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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Zur Beruhigung in der Währnngsfrcige.

münzen ins Ausland verdrängte. Daher war es in Amerika geboten, die Silber-
Münze zur Scheidemünze durch einen um sieben Prozent geringeren Münzfuß
zu degradiren und die Goldwährung 1869, wie sie thatsächlich bestand, gesetzlich
zu sanktioniren. Der Sezessionskrieg hatte zur Ausgabe von Greenbacks, auf
Silberdollars lautenden Papiergeld, geführt, welche Staatsschuld sehr regel¬
mäßig getilgt wird. Mittlerweile war aber der Preis des Silbers herunter¬
gegangen, das Gold also zu niedrig tarifirt, sodaß das Gold wieder ausge¬
wandert ist, weil jede Waare den teuersten Markt aufsucht. Es werden nun
seit 1378 in den Vereinigten Staaten auf Grund der Blandbill (auch Alisousches
Gesetz genannr) monatlich mindestens 2, höchstens 4 Millionen Silberdollars
ausgeprägt, wenn auch dieselben uicht alle ausgegeben, ja zu deren Aufhäufung
besondre Gebäude errichtet werden. Man fürchtet mit Recht, daß eine Außer¬
kraftsetzung dieser Blandbill das Silber noch mehr entwerten würde.

Dies der kurze Entwicklungsgang der Währungsfrage in den maßgebenden
Ländern, soweit er zum Verständnis der gegenwärtigen Streitfrage nötig ist.
Es sei mir gestattet, nunmehr die wichtigsten Streitpunkte klarzustellen.

Einverstanden sind wohl alle Deutschen darin, daß unsre neue Münzordnnng
ein wesentlicher Fortschritt ist. Wer, wie der Verfasser, Thüringen seine Heimat
ueiiut, wird sich wohl noch erinnern, welche verschiednen Geldsorten: dreierlei
Pfennige, abgenutzte Drei- und Scchskreuzerstückc, Groschen, österreichische
^4- und 1-Guldenstücke, polnische Zehngroschenstücke, Banknoten von zehn
Thalern an, unsaubere braune, rote und schwarze Thalerscheine, von denen man
selten wußte, ob sie überhaupt oder ob sie noch giltig waren, das gewöhnliche Zahl¬
mittel bildeten, und wie man im günstigsten Falle das Gold erst mit der Gold¬
wage zu prüfen hatte. Für die Beseitigung dieses skandalösen Zustandes sind
wir alle der Reichsregierung dankbar. Auch darin stimmt wohl die Mehrzahl
der Verständigen überein, daß die Silberwähruug sich nicht aufrechterhalten
ließ. Dagegen erheben sich Stimmen, welche den gleichzeitigen Übergang zur
Goldwährung, wenn auch nur zur beschränkten, tadeln. Man hätte also nur
statt der Goldwährung die Doppelwährung wählen können.

Wie umsichtig aber der Bundesrat des Norddeutschen Bundes in der
Münzreform vorging, zeigt sich darin, daß er nach einer vorgenommenen
Enauste folgende drei möglichen Wege mit ihren Folgen angab: 1. Beibehaltung
der Silberwährung mit: ") Verzicht auf gesetzlichen Umlauf der Goldmünzen,
Verzicht ans Herstellung eines einfachen Verhältnisses mit den Müuzshstemen
andrer Nationen; 2. Übergang zur reinen Goldwährung mit: a) Gefahr großer
Verluste, d) Gefahr massenhafter Kündigung bestehender Schuldverpflichtungen,
Kassenrennen, v) Gefahr einer plötzlichen Wertveränderung des zirkulirenden
Silbers; 3. Übergang zur Doppelwährung mit: -z.) allmählicher Beschaffung der
Goldmünzen und deshalb geringen Kosten, b) Beibehaltung der bisherigen
Silbermünzen, v) Möglichkeit einer genauen Konversion der Schuldverbindlich-


