Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Beruhigung in der Ivährungsfrcige,

Was nun Frankreich anlangt, so besitzt dasselbe seit 1803 die Doppel¬
währung mit dem konstanten gesetzlichen Wertverhältnis von .1. d, h.
wenn jemand 1 Pfund Gold geborgt hat, so darf er statt dessen 15^ Pfund
Silber zurückzahlen. Da nun ein Kulturland sich nicht dem Weltverkehr ver¬
schließen kann, so fand folgendes statt: Sobald auf dem Weltmarkte Gold gegen
Silber ini Werte stieg, so wurde im Ausland Silber gegen Gold eingetauscht,
der Gläubiger mit dem billigern Silber abgefunden und der Rest an Silber
vom Schuldner zurückbehalten. Nun ist aber Geld sehr leicht transportabel,
die Transportkosten sind sehr gering, sodaß schon bei einer geringen Erweite¬
rung des Wertverhältnisses über das gesetzliche von 1:15^ Hinalls ein Aus¬
fließen des Goldes stattfand, die Goldmünzen aus dem innern Verkehr ver¬
schwanden und thatsächlich Silberwührung herrschte. In dem selteneren Falle
des Herabgehens des Goldpreises auf dem Weltmärkte (London) fand dann auch
einmal das Umgekehrte statt, die Fünffraukstücke zirkulirtcn z. B. in Deutsch¬
land, und in Frankreich herrschte thatsächlich Goldwährung. Dieses fatale Hin-
und Herschwanken, wobei stets die Gläubiger Verluste erlitten, war mit die
Veranlassung zur ladinischen oder lateinischen Münzkvnvention, welche Frank¬
reich 1857 mit Griechenland, Italien, der Schweiz und Belgien abschloß, und
welche sich auf die Doppelwährung mit der Wertrelation von 1:15'/z gründet.
Hierdurch wurde einigermaßen das Schwanken zwischen Gold- und Silberpreis
vermindert, indem nämlich das geringwertigere Metall zum Lösen der Schulden
sofort mehr begehrt wurde; aber einerseits hat die latinische Münzkonveution
das allmähliche Herabgehen des Silberpreiscs nicht verhindern können, und
andrerseits ist in den einzelnen Ländern, z. B. in Italien, die Valuta des Papier¬
geldes trotzdem tief gesunken. Als Deutschland sein Silber demonetisirte (des
Charakters als Zahlungsmittel entkleidete), sah sich auch Frankreich veranlaßt, die
Silberprägung einzustellen, welcher Vorgang in Verbindung mit dem stockenden
Abfluß des Silbers nach Ostasien den Silberpreis noch mehr herunterdrückte.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine allgemeine Annahme der Doppelwährung
wieder ein stabileres Wertverhältnis zwischen Gold und Silber herstellen würde,
weil nach dem sinkenden Metall sofort zum Lösen von Schuldverbindungen mehr
Nachfrage sein würde; aber die Frage ist die, ob ohne das den Welthandel be¬
herrschende England ein solcher Schritt wirksam und rätlich ist, und ob der
internationale Vertrag von Dauer sein würde.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben Goldfelder und waren
deshalb vorweg nicht arm an Gold. 1837 wurde die Doppelwährung eingeführt
und zwar mit einem Wertverhältnis von 1:15,99. Das Gold war offenbar
zu hoch tarifirt, nach Soetbeer hat es nämlich in der ersten Hälfte unsers Jahr¬
hunderts 1841 seinen höchsten Stand auf dem Weltmarkte mit 1 : 13,83 inne¬
gehabt. Die Folge davon war, daß das Gold nach den Vereinigten Staaten
strömte, sich den Verkehr eroberte und alle nicht zu sehr abgenutzten Silber-


Zur Beruhigung in der Ivährungsfrcige,

Was nun Frankreich anlangt, so besitzt dasselbe seit 1803 die Doppel¬
währung mit dem konstanten gesetzlichen Wertverhältnis von .1. d, h.
wenn jemand 1 Pfund Gold geborgt hat, so darf er statt dessen 15^ Pfund
Silber zurückzahlen. Da nun ein Kulturland sich nicht dem Weltverkehr ver¬
schließen kann, so fand folgendes statt: Sobald auf dem Weltmarkte Gold gegen
Silber ini Werte stieg, so wurde im Ausland Silber gegen Gold eingetauscht,
der Gläubiger mit dem billigern Silber abgefunden und der Rest an Silber
vom Schuldner zurückbehalten. Nun ist aber Geld sehr leicht transportabel,
die Transportkosten sind sehr gering, sodaß schon bei einer geringen Erweite¬
rung des Wertverhältnisses über das gesetzliche von 1:15^ Hinalls ein Aus¬
fließen des Goldes stattfand, die Goldmünzen aus dem innern Verkehr ver¬
schwanden und thatsächlich Silberwührung herrschte. In dem selteneren Falle
des Herabgehens des Goldpreises auf dem Weltmärkte (London) fand dann auch
einmal das Umgekehrte statt, die Fünffraukstücke zirkulirtcn z. B. in Deutsch¬
land, und in Frankreich herrschte thatsächlich Goldwährung. Dieses fatale Hin-
und Herschwanken, wobei stets die Gläubiger Verluste erlitten, war mit die
Veranlassung zur ladinischen oder lateinischen Münzkvnvention, welche Frank¬
reich 1857 mit Griechenland, Italien, der Schweiz und Belgien abschloß, und
welche sich auf die Doppelwährung mit der Wertrelation von 1:15'/z gründet.
