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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Portfähigkeit der ausländischen Fischwaaren fällt mit ihrer großen Konsumtivns-
fähigkeit im binnenländischen und Exportverkehr zusammen. Das Versicherungs¬
wesen -- für den Fall des Zustandekommens eines genügenden Großbetriebes
nach dem Beispiel des jetzt angestrebten Assekuranzverbandes in der Seeschifffahrt
als genossenschaftliche Organisation -- müßte sodann in großem Umfange dem
Fischereigewerbe dienstbar gemacht werden. Wie groß das Risiko in seinem
Betriebe von Verlusten durch elementare Schädigung sein kann, wird man ans
den Kosten eines Fischereifahrzeuges ersehen können: ein gewöhnlicher Herings-
lvgger kostet 25--60 000 Mark, seine Ausrüstung zum Schleppnetzfischen dazu
ungefähr 7000 Mark, ein Netz, deren zwei für jedes Boot notwendig sind,
ungefähr 10000 Mark. Summa: ungefähr 42--47 000 Mark.

Zum Schluß möchten wir noch ein Wort für die Begründung von Fischerei-
schulen einlegen, die bis jetzt nicht existiren, uns aber bei dem augenscheinlichen
Jutelligeuzmangel unsrer Fischer als ein Ding von Wichtigkeit erscheinen. Für
die ackerbauende Bevölkerung sind Fachschulen aller Grade geschaffen worden, und
man hält sich, soviel wir wissen, von einem guten Zweck und Nutzen dieser Anstalten
jetzt auch in der arbeitenden Landbevölkerung selbst überzeugt. Allerdings besitzt
die Fischerei einen gewissen Ersatz des fehlenden Lehrmittels in den Zirkularen
des deutschen Fischereivereins; aber wenn man weiß, mit welchem ungeheuern
Mißtrauen unsre Fischer diese Belehrungen hinnehmen, und wie sie eher bemüht
sind, das gerade Gegenteil von dem zu thun, was ihnen geraten wird, dann
sollte man umsomehr nu die Gründung vou Fischereischuleu denken. Die Jünger
des Gewerbes würden hier frühzeitig zur Überlegung und damit zum Verzicht
auf ihre alte Starrköpfigkeit angehalten werden. Unsre Landleute alten Schlages
haben anfangs auch den neuen Lehren der Landwirtschaft nichts andres als
Mißtrauen und Vorurteil entgegengebracht, und wenn jetzt das Licht der wissen¬
schaftlichen Forschung allmählich auch in die Köpfe der kleinen Praktiker ge¬
drungen ist, so darf man diesen Erfolg wohl zum großen Teile der vermit¬
telnden Wirksamkeit der zahlreichen Ackerbanschulen und ähnlichen Fachanstalten
zuschreiben.

Diese Beispiele besserungsbedürftiger Zustände konnten noch vielfach ver¬
mehrt werden. Es genügt für den Zweck dieser Darstellung, konstatirt zu
haben, daß das deutsche Seesischereigewerbe zur Zeit weniger an einer Be¬
drängnis von außen als an innern schweren Gebrechen krankt, um damit die
Aufmerksamkeit auf ein Wirtschaftsgebiet von neuem hingelenkt zu haben, an
welchem frische, frohe Thaten zu verrichten das deutsche Volk infolge seiner
Praktischen, nüchternen Anlage hervorragend geeignet ist.




Portfähigkeit der ausländischen Fischwaaren fällt mit ihrer großen Konsumtivns-
fähigkeit im binnenländischen und Exportverkehr zusammen. Das Versicherungs¬
wesen — für den Fall des Zustandekommens eines genügenden Großbetriebes
nach dem Beispiel des jetzt angestrebten Assekuranzverbandes in der Seeschifffahrt
als genossenschaftliche Organisation — müßte sodann in großem Umfange dem
Fischereigewerbe dienstbar gemacht werden. Wie groß das Risiko in seinem
Betriebe von Verlusten durch elementare Schädigung sein kann, wird man ans
den Kosten eines Fischereifahrzeuges ersehen können: ein gewöhnlicher Herings-
lvgger kostet 25—60 000 Mark, seine Ausrüstung zum Schleppnetzfischen dazu
ungefähr 7000 Mark, ein Netz, deren zwei für jedes Boot notwendig sind,
ungefähr 10000 Mark. Summa: ungefähr 42—47 000 Mark.

Zum Schluß möchten wir noch ein Wort für die Begründung von Fischerei-
schulen einlegen, die bis jetzt nicht existiren, uns aber bei dem augenscheinlichen
Jutelligeuzmangel unsrer Fischer als ein Ding von Wichtigkeit erscheinen. Für
die ackerbauende Bevölkerung sind Fachschulen aller Grade geschaffen worden, und
man hält sich, soviel wir wissen, von einem guten Zweck und Nutzen dieser Anstalten
jetzt auch in der arbeitenden Landbevölkerung selbst überzeugt. Allerdings besitzt
die Fischerei einen gewissen Ersatz des fehlenden Lehrmittels in den Zirkularen
des deutschen Fischereivereins; aber wenn man weiß, mit welchem ungeheuern
Mißtrauen unsre Fischer diese Belehrungen hinnehmen, und wie sie eher bemüht
sind, das gerade Gegenteil von dem zu thun, was ihnen geraten wird, dann
sollte man umsomehr nu die Gründung vou Fischereischuleu denken. Die Jünger
des Gewerbes würden hier frühzeitig zur Überlegung und damit zum Verzicht
auf ihre alte Starrköpfigkeit angehalten werden. Unsre Landleute alten Schlages
haben anfangs auch den neuen Lehren der Landwirtschaft nichts andres als
Mißtrauen und Vorurteil entgegengebracht, und wenn jetzt das Licht der wissen¬
schaftlichen Forschung allmählich auch in die Köpfe der kleinen Praktiker ge¬
drungen ist, so darf man diesen Erfolg wohl zum großen Teile der vermit¬
telnden Wirksamkeit der zahlreichen Ackerbanschulen und ähnlichen Fachanstalten
zuschreiben.

Diese Beispiele besserungsbedürftiger Zustände konnten noch vielfach ver¬
mehrt werden. Es genügt für den Zweck dieser Darstellung, konstatirt zu
haben, daß das deutsche Seesischereigewerbe zur Zeit weniger an einer Be¬
drängnis von außen als an innern schweren Gebrechen krankt, um damit die
Aufmerksamkeit auf ein Wirtschaftsgebiet von neuem hingelenkt zu haben, an
welchem frische, frohe Thaten zu verrichten das deutsche Volk infolge seiner
Praktischen, nüchternen Anlage hervorragend geeignet ist.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/296>, abgerufen am 25.08.2024.