Zur Beruhigung in der Währnngsfrcige.

münzen ins Ausland verdrängte. Daher war es in Amerika geboten, die Silber-
Münze zur Scheidemünze durch einen um sieben Prozent geringeren Münzfuß
zu degradiren und die Goldwährung 1869, wie sie thatsächlich bestand, gesetzlich
zu sanktioniren. Der Sezessionskrieg hatte zur Ausgabe von Greenbacks, auf
Silberdollars lautenden Papiergeld, geführt, welche Staatsschuld sehr regel¬
mäßig getilgt wird. Mittlerweile war aber der Preis des Silbers herunter¬
gegangen, das Gold also zu niedrig tarifirt, sodaß das Gold wieder ausge¬
wandert ist, weil jede Waare den teuersten Markt aufsucht. Es werden nun
seit 1378 in den Vereinigten Staaten auf Grund der Blandbill (auch Alisousches
Gesetz genannr) monatlich mindestens 2, höchstens 4 Millionen Silberdollars
ausgeprägt, wenn auch dieselben uicht alle ausgegeben, ja zu deren Aufhäufung
besondre Gebäude errichtet werden. Man fürchtet mit Recht, daß eine Außer¬
kraftsetzung dieser Blandbill das Silber noch mehr entwerten würde.

Dies der kurze Entwicklungsgang der Währungsfrage in den maßgebenden
Ländern, soweit er zum Verständnis der gegenwärtigen Streitfrage nötig ist.
Es sei mir gestattet, nunmehr die wichtigsten Streitpunkte klarzustellen.

Einverstanden sind wohl alle Deutschen darin, daß unsre neue Münzordnnng
ein wesentlicher Fortschritt ist. Wer, wie der Verfasser, Thüringen seine Heimat
ueiiut, wird sich wohl noch erinnern, welche verschiednen Geldsorten: dreierlei
Pfennige, abgenutzte Drei- und Scchskreuzerstückc, Groschen, österreichische
^4- und 1-Guldenstücke, polnische Zehngroschenstücke, Banknoten von zehn
Thalern an, unsaubere braune, rote und schwarze Thalerscheine, von denen man
selten wußte, ob sie überhaupt oder ob sie noch giltig waren, das gewöhnliche Zahl¬
mittel bildeten, und wie man im günstigsten Falle das Gold erst mit der Gold¬
wage zu prüfen hatte. Für die Beseitigung dieses skandalösen Zustandes sind
wir alle der Reichsregierung dankbar. Auch darin stimmt wohl die Mehrzahl
der Verständigen überein, daß die Silberwähruug sich nicht aufrechterhalten
ließ. Dagegen erheben sich Stimmen, welche den gleichzeitigen Übergang zur
Goldwährung, wenn auch nur zur beschränkten, tadeln. Man hätte also nur
statt der Goldwährung die Doppelwährung wählen können.

Wie umsichtig aber der Bundesrat des Norddeutschen Bundes in der
Münzreform vorging, zeigt sich darin, daß er nach einer vorgenommenen
Enauste folgende drei möglichen Wege mit ihren Folgen angab: 1. Beibehaltung
der Silberwährung mit: ») Verzicht auf gesetzlichen Umlauf der Goldmünzen,
Verzicht ans Herstellung eines einfachen Verhältnisses mit den Müuzshstemen
andrer Nationen; 2. Übergang zur reinen Goldwährung mit: a) Gefahr großer
Verluste, d) Gefahr massenhafter Kündigung bestehender Schuldverpflichtungen,
Kassenrennen, v) Gefahr einer plötzlichen Wertveränderung des zirkulirenden
Silbers; 3. Übergang zur Doppelwährung mit: -z.) allmählicher Beschaffung der
Goldmünzen und deshalb geringen Kosten, b) Beibehaltung der bisherigen
Silbermünzen, v) Möglichkeit einer genauen Konversion der Schuldverbindlich-