Hierdurch wurde einigermaßen das Schwanken zwischen Gold- und Silberpreis
vermindert, indem nämlich das geringwertigere Metall zum Lösen der Schulden
sofort mehr begehrt wurde; aber einerseits hat die latinische Münzkonveution
das allmähliche Herabgehen des Silberpreiscs nicht verhindern können, und
andrerseits ist in den einzelnen Ländern, z. B. in Italien, die Valuta des Papier¬
geldes trotzdem tief gesunken. Als Deutschland sein Silber demonetisirte (des
Charakters als Zahlungsmittel entkleidete), sah sich auch Frankreich veranlaßt, die
Silberprägung einzustellen, welcher Vorgang in Verbindung mit dem stockenden
Abfluß des Silbers nach Ostasien den Silberpreis noch mehr herunterdrückte.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine allgemeine Annahme der Doppelwährung
wieder ein stabileres Wertverhältnis zwischen Gold und Silber herstellen würde,
weil nach dem sinkenden Metall sofort zum Lösen von Schuldverbindungen mehr
Nachfrage sein würde; aber die Frage ist die, ob ohne das den Welthandel be¬
herrschende England ein solcher Schritt wirksam und rätlich ist, und ob der
internationale Vertrag von Dauer sein würde.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben Goldfelder und waren
deshalb vorweg nicht arm an Gold. 1837 wurde die Doppelwährung eingeführt
und zwar mit einem Wertverhältnis von 1:15,99. Das Gold war offenbar
zu hoch tarifirt, nach Soetbeer hat es nämlich in der ersten Hälfte unsers Jahr¬
hunderts 1841 seinen höchsten Stand auf dem Weltmarkte mit 1 : 13,83 inne¬
gehabt. Die Folge davon war, daß das Gold nach den Vereinigten Staaten
strömte, sich den Verkehr eroberte und alle nicht zu sehr abgenutzten Silber-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195844"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Beruhigung in der Ivährungsfrcige,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1608"> Was nun Frankreich anlangt, so besitzt dasselbe seit 1803 die Doppel¬<lb/>
währung mit dem konstanten gesetzlichen Wertverhältnis von .1. d, h.<lb/>
wenn jemand 1 Pfund Gold geborgt hat, so darf er statt dessen 15^ Pfund<lb/>
Silber zurückzahlen. Da nun ein Kulturland sich nicht dem Weltverkehr ver¬<lb/>
schließen kann, so fand folgendes statt: Sobald auf dem Weltmarkte Gold gegen<lb/>
Silber ini Werte stieg, so wurde im Ausland Silber gegen Gold eingetauscht,<lb/>
der Gläubiger mit dem billigern Silber abgefunden und der Rest an Silber<lb/>
vom Schuldner zurückbehalten. Nun ist aber Geld sehr leicht transportabel,<lb/>
die Transportkosten sind sehr gering, sodaß schon bei einer geringen Erweite¬<lb/>
rung des Wertverhältnisses über das gesetzliche von 1:15^ Hinalls ein Aus¬<lb/>
fließen des Goldes stattfand, die Goldmünzen aus dem innern Verkehr ver¬<lb/>
schwanden und thatsächlich Silberwührung herrschte. In dem selteneren Falle<lb/>
des Herabgehens des Goldpreises auf dem Weltmärkte (London) fand dann auch<lb/>
einmal das Umgekehrte statt, die Fünffraukstücke zirkulirtcn z. B. in Deutsch¬<lb/>
land, und in Frankreich herrschte thatsächlich Goldwährung. Dieses fatale Hin-<lb/>
und Herschwanken, wobei stets die Gläubiger Verluste erlitten, war mit die<lb/>
Veranlassung zur ladinischen oder lateinischen Münzkvnvention, welche Frank¬<lb/>
reich 1857 mit Griechenland, Italien, der Schweiz und Belgien abschloß, und<lb/>
welche sich auf die Doppelwährung mit der Wertrelation von 1:15'/z gründet.<lb/>
Hierdurch wurde einigermaßen das Schwanken zwischen Gold- und Silberpreis<lb/>
vermindert, indem nämlich das geringwertigere Metall zum Lösen der Schulden<lb/>
sofort mehr begehrt wurde; aber einerseits hat die latinische Münzkonveution<lb/>
das allmähliche Herabgehen des Silberpreiscs nicht verhindern können, und<lb/>
andrerseits ist in den einzelnen Ländern, z. B. in Italien, die Valuta des Papier¬<lb/>
geldes trotzdem tief gesunken. Als Deutschland sein Silber demonetisirte (des<lb/>
Charakters als Zahlungsmittel entkleidete), sah sich auch Frankreich veranlaßt, die<lb/>
Silberprägung einzustellen, welcher Vorgang in Verbindung mit dem stockenden<lb/>
Abfluß des Silbers nach Ostasien den Silberpreis noch mehr herunterdrückte.<lb/>
Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine allgemeine Annahme der Doppelwährung<lb/>
wieder ein stabileres Wertverhältnis zwischen Gold und Silber herstellen würde,<lb/>
