uns von da uoch seeliger und lieber
Bis uach Elhsium hinüber.

Aber auch auf andern Theatern hielt man sich nicht an die Musik Andrees.
Dem Gothaischen Theatcrkalender ans das Jahr 1777 beigegeben, also schon

1776 entstanden, ist eine Komposition des „Veilchens," die den Namen Schweitzer
trägt. Der Komponist ist offenbar Anton Schweitzer, der seit 1772 Musik¬
direktor in Weimar gewesen und nach dem Brande des Schlosses mit der
Seilerschen Truppe nach Gotha gegangen war, wo er bis zu seinem Tode (1787)
herzoglicher Kapellmeister war. Auch seine Komposition von „Erwin und Elmire"
ist mit Ausnahme des „Veilchens" ungedruckt gebliebe». Wahrscheinlich ist
sie aber am Gothaischen Theater aufgeführt worden.

Schweitzer hatte jedoch an seinem eignen Theater einen Konkurrenten.
1777 erschien ein Klavierauszug des Singspiels von Carl David Stegmann
im Druck. Stegmann war Schauspieler und Theatersänger, war an vielen
Theatern nacheinander engagirt und hat viel für die Bühne und den Konzert¬
saal komponirt. 1775 war er in Danzig, 1776 in Königsberg, 1777 in Gotha.
Möglicherweise ist seine Komposition in Königsberg aufgeführt worden.

