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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Reumonrs Erinnerungen.

Wie auch ihr Verhältnis zum modernen Leben auffaßte, zeigen die unter seiner
Mitwirkung ausgeführten Werke, Anstalten und Erwerbungen. Auch hier machte
sich bei ihm die historische Auffassung geltend, wie wir am Naffaelsaal, an den
von Begas u. a. gemalten Bildnissen gelehrter Zeitgenossen und an Hildcbrandts
Palästinensischen Landschaften sehen. Nicht immer war er einverstanden mit
dem, was angekauft worden war. Die Kaulbachschen Wandgemälde, zu deren
Ausführung ihn die Geisterschlacht bewogen hatte, wirkten allerdings auf ihn
ein, aber er scheint nach Reumont Ansichten nicht ferngestanden zu haben, nach
welchen die Kompositionen "weder christlich noch klassisch, sondern im Geiste
Victor Hugos gehalten waren." In Lessings Huß vor dem Konzil "schienen
gewisse Figuren ihm unwürdig. Schlimmer aber stand es mit der Gefangen¬
nehmung des Papstes Paschalis. Er geriet in hellen Zorn über den gespreizten
Theaterkönig, zu welchem Kaiser Heinrich degradirt war.... Herr v. Olfers, der
das Gemälde prcisentircn mußte, hatte einen schweren Stand, der durch den
hohen Preis nicht erleichtert wurde."

Olfers hat während der ganzen Regierungszeit des Königs eine große
Thätigkeit entwickelt und bedeutenden Einfluß auf die Kunstangelegenheiten geübt,
und wenige höhere Beamte haben mit Friedrich Wilhelm persönlich soviel zu
verhandeln und seine eigensten Anschauungen und Absichten zu verwirklichen
gehabt, wie er. Das neue Museum wurde unter seiner Oberleitung gebaut,
das Schinkelsche erheblich umgestaltet. Um sich einen Begriff von der kolossalen
Arbeit zu machen, welche das erstere veranlaßte, braucht man sich nur im all¬
gemeinen zu vergegenwärtigen, was es in seiner Gesamtheit ist. Nur die un¬
ablässigste Sorgfalt in der Ausführung des Details hat hier die Wiedergabe
des umfassenden Gedankens ermöglicht, und wenn Olfers an den Vorstehern
der einzelnen Abteilungen und den ausübenden Künstlern mehr oder minder
geschickte Berater und Gehilfen fand, so ist ihm doch das Verdienst der Lei¬
tung des Ganzen nach den Ideen des Königs ungeschmälert zuzuerkennen. Die
kräftigste Unterstützung fand er dabei an Slüter, dem Architekten, von welchem
Reumont sagt: "Sein eigner Reichtum an Ideen und Kenntnissen wetteiferte
bei seiner wahrhaft außerordentlichen Thätigkeit auf dem Gebiete des Bauwesens
mit dem seines königlichen Herrn, und wenige haben gleich ihm die Gabe be¬
sessen, nicht etwa bloß für ihre Bauentwürfe von der Lokalität Vorteil zu ziehen,
sondern die Ungunst von Lokalitäten in einer Weise zu überwinden, daß sie
sogar zu anmutigen Erfindungen Anlaß boten." Man hat ihm Eklektizismus,
zu große Hinneigung zum malerischen Prinzip und Übermaß in der Dekoration
vorgeworfen. Aber Reumont meint, der erste Tadel treffe ihn kaum, da die
ihm gewordenen Aufgaben die Anwendung verschiedner Stilgattungen bedingt
Hütten.

Wenn man bedenkt, daß unter Friedrich Wilhelms Regierung etwa dreihundert
Kirchen erbaut oder erneuert worden sind, und daß ein Drittel davon nach Stiller-


Reumonrs Erinnerungen.

Wie auch ihr Verhältnis zum modernen Leben auffaßte, zeigen die unter seiner
Mitwirkung ausgeführten Werke, Anstalten und Erwerbungen. Auch hier machte
sich bei ihm die historische Auffassung geltend, wie wir am Naffaelsaal, an den
von Begas u. a. gemalten Bildnissen gelehrter Zeitgenossen und an Hildcbrandts
Palästinensischen Landschaften sehen. Nicht immer war er einverstanden mit
dem, was angekauft worden war. Die Kaulbachschen Wandgemälde, zu deren
Ausführung ihn die Geisterschlacht bewogen hatte, wirkten allerdings auf ihn
ein, aber er scheint nach Reumont Ansichten nicht ferngestanden zu haben, nach
welchen die Kompositionen „weder christlich noch klassisch, sondern im Geiste
Victor Hugos gehalten waren." In Lessings Huß vor dem Konzil „schienen
gewisse Figuren ihm unwürdig. Schlimmer aber stand es mit der Gefangen¬
nehmung des Papstes Paschalis. Er geriet in hellen Zorn über den gespreizten
Theaterkönig, zu welchem Kaiser Heinrich degradirt war.... Herr v. Olfers, der
das Gemälde prcisentircn mußte, hatte einen schweren Stand, der durch den
hohen Preis nicht erleichtert wurde."

