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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Fromme Wünsche in akademischen Angelegenheiten.

besonders an kleinen Universitäten, wo die Fakultäten, wo die glücklichen Be¬
sitzer von Stellen und zahlenden Zuhörern den sich dazu Meldenden in der
Regel ganz wie die Meister der alten Zunft von vornherein mit scheelen
Augen, als jemand, der ihre Einnahmen schmälern, ihr Licht einmal verdunkeln,
ihren Einfluß schwächen kann, betrachten und ihn demgemäß behandeln, wozu
unsre Schrift Beispiele anführt, die sehr ergötzlich sein würden, wenn die Be¬
weggründe der Betreffenden nicht gar zu sehr nach dem Brotkörbe und Geld¬
beutel schmeckten. Hat der Dozent die Habilitation überwunden, bei der von
den Ordinarien nur selten die Absicht verfolgt wird, eine streitige wissenschaft¬
liche Frage zu klären, so werden gegen den Wehrlosen andre Liebenswürdig¬
keiten ins Werk gesetzt, die seine Thätigkeit hemmen. Fast bei jeder Vorlesung,
die er halten möchte, tritt ihm ein Ordinarius in deu Weg. Der hat über
diesen Gegenstand erst vor kurzer Zeit selbst gelesen, der will im nächsten Se¬
mester darüber ein Kolleg ankündigen, der kann den gewünschten Hörsaal oder
die gewünschte Stunde nicht missen. Man warnt sogar privatim vor der Vor¬
lesung, zuckt die Achseln, erklärt sie für überflüssig und dergleichen. Man giebt
über den unwillkommenen Nebenbuhler in Fakultät oder Senat geringschätzige
Urteile ab, die sich, wie der Verfasser mit mehreren Beispielen belegt, später,
wenn derselbe seine Thätigkeit einer andern Hochschule widmet, meist nicht be¬
stätigen. Gut ist es, wenn der junge Dozent Vermögen auszuweisen hat; er
wird dann nicht leicht dnrch viel Lesen gefährlich werden und keine pekuniären
Anforderungen stellen, die unbequem sind. Ist er unbemittelt, so muß er sich
als fleißiger Tänzer und ors-Itro et<z xIs,iÄr empfehlen, einer einflußreichen Frau
Professorin oder Dekauin den Hof machen oder -- das untrüglichste Mittel
zum Weiterkommen -- die Tochter eines hochmögenden Professors heiraten.
"Gewiß giebt es an den deutschen Hochschulen mehrere Dutzend Schwiegersöhne,
welche allein durch die Macht des Schwiegervaters Professoren geworden sind
oder doch schnellere Karriere gemacht haben, als dies sonst der Fall gewesen
wäre." Versäumt der Dozent diese Manöver, so wird er bald inne, was es
bedeutet, wenn man vom "akademischen Parkettboden" und von der "dornen¬
vollen akademischen Karriere" spricht. Nicht sowohl Wissen und Fleiß als so¬
ziale Fähigkeit und sozialen Eifer verlangt man von ihm. Schreibt er viel, so ist's
der Fakultät zuviel, schreibt er wenig, so vermißt man wissenschaftliche Streb¬
samkeit. Liest er viel, so darf nach ihrer Meümng der akademische Lehrer nicht
bloß pädagogisch thätig sein, liest er wenig, so scheint es ihm an pädagogischer
Befähigung zu gebrechen. Hat er viele Zuhörer, so klagt man, er lese nur für
die Masse, hat er wenig, so kann man "mit Bedauern bei ihm keine akademischen
Erfolge konstatiren."

Sehr lesenswert Und durchaus wohlbegründet ist, was der Verfasser über
Berufungen und Scheinberufungen sagt. Der Ruf, der an den Dozenten von
auswärts ergeht, ist heute so wichtig, daß an manchen Hochschulen für jüngere


Fromme Wünsche in akademischen Angelegenheiten.

besonders an kleinen Universitäten, wo die Fakultäten, wo die glücklichen Be¬
sitzer von Stellen und zahlenden Zuhörern den sich dazu Meldenden in der
Regel ganz wie die Meister der alten Zunft von vornherein mit scheelen
Augen, als jemand, der ihre Einnahmen schmälern, ihr Licht einmal verdunkeln,
ihren Einfluß schwächen kann, betrachten und ihn demgemäß behandeln, wozu
unsre Schrift Beispiele anführt, die sehr ergötzlich sein würden, wenn die Be¬
weggründe der Betreffenden nicht gar zu sehr nach dem Brotkörbe und Geld¬
beutel schmeckten. Hat der Dozent die Habilitation überwunden, bei der von
den Ordinarien nur selten die Absicht verfolgt wird, eine streitige wissenschaft¬
liche Frage zu klären, so werden gegen den Wehrlosen andre Liebenswürdig¬
keiten ins Werk gesetzt, die seine Thätigkeit hemmen. Fast bei jeder Vorlesung,
die er halten möchte, tritt ihm ein Ordinarius in deu Weg. Der hat über
diesen Gegenstand erst vor kurzer Zeit selbst gelesen, der will im nächsten Se¬
mester darüber ein Kolleg ankündigen, der kann den gewünschten Hörsaal oder
die gewünschte Stunde nicht missen. Man warnt sogar privatim vor der Vor¬
lesung, zuckt die Achseln, erklärt sie für überflüssig und dergleichen. Man giebt
über den unwillkommenen Nebenbuhler in Fakultät oder Senat geringschätzige
Urteile ab, die sich, wie der Verfasser mit mehreren Beispielen belegt, später,
wenn derselbe seine Thätigkeit einer andern Hochschule widmet, meist nicht be¬
stätigen. Gut ist es, wenn der junge Dozent Vermögen auszuweisen hat; er
wird dann nicht leicht dnrch viel Lesen gefährlich werden und keine pekuniären
Anforderungen stellen, die unbequem sind. Ist er unbemittelt, so muß er sich
als fleißiger Tänzer und ors-Itro et<z xIs,iÄr empfehlen, einer einflußreichen Frau
Professorin oder Dekauin den Hof machen oder — das untrüglichste Mittel
zum Weiterkommen — die Tochter eines hochmögenden Professors heiraten.
„Gewiß giebt es an den deutschen Hochschulen mehrere Dutzend Schwiegersöhne,
welche allein durch die Macht des Schwiegervaters Professoren geworden sind
oder doch schnellere Karriere gemacht haben, als dies sonst der Fall gewesen
wäre." Versäumt der Dozent diese Manöver, so wird er bald inne, was es
bedeutet, wenn man vom „akademischen Parkettboden" und von der „dornen¬
vollen akademischen Karriere" spricht. Nicht sowohl Wissen und Fleiß als so¬
ziale Fähigkeit und sozialen Eifer verlangt man von ihm. Schreibt er viel, so ist's
der Fakultät zuviel, schreibt er wenig, so vermißt man wissenschaftliche Streb¬
samkeit. Liest er viel, so darf nach ihrer Meümng der akademische Lehrer nicht
bloß pädagogisch thätig sein, liest er wenig, so scheint es ihm an pädagogischer
Befähigung zu gebrechen. Hat er viele Zuhörer, so klagt man, er lese nur für
die Masse, hat er wenig, so kann man „mit Bedauern bei ihm keine akademischen
Erfolge konstatiren."