Das „Veilchen" wurde natürlich bald die Lieblingsnummer des ganzen
Singspiels. Wurde doch mit den Veilchen in der Sentimentnlitcits- und in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0531" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195920"/>
          <fw type="header" place="top"> Gin Veilchen auf der Wiese stand.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1857" prev="#ID_1856"> den Fesseln Lilis zu befreien. Am 17. Juli 1775 erschien die Operette, ebenfalls<lb/>
mit Andrees Musik, auf dem Berliner Theater. Inzwischen scheint auch schon<lb/>
mit dem Stich begonnen morden zu sein, denn unterm 7. August 1775 erließ<lb/>
Andree die Einladung zur Subskription auf deu Klavieranszug wie auf die<lb/>
Stimmen. Der erstere erschien im Frühjahr 1776; die Widmung Andrees an<lb/>
den Fürsten von Jsenburg ist datirt: &#x201E;Offenbach, den 16. April 1776."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1858"> Die zweite nachweisbare Komposition des &#x201E;Veilchens" ist nie gedruckt<lb/>
worden, sie war &#x2014; von der Herzogin Amalia. Schon in den ersten Monaten<lb/>
von Goethes Weimarer Zeit, Anfang des Jahres 1776, scheint auch auf dem<lb/>
Liebhabertheater des Hofes an eine Aufführung von &#x201E;Erwin und Elmire" ge¬<lb/>
dacht worden zu sein. Aber bei der bereits eingetretenen Lockerung seiner<lb/>
Beziehungen zu Offenbach mag Goethe auf Nudrees Komposition verzichtet<lb/>
haben, und so lieferte die Herzogin, die sich mehrfach als Kompvuistin versucht<lb/>
hat. im Frühjahr 1776 neue Musik dazu. Am 16. Mai 1776 wurde die<lb/>
Operette in Ettersburg probirt, am 24. Mui, am 4. und am 10. Juni auf¬<lb/>
geführt. Lenz, der damals auch in Weimar war, schrieb über die Komposition<lb/>
der Herzogin ein verzücktes Gedicht (Teutscher Mercur, 1776, II, S. 197),<lb/>
das mit den Worten schließt:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_7" type="poem">
              <l> Ja ja, Durchlauchtigste, dn zauderst uns Elmircn<lb/>
In jede wilde Wnstcncy;<lb/>
Und kann der Dichter uns in seelger Rnscrey<lb/>
Bis an des Todes Schwelle führein<lb/>
So führst du uns von da uoch seeliger und lieber<lb/>
Bis uach Elhsium hinüber.<lb/></l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1859"> Aber auch auf andern Theatern hielt man sich nicht an die Musik Andrees.<lb/>
Dem Gothaischen Theatcrkalender ans das Jahr 1777 beigegeben, also schon</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1860"> 1776 entstanden, ist eine Komposition des &#x201E;Veilchens," die den Namen Schweitzer<lb/>
trägt. Der Komponist ist offenbar Anton Schweitzer, der seit 1772 Musik¬<lb/>
direktor in Weimar gewesen und nach dem Brande des Schlosses mit der<lb/>
Seilerschen Truppe nach Gotha gegangen war, wo er bis zu seinem Tode (1787)<lb/>
herzoglicher Kapellmeister war. Auch seine Komposition von &#x201E;Erwin und Elmire"<lb/>
ist mit Ausnahme des &#x201E;Veilchens" ungedruckt gebliebe». Wahrscheinlich ist<lb/>
sie aber am Gothaischen Theater aufgeführt worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1861"> Schweitzer hatte jedoch an seinem eignen Theater einen Konkurrenten.<lb/>
1777 erschien ein Klavierauszug des Singspiels von Carl David Stegmann<lb/>
im Druck. Stegmann war Schauspieler und Theatersänger, war an vielen<lb/>
Theatern nacheinander engagirt und hat viel für die Bühne und den Konzert¬<lb/>
saal komponirt. 1775 war er in Danzig, 1776 in Königsberg, 1777 in Gotha.<lb/>
Möglicherweise ist seine Komposition in Königsberg aufgeführt worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1862" next="#ID_1863"> Das &#x201E;Veilchen" wurde natürlich bald die Lieblingsnummer des ganzen<lb/>
Singspiels.  Wurde doch mit den Veilchen in der Sentimentnlitcits- und in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0531] Gin Veilchen auf der Wiese stand. den Fesseln Lilis zu befreien. Am 17. Juli 1775 erschien die Operette, ebenfalls mit Andrees Musik, auf dem Berliner Theater. Inzwischen scheint auch schon mit dem Stich begonnen morden zu sein, denn unterm 7. August 1775 erließ Andree die Einladung zur Subskription auf deu Klavieranszug wie auf die Stimmen. Der erstere erschien im Frühjahr 1776; die Widmung Andrees an den Fürsten von Jsenburg ist datirt: „Offenbach, den 16. April 1776." Die zweite nachweisbare Komposition des „Veilchens" ist nie gedruckt worden, sie war — von der Herzogin Amalia. Schon in den ersten Monaten von Goethes Weimarer Zeit, Anfang des Jahres 1776, scheint auch auf dem Liebhabertheater des Hofes an eine Aufführung von „Erwin und Elmire" ge¬ dacht worden zu sein. Aber bei der bereits eingetretenen Lockerung seiner Beziehungen zu Offenbach mag Goethe auf Nudrees Komposition verzichtet haben, und so lieferte die Herzogin, die sich mehrfach als Kompvuistin versucht hat. im Frühjahr 1776 neue Musik dazu. Am 16. Mai 1776 wurde die Operette in Ettersburg probirt, am 24. Mui, am 4. und am 10. Juni auf¬ geführt. Lenz, der damals auch in Weimar war, schrieb über die Komposition der Herzogin ein verzücktes Gedicht (Teutscher Mercur, 1776, II, S. 197), das mit den Worten schließt: Ja ja, Durchlauchtigste, dn zauderst uns Elmircn In jede wilde Wnstcncy; Und kann der Dichter uns in seelger Rnscrey Bis an des Todes Schwelle führein So führst du uns von da uoch seeliger und lieber Bis uach Elhsium hinüber. Aber auch auf andern Theatern hielt man sich nicht an die Musik Andrees. Dem Gothaischen Theatcrkalender ans das Jahr 1777 beigegeben, also schon 1776 entstanden, ist eine Komposition des „Veilchens," die den Namen Schweitzer trägt. Der Komponist ist offenbar Anton Schweitzer, der seit 1772 Musik¬ direktor in Weimar gewesen und nach dem Brande des Schlosses mit der Seilerschen Truppe nach Gotha gegangen war, wo er bis zu seinem Tode (1787) herzoglicher Kapellmeister war. Auch seine Komposition von „Erwin und Elmire" ist mit Ausnahme des „Veilchens" ungedruckt gebliebe». Wahrscheinlich ist sie aber am Gothaischen Theater aufgeführt worden. Schweitzer hatte jedoch an seinem eignen Theater einen Konkurrenten. 1777 erschien ein Klavierauszug des Singspiels von Carl David Stegmann im Druck. Stegmann war Schauspieler und Theatersänger, war an vielen Theatern nacheinander engagirt und hat viel für die Bühne und den Konzert¬ saal komponirt. 1775 war er in Danzig, 1776 in Königsberg, 1777 in Gotha. Möglicherweise ist seine Komposition in Königsberg aufgeführt worden. Das „Veilchen" wurde natürlich bald die Lieblingsnummer des ganzen Singspiels. Wurde doch mit den Veilchen in der Sentimentnlitcits- und in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/531
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/531>, abgerufen am 22.07.2024.