Olfers hat während der ganzen Regierungszeit des Königs eine große
Thätigkeit entwickelt und bedeutenden Einfluß auf die Kunstangelegenheiten geübt,
und wenige höhere Beamte haben mit Friedrich Wilhelm persönlich soviel zu
verhandeln und seine eigensten Anschauungen und Absichten zu verwirklichen
gehabt, wie er. Das neue Museum wurde unter seiner Oberleitung gebaut,
das Schinkelsche erheblich umgestaltet. Um sich einen Begriff von der kolossalen
Arbeit zu machen, welche das erstere veranlaßte, braucht man sich nur im all¬
gemeinen zu vergegenwärtigen, was es in seiner Gesamtheit ist. Nur die un¬
ablässigste Sorgfalt in der Ausführung des Details hat hier die Wiedergabe
des umfassenden Gedankens ermöglicht, und wenn Olfers an den Vorstehern
der einzelnen Abteilungen und den ausübenden Künstlern mehr oder minder
geschickte Berater und Gehilfen fand, so ist ihm doch das Verdienst der Lei¬
tung des Ganzen nach den Ideen des Königs ungeschmälert zuzuerkennen. Die
kräftigste Unterstützung fand er dabei an Slüter, dem Architekten, von welchem
Reumont sagt: „Sein eigner Reichtum an Ideen und Kenntnissen wetteiferte
bei seiner wahrhaft außerordentlichen Thätigkeit auf dem Gebiete des Bauwesens
mit dem seines königlichen Herrn, und wenige haben gleich ihm die Gabe be¬
sessen, nicht etwa bloß für ihre Bauentwürfe von der Lokalität Vorteil zu ziehen,
sondern die Ungunst von Lokalitäten in einer Weise zu überwinden, daß sie
sogar zu anmutigen Erfindungen Anlaß boten." Man hat ihm Eklektizismus,
zu große Hinneigung zum malerischen Prinzip und Übermaß in der Dekoration
vorgeworfen. Aber Reumont meint, der erste Tadel treffe ihn kaum, da die
ihm gewordenen Aufgaben die Anwendung verschiedner Stilgattungen bedingt
Hütten.

Wenn man bedenkt, daß unter Friedrich Wilhelms Regierung etwa dreihundert
Kirchen erbaut oder erneuert worden sind, und daß ein Drittel davon nach Stiller-


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[0404] Reumonrs Erinnerungen. Wie auch ihr Verhältnis zum modernen Leben auffaßte, zeigen die unter seiner Mitwirkung ausgeführten Werke, Anstalten und Erwerbungen. Auch hier machte sich bei ihm die historische Auffassung geltend, wie wir am Naffaelsaal, an den von Begas u. a. gemalten Bildnissen gelehrter Zeitgenossen und an Hildcbrandts Palästinensischen Landschaften sehen. Nicht immer war er einverstanden mit dem, was angekauft worden war. Die Kaulbachschen Wandgemälde, zu deren Ausführung ihn die Geisterschlacht bewogen hatte, wirkten allerdings auf ihn ein, aber er scheint nach Reumont Ansichten nicht ferngestanden zu haben, nach welchen die Kompositionen „weder christlich noch klassisch, sondern im Geiste Victor Hugos gehalten waren." In Lessings Huß vor dem Konzil „schienen gewisse Figuren ihm unwürdig. Schlimmer aber stand es mit der Gefangen¬ nehmung des Papstes Paschalis. Er geriet in hellen Zorn über den gespreizten Theaterkönig, zu welchem Kaiser Heinrich degradirt war.... Herr v. Olfers, der das Gemälde prcisentircn mußte, hatte einen schweren Stand, der durch den hohen Preis nicht erleichtert wurde." Olfers hat während der ganzen Regierungszeit des Königs eine große Thätigkeit entwickelt und bedeutenden Einfluß auf die Kunstangelegenheiten geübt, und wenige höhere Beamte haben mit Friedrich Wilhelm persönlich soviel zu verhandeln und seine eigensten Anschauungen und Absichten zu verwirklichen gehabt, wie er. Das neue Museum wurde unter seiner Oberleitung gebaut, das Schinkelsche erheblich umgestaltet. Um sich einen Begriff von der kolossalen Arbeit zu machen, welche das erstere veranlaßte, braucht man sich nur im all¬ gemeinen zu vergegenwärtigen, was es in seiner Gesamtheit ist. Nur die un¬ ablässigste Sorgfalt in der Ausführung des Details hat hier die Wiedergabe des umfassenden Gedankens ermöglicht, und wenn Olfers an den Vorstehern der einzelnen Abteilungen und den ausübenden Künstlern mehr oder minder geschickte Berater und Gehilfen fand, so ist ihm doch das Verdienst der Lei¬ tung des Ganzen nach den Ideen des Königs ungeschmälert zuzuerkennen. Die kräftigste Unterstützung fand er dabei an Slüter, dem Architekten, von welchem Reumont sagt: „Sein eigner Reichtum an Ideen und Kenntnissen wetteiferte bei seiner wahrhaft außerordentlichen Thätigkeit auf dem Gebiete des Bauwesens mit dem seines königlichen Herrn, und wenige haben gleich ihm die Gabe be¬ sessen, nicht etwa bloß für ihre Bauentwürfe von der Lokalität Vorteil zu ziehen, sondern die Ungunst von Lokalitäten in einer Weise zu überwinden, daß sie sogar zu anmutigen Erfindungen Anlaß boten." Man hat ihm Eklektizismus, zu große Hinneigung zum malerischen Prinzip und Übermaß in der Dekoration vorgeworfen. Aber Reumont meint, der erste Tadel treffe ihn kaum, da die ihm gewordenen Aufgaben die Anwendung verschiedner Stilgattungen bedingt Hütten. Wenn man bedenkt, daß unter Friedrich Wilhelms Regierung etwa dreihundert Kirchen erbaut oder erneuert worden sind, und daß ein Drittel davon nach Stiller-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/404>, abgerufen am 22.07.2024.