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[0456] Zur Beruhigung in der Währnngsfrcige. münzen ins Ausland verdrängte. Daher war es in Amerika geboten, die Silber- Münze zur Scheidemünze durch einen um sieben Prozent geringeren Münzfuß zu degradiren und die Goldwährung 1869, wie sie thatsächlich bestand, gesetzlich zu sanktioniren. Der Sezessionskrieg hatte zur Ausgabe von Greenbacks, auf Silberdollars lautenden Papiergeld, geführt, welche Staatsschuld sehr regel¬ mäßig getilgt wird. Mittlerweile war aber der Preis des Silbers herunter¬ gegangen, das Gold also zu niedrig tarifirt, sodaß das Gold wieder ausge¬ wandert ist, weil jede Waare den teuersten Markt aufsucht. Es werden nun seit 1378 in den Vereinigten Staaten auf Grund der Blandbill (auch Alisousches Gesetz genannr) monatlich mindestens 2, höchstens 4 Millionen Silberdollars ausgeprägt, wenn auch dieselben uicht alle ausgegeben, ja zu deren Aufhäufung besondre Gebäude errichtet werden. Man fürchtet mit Recht, daß eine Außer¬ kraftsetzung dieser Blandbill das Silber noch mehr entwerten würde. Dies der kurze Entwicklungsgang der Währungsfrage in den maßgebenden Ländern, soweit er zum Verständnis der gegenwärtigen Streitfrage nötig ist. Es sei mir gestattet, nunmehr die wichtigsten Streitpunkte klarzustellen. Einverstanden sind wohl alle Deutschen darin, daß unsre neue Münzordnnng ein wesentlicher Fortschritt ist. Wer, wie der Verfasser, Thüringen seine Heimat ueiiut, wird sich wohl noch erinnern, welche verschiednen Geldsorten: dreierlei Pfennige, abgenutzte Drei- und Scchskreuzerstückc, Groschen, österreichische ^4- und 1-Guldenstücke, polnische Zehngroschenstücke, Banknoten von zehn Thalern an, unsaubere braune, rote und schwarze Thalerscheine, von denen man selten wußte, ob sie überhaupt oder ob sie noch giltig waren, das gewöhnliche Zahl¬ mittel bildeten, und wie man im günstigsten Falle das Gold erst mit der Gold¬ wage zu prüfen hatte. Für die Beseitigung dieses skandalösen Zustandes sind wir alle der Reichsregierung dankbar. Auch darin stimmt wohl die Mehrzahl der Verständigen überein, daß die Silberwähruug sich nicht aufrechterhalten ließ. Dagegen erheben sich Stimmen, welche den gleichzeitigen Übergang zur Goldwährung, wenn auch nur zur beschränkten, tadeln. Man hätte also nur statt der Goldwährung die Doppelwährung wählen können. Wie umsichtig aber der Bundesrat des Norddeutschen Bundes in der Münzreform vorging, zeigt sich darin, daß er nach einer vorgenommenen Enauste folgende drei möglichen Wege mit ihren Folgen angab: 1. Beibehaltung der Silberwährung mit: ») Verzicht auf gesetzlichen Umlauf der Goldmünzen, Verzicht ans Herstellung eines einfachen Verhältnisses mit den Müuzshstemen andrer Nationen; 2. Übergang zur reinen Goldwährung mit: a) Gefahr großer Verluste, d) Gefahr massenhafter Kündigung bestehender Schuldverpflichtungen, Kassenrennen, v) Gefahr einer plötzlichen Wertveränderung des zirkulirenden Silbers; 3. Übergang zur Doppelwährung mit: -z.) allmählicher Beschaffung der Goldmünzen und deshalb geringen Kosten, b) Beibehaltung der bisherigen Silbermünzen, v) Möglichkeit einer genauen Konversion der Schuldverbindlich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/456>, abgerufen am 22.07.2024.