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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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zu führen hat -- darin liegt die Bedeutung des Jordanschen Werkes. Ob es
ihm gelungen, Wissenschaft und Christentum so zu versöhnen, wie es das
religiöse Bedürfnis erheischt, daran zweifeln wir.


M. Necker.


Die Entwürfe für das Reichsgerichtsgebäude
in Leipzig.
Adolf Rosenberg. Von

is wir zu Anfang dieses Jahres in diesen Blättern die Frage
aufwarfen: Hat die deutsche Renaissance eine Zukunft? und
darauf mit einem hoffnungslosen Nein! antworten mußten, hätten
wir nicht geglaubt, daß sich in der seither verflossenen kurzen
. Zeit neues Material zusammenfinden würde, welches die Nichtig¬
keit unsrer Antwort bestätigt. Wir hatten damals nicht bloß die Architektur,
sondern auch das Kunstgewerbe ins Auge gefaßt, und insbesondre für letzteres
Gebiet darauf hingewiesen, daß Zeichner, Modelleure, Fabrikanten und laufendes
Publikum über die deutsche Renaissance hinaus in wildem Wettlaufe zum
Barock- und Rokokostil eilen. Ein vorsorglicher Berliner Buchhändler, dessen
Spezialität in der Zusammenstellung von Vorbildersammlungm für Architekten
und Kunsthandwerker besteht, hatte schon vor drei Jahren, als der Enthusiasmus
für die deutsche Renaissance noch in höchster Blüte stand, die inzwischen ein¬
getretene Wandlung des Geschmacks vorausgesehen und in aller Stille ein
Musterbuch für Barock- und Rokokoarchitektur vorbereitet, mit welchem er vor
kurzem auf dem Markte erschienen ist, um einem "tiefgefühlten Bedürfnisse"
sofort abzuhelfen. Die deutsche Renaissance in ihrer modernen Ausbildung ist
übrigens so schnell zum Barockstil hinüberspaziert, daß sich die Architekten,
welche bisher in jener Stilrichtung thätig waren, garnicht einmal Gewalt an¬
zuthun brauchen. Es wiederholt sich dasselbe gedankenlose Spiel mit einer
Formensprache, welche einen völlig modernen Baugedanken ebensowenig aus¬
zudrücken vermag wie jede andre der historisch ausgebildeten und überlieferten.

Die Architektur leidet unter diesem schnellen Umschwunge des Geschmacks
wenigstens nicht materiell, wohl aber das Kunstgewerbe. Wir haben vor einigen
Tagen in der "Vossischen Zeitung" die Stimme eines Bronzewaarenfabrikanten
vernommen, welcher diese rapide Wandlung für die gegenwärtige Notlage seines
Jndustriezweiges verantwortlich machte. Mit großem Aufwands von Geld,


zu führen hat — darin liegt die Bedeutung des Jordanschen Werkes. Ob es
ihm gelungen, Wissenschaft und Christentum so zu versöhnen, wie es das
religiöse Bedürfnis erheischt, daran zweifeln wir.


M. Necker.


Die Entwürfe für das Reichsgerichtsgebäude
in Leipzig.
Adolf Rosenberg. Von

is wir zu Anfang dieses Jahres in diesen Blättern die Frage
aufwarfen: Hat die deutsche Renaissance eine Zukunft? und
darauf mit einem hoffnungslosen Nein! antworten mußten, hätten
wir nicht geglaubt, daß sich in der seither verflossenen kurzen
. Zeit neues Material zusammenfinden würde, welches die Nichtig¬
keit unsrer Antwort bestätigt. Wir hatten damals nicht bloß die Architektur,
sondern auch das Kunstgewerbe ins Auge gefaßt, und insbesondre für letzteres
Gebiet darauf hingewiesen, daß Zeichner, Modelleure, Fabrikanten und laufendes
Publikum über die deutsche Renaissance hinaus in wildem Wettlaufe zum
Barock- und Rokokostil eilen. Ein vorsorglicher Berliner Buchhändler, dessen
Spezialität in der Zusammenstellung von Vorbildersammlungm für Architekten
und Kunsthandwerker besteht, hatte schon vor drei Jahren, als der Enthusiasmus
für die deutsche Renaissance noch in höchster Blüte stand, die inzwischen ein¬
getretene Wandlung des Geschmacks vorausgesehen und in aller Stille ein
Musterbuch für Barock- und Rokokoarchitektur vorbereitet, mit welchem er vor
kurzem auf dem Markte erschienen ist, um einem „tiefgefühlten Bedürfnisse"
sofort abzuhelfen. Die deutsche Renaissance in ihrer modernen Ausbildung ist
übrigens so schnell zum Barockstil hinüberspaziert, daß sich die Architekten,
welche bisher in jener Stilrichtung thätig waren, garnicht einmal Gewalt an¬
zuthun brauchen. Es wiederholt sich dasselbe gedankenlose Spiel mit einer
Formensprache, welche einen völlig modernen Baugedanken ebensowenig aus¬
zudrücken vermag wie jede andre der historisch ausgebildeten und überlieferten.

