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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Ansdnicksmittel der Baukunst.

Verschlingen, Wie ein Augenblick fliegt der Tag vorüber -- leer, ziellos, farblos,
Kaum hast du aufgeschaut -- schon legst du von neuem dich nieder. Du hast
weder Lust zum Leben noch ein Recht darauf. Nichts bleibt zu thun, nichts
zu wünschen, nichts zu erwarten." Es sind in der That nur vorübergehende
Stimmungen, die in solchen Worten zum Durchbruch kommen. Turgenjew war
zu harmonisch angelegt, seine äußern Geschicke verliefen zu heiter und sonnig,
als daß auf die Dauer das graue Gespenst des Überdrusses am Dasein sich in
seinem Gemüte hätte einnisten können. (Fortsetzung folgt.)




Die Ausdrucksmittel der Baukunst.

u einigen Sätzen des im 14. Hefte der Grenzboten veröffentlichten
Artikels über die Entwürfe für das Neichsgerichtsgebäude in
Leipzig möchte ich mir im nachfolgenden ein paar Anmerkungen
erlauben.
"Wenn man von uns verlangte, sagt der Verfasser jenes
Artikels, diejenigen Charakterzüge, welche notwendig sind, um den Gedanken des
Reichsgerichts zu einer sinnlichen Erscheinung zu bringen sin architektonischer
Forms, durch das Wort oder eine graphische Darstellung zu formuliren, so
würden wir in Verlegenheit geraten." Das Schwierige dabei, bemerkt er dann
weiter, liege hauptsächlich in der Neuheit der Aufgabe. Wie aber steht es
mit der Aufgabe selbst, mit dem, was als solche bezeichnet wird, mit der
Forderung, den "Gedanken des Reichsgerichts" architektonisch zur Erscheinung
zu bringen? In einer Besprechung jeuer Entwürfe, die das "Leipziger Tageblatt"
brachte, hieß es in ähnlichem Sinne, daß das "herzustellende Bauwerk" -- aller¬
dings "sozusagen" -- "die Versinnlichung und architektonische Verkörperung der
Idee des Rechts und der Rechtsprechung sein solle." Ich denke, die Idee des
Rechtes oder den speziellen Gedanken des Reichsgerichts architektonisch auszu¬
drücken, ist ebenso unmöglich, wie es unmöglich ist, diese Idee oder diesen Ge¬
danken musikalisch zu versinnlichen.

Vielleicht macht man sogleich den Einwand, die Forderung, um die es sich
hier handelt, werde e-nur g-r-M" sglis zu verstehen sein. Den Gedanken des
Reichsgerichts architektonisch zur Erscheinung bringen, solle wohl nichts andres
heißen, als das Reichsgerichtsgebäude derart gestalten, daß seine ganze Er-
scheinung einen der Bestimmung desselben entsprechenden Eindruck mache. In


Grenzboten II. 1885. 46
Die Ansdnicksmittel der Baukunst.

Verschlingen, Wie ein Augenblick fliegt der Tag vorüber — leer, ziellos, farblos,
Kaum hast du aufgeschaut — schon legst du von neuem dich nieder. Du hast
weder Lust zum Leben noch ein Recht darauf. Nichts bleibt zu thun, nichts
zu wünschen, nichts zu erwarten." Es sind in der That nur vorübergehende
Stimmungen, die in solchen Worten zum Durchbruch kommen. Turgenjew war
zu harmonisch angelegt, seine äußern Geschicke verliefen zu heiter und sonnig,
als daß auf die Dauer das graue Gespenst des Überdrusses am Dasein sich in
seinem Gemüte hätte einnisten können. (Fortsetzung folgt.)