Sehr lesenswert Und durchaus wohlbegründet ist, was der Verfasser über
Berufungen und Scheinberufungen sagt. Der Ruf, der an den Dozenten von
auswärts ergeht, ist heute so wichtig, daß an manchen Hochschulen für jüngere


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[0321] Fromme Wünsche in akademischen Angelegenheiten. besonders an kleinen Universitäten, wo die Fakultäten, wo die glücklichen Be¬ sitzer von Stellen und zahlenden Zuhörern den sich dazu Meldenden in der Regel ganz wie die Meister der alten Zunft von vornherein mit scheelen Augen, als jemand, der ihre Einnahmen schmälern, ihr Licht einmal verdunkeln, ihren Einfluß schwächen kann, betrachten und ihn demgemäß behandeln, wozu unsre Schrift Beispiele anführt, die sehr ergötzlich sein würden, wenn die Be¬ weggründe der Betreffenden nicht gar zu sehr nach dem Brotkörbe und Geld¬ beutel schmeckten. Hat der Dozent die Habilitation überwunden, bei der von den Ordinarien nur selten die Absicht verfolgt wird, eine streitige wissenschaft¬ liche Frage zu klären, so werden gegen den Wehrlosen andre Liebenswürdig¬ keiten ins Werk gesetzt, die seine Thätigkeit hemmen. Fast bei jeder Vorlesung, die er halten möchte, tritt ihm ein Ordinarius in deu Weg. Der hat über diesen Gegenstand erst vor kurzer Zeit selbst gelesen, der will im nächsten Se¬ mester darüber ein Kolleg ankündigen, der kann den gewünschten Hörsaal oder die gewünschte Stunde nicht missen. Man warnt sogar privatim vor der Vor¬ lesung, zuckt die Achseln, erklärt sie für überflüssig und dergleichen. Man giebt über den unwillkommenen Nebenbuhler in Fakultät oder Senat geringschätzige Urteile ab, die sich, wie der Verfasser mit mehreren Beispielen belegt, später, wenn derselbe seine Thätigkeit einer andern Hochschule widmet, meist nicht be¬ stätigen. Gut ist es, wenn der junge Dozent Vermögen auszuweisen hat; er wird dann nicht leicht dnrch viel Lesen gefährlich werden und keine pekuniären Anforderungen stellen, die unbequem sind. Ist er unbemittelt, so muß er sich als fleißiger Tänzer und ors-Itro et<z xIs,iÄr empfehlen, einer einflußreichen Frau Professorin oder Dekauin den Hof machen oder — das untrüglichste Mittel zum Weiterkommen — die Tochter eines hochmögenden Professors heiraten. „Gewiß giebt es an den deutschen Hochschulen mehrere Dutzend Schwiegersöhne, welche allein durch die Macht des Schwiegervaters Professoren geworden sind oder doch schnellere Karriere gemacht haben, als dies sonst der Fall gewesen wäre." Versäumt der Dozent diese Manöver, so wird er bald inne, was es bedeutet, wenn man vom „akademischen Parkettboden" und von der „dornen¬ vollen akademischen Karriere" spricht. Nicht sowohl Wissen und Fleiß als so¬ ziale Fähigkeit und sozialen Eifer verlangt man von ihm. Schreibt er viel, so ist's der Fakultät zuviel, schreibt er wenig, so vermißt man wissenschaftliche Streb¬ samkeit. Liest er viel, so darf nach ihrer Meümng der akademische Lehrer nicht bloß pädagogisch thätig sein, liest er wenig, so scheint es ihm an pädagogischer Befähigung zu gebrechen. Hat er viele Zuhörer, so klagt man, er lese nur für die Masse, hat er wenig, so kann man „mit Bedauern bei ihm keine akademischen Erfolge konstatiren." Sehr lesenswert Und durchaus wohlbegründet ist, was der Verfasser über Berufungen und Scheinberufungen sagt. Der Ruf, der an den Dozenten von auswärts ergeht, ist heute so wichtig, daß an manchen Hochschulen für jüngere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/321>, abgerufen am 22.07.2024.