Die Architektur leidet unter diesem schnellen Umschwunge des Geschmacks
wenigstens nicht materiell, wohl aber das Kunstgewerbe. Wir haben vor einigen
Tagen in der „Vossischen Zeitung" die Stimme eines Bronzewaarenfabrikanten
vernommen, welcher diese rapide Wandlung für die gegenwärtige Notlage seines
Jndustriezweiges verantwortlich machte. Mit großem Aufwands von Geld,


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[0043] zu führen hat — darin liegt die Bedeutung des Jordanschen Werkes. Ob es ihm gelungen, Wissenschaft und Christentum so zu versöhnen, wie es das religiöse Bedürfnis erheischt, daran zweifeln wir. M. Necker. Die Entwürfe für das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig. Adolf Rosenberg. Von is wir zu Anfang dieses Jahres in diesen Blättern die Frage aufwarfen: Hat die deutsche Renaissance eine Zukunft? und darauf mit einem hoffnungslosen Nein! antworten mußten, hätten wir nicht geglaubt, daß sich in der seither verflossenen kurzen . Zeit neues Material zusammenfinden würde, welches die Nichtig¬ keit unsrer Antwort bestätigt. Wir hatten damals nicht bloß die Architektur, sondern auch das Kunstgewerbe ins Auge gefaßt, und insbesondre für letzteres Gebiet darauf hingewiesen, daß Zeichner, Modelleure, Fabrikanten und laufendes Publikum über die deutsche Renaissance hinaus in wildem Wettlaufe zum Barock- und Rokokostil eilen. Ein vorsorglicher Berliner Buchhändler, dessen Spezialität in der Zusammenstellung von Vorbildersammlungm für Architekten und Kunsthandwerker besteht, hatte schon vor drei Jahren, als der Enthusiasmus für die deutsche Renaissance noch in höchster Blüte stand, die inzwischen ein¬ getretene Wandlung des Geschmacks vorausgesehen und in aller Stille ein Musterbuch für Barock- und Rokokoarchitektur vorbereitet, mit welchem er vor kurzem auf dem Markte erschienen ist, um einem „tiefgefühlten Bedürfnisse" sofort abzuhelfen. Die deutsche Renaissance in ihrer modernen Ausbildung ist übrigens so schnell zum Barockstil hinüberspaziert, daß sich die Architekten, welche bisher in jener Stilrichtung thätig waren, garnicht einmal Gewalt an¬ zuthun brauchen. Es wiederholt sich dasselbe gedankenlose Spiel mit einer Formensprache, welche einen völlig modernen Baugedanken ebensowenig aus¬ zudrücken vermag wie jede andre der historisch ausgebildeten und überlieferten. Die Architektur leidet unter diesem schnellen Umschwunge des Geschmacks wenigstens nicht materiell, wohl aber das Kunstgewerbe. Wir haben vor einigen Tagen in der „Vossischen Zeitung" die Stimme eines Bronzewaarenfabrikanten vernommen, welcher diese rapide Wandlung für die gegenwärtige Notlage seines Jndustriezweiges verantwortlich machte. Mit großem Aufwands von Geld,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/43>, abgerufen am 22.07.2024.