Die Ausdrucksmittel der Baukunst.

u einigen Sätzen des im 14. Hefte der Grenzboten veröffentlichten
Artikels über die Entwürfe für das Neichsgerichtsgebäude in
Leipzig möchte ich mir im nachfolgenden ein paar Anmerkungen
erlauben.
„Wenn man von uns verlangte, sagt der Verfasser jenes
Artikels, diejenigen Charakterzüge, welche notwendig sind, um den Gedanken des
Reichsgerichts zu einer sinnlichen Erscheinung zu bringen sin architektonischer
Forms, durch das Wort oder eine graphische Darstellung zu formuliren, so
würden wir in Verlegenheit geraten." Das Schwierige dabei, bemerkt er dann
weiter, liege hauptsächlich in der Neuheit der Aufgabe. Wie aber steht es
mit der Aufgabe selbst, mit dem, was als solche bezeichnet wird, mit der
Forderung, den „Gedanken des Reichsgerichts" architektonisch zur Erscheinung
zu bringen? In einer Besprechung jeuer Entwürfe, die das „Leipziger Tageblatt"
brachte, hieß es in ähnlichem Sinne, daß das „herzustellende Bauwerk" — aller¬
dings „sozusagen" — „die Versinnlichung und architektonische Verkörperung der
Idee des Rechts und der Rechtsprechung sein solle." Ich denke, die Idee des
Rechtes oder den speziellen Gedanken des Reichsgerichts architektonisch auszu¬
drücken, ist ebenso unmöglich, wie es unmöglich ist, diese Idee oder diesen Ge¬
danken musikalisch zu versinnlichen.

Vielleicht macht man sogleich den Einwand, die Forderung, um die es sich
hier handelt, werde e-nur g-r-M» sglis zu verstehen sein. Den Gedanken des
Reichsgerichts architektonisch zur Erscheinung bringen, solle wohl nichts andres
heißen, als das Reichsgerichtsgebäude derart gestalten, daß seine ganze Er-
scheinung einen der Bestimmung desselben entsprechenden Eindruck mache. In


Grenzboten II. 1885. 46
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[0366] Die Ansdnicksmittel der Baukunst. Verschlingen, Wie ein Augenblick fliegt der Tag vorüber — leer, ziellos, farblos, Kaum hast du aufgeschaut — schon legst du von neuem dich nieder. Du hast weder Lust zum Leben noch ein Recht darauf. Nichts bleibt zu thun, nichts zu wünschen, nichts zu erwarten." Es sind in der That nur vorübergehende Stimmungen, die in solchen Worten zum Durchbruch kommen. Turgenjew war zu harmonisch angelegt, seine äußern Geschicke verliefen zu heiter und sonnig, als daß auf die Dauer das graue Gespenst des Überdrusses am Dasein sich in seinem Gemüte hätte einnisten können. (Fortsetzung folgt.) Die Ausdrucksmittel der Baukunst. u einigen Sätzen des im 14. Hefte der Grenzboten veröffentlichten Artikels über die Entwürfe für das Neichsgerichtsgebäude in Leipzig möchte ich mir im nachfolgenden ein paar Anmerkungen erlauben. „Wenn man von uns verlangte, sagt der Verfasser jenes Artikels, diejenigen Charakterzüge, welche notwendig sind, um den Gedanken des Reichsgerichts zu einer sinnlichen Erscheinung zu bringen sin architektonischer Forms, durch das Wort oder eine graphische Darstellung zu formuliren, so würden wir in Verlegenheit geraten." Das Schwierige dabei, bemerkt er dann weiter, liege hauptsächlich in der Neuheit der Aufgabe. Wie aber steht es mit der Aufgabe selbst, mit dem, was als solche bezeichnet wird, mit der Forderung, den „Gedanken des Reichsgerichts" architektonisch zur Erscheinung zu bringen? In einer Besprechung jeuer Entwürfe, die das „Leipziger Tageblatt" brachte, hieß es in ähnlichem Sinne, daß das „herzustellende Bauwerk" — aller¬ dings „sozusagen" — „die Versinnlichung und architektonische Verkörperung der Idee des Rechts und der Rechtsprechung sein solle." Ich denke, die Idee des Rechtes oder den speziellen Gedanken des Reichsgerichts architektonisch auszu¬ drücken, ist ebenso unmöglich, wie es unmöglich ist, diese Idee oder diesen Ge¬ danken musikalisch zu versinnlichen. Vielleicht macht man sogleich den Einwand, die Forderung, um die es sich hier handelt, werde e-nur g-r-M» sglis zu verstehen sein. Den Gedanken des Reichsgerichts architektonisch zur Erscheinung bringen, solle wohl nichts andres heißen, als das Reichsgerichtsgebäude derart gestalten, daß seine ganze Er- scheinung einen der Bestimmung desselben entsprechenden Eindruck mache. In Grenzboten II. 1885. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/366>, abgerufen am 22.07.2024.