weil nach dem sinkenden Metall sofort zum Lösen von Schuldverbindungen mehr<lb/>
Nachfrage sein würde; aber die Frage ist die, ob ohne das den Welthandel be¬<lb/>
herrschende England ein solcher Schritt wirksam und rätlich ist, und ob der<lb/>
internationale Vertrag von Dauer sein würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1609" next="#ID_1610"> Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben Goldfelder und waren<lb/>
deshalb vorweg nicht arm an Gold. 1837 wurde die Doppelwährung eingeführt<lb/>
und zwar mit einem Wertverhältnis von 1:15,99. Das Gold war offenbar<lb/>
zu hoch tarifirt, nach Soetbeer hat es nämlich in der ersten Hälfte unsers Jahr¬<lb/>
hunderts 1841 seinen höchsten Stand auf dem Weltmarkte mit 1 : 13,83 inne¬<lb/>
gehabt. Die Folge davon war, daß das Gold nach den Vereinigten Staaten<lb/>
strömte, sich den Verkehr eroberte und alle nicht zu sehr abgenutzten Silber-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0455] Zur Beruhigung in der Ivährungsfrcige, Was nun Frankreich anlangt, so besitzt dasselbe seit 1803 die Doppel¬ währung mit dem konstanten gesetzlichen Wertverhältnis von .1. d, h. wenn jemand 1 Pfund Gold geborgt hat, so darf er statt dessen 15^ Pfund Silber zurückzahlen. Da nun ein Kulturland sich nicht dem Weltverkehr ver¬ schließen kann, so fand folgendes statt: Sobald auf dem Weltmarkte Gold gegen Silber ini Werte stieg, so wurde im Ausland Silber gegen Gold eingetauscht, der Gläubiger mit dem billigern Silber abgefunden und der Rest an Silber vom Schuldner zurückbehalten. Nun ist aber Geld sehr leicht transportabel, die Transportkosten sind sehr gering, sodaß schon bei einer geringen Erweite¬ rung des Wertverhältnisses über das gesetzliche von 1:15^ Hinalls ein Aus¬ fließen des Goldes stattfand, die Goldmünzen aus dem innern Verkehr ver¬ schwanden und thatsächlich Silberwührung herrschte. In dem selteneren Falle des Herabgehens des Goldpreises auf dem Weltmärkte (London) fand dann auch einmal das Umgekehrte statt, die Fünffraukstücke zirkulirtcn z. B. in Deutsch¬ land, und in Frankreich herrschte thatsächlich Goldwährung. Dieses fatale Hin- und Herschwanken, wobei stets die Gläubiger Verluste erlitten, war mit die Veranlassung zur ladinischen oder lateinischen Münzkvnvention, welche Frank¬ reich 1857 mit Griechenland, Italien, der Schweiz und Belgien abschloß, und welche sich auf die Doppelwährung mit der Wertrelation von 1:15'/z gründet. Hierdurch wurde einigermaßen das Schwanken zwischen Gold- und Silberpreis vermindert, indem nämlich das geringwertigere Metall zum Lösen der Schulden sofort mehr begehrt wurde; aber einerseits hat die latinische Münzkonveution das allmähliche Herabgehen des Silberpreiscs nicht verhindern können, und andrerseits ist in den einzelnen Ländern, z. B. in Italien, die Valuta des Papier¬ geldes trotzdem tief gesunken. Als Deutschland sein Silber demonetisirte (des Charakters als Zahlungsmittel entkleidete), sah sich auch Frankreich veranlaßt, die Silberprägung einzustellen, welcher Vorgang in Verbindung mit dem stockenden Abfluß des Silbers nach Ostasien den Silberpreis noch mehr herunterdrückte. Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine allgemeine Annahme der Doppelwährung wieder ein stabileres Wertverhältnis zwischen Gold und Silber herstellen würde, weil nach dem sinkenden Metall sofort zum Lösen von Schuldverbindungen mehr Nachfrage sein würde; aber die Frage ist die, ob ohne das den Welthandel be¬ herrschende England ein solcher Schritt wirksam und rätlich ist, und ob der internationale Vertrag von Dauer sein würde. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben Goldfelder und waren deshalb vorweg nicht arm an Gold. 1837 wurde die Doppelwährung eingeführt und zwar mit einem Wertverhältnis von 1:15,99. Das Gold war offenbar zu hoch tarifirt, nach Soetbeer hat es nämlich in der ersten Hälfte unsers Jahr¬ hunderts 1841 seinen höchsten Stand auf dem Weltmarkte mit 1 : 13,83 inne¬ gehabt. Die Folge davon war, daß das Gold nach den Vereinigten Staaten strömte, sich den Verkehr eroberte und alle nicht zu sehr abgenutzten Silber-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/455
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/455>, abgerufen am 22.07.2024.