Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Eine Fülle schätzbarer Nachrichten liegt über das Ortsklima vor, aus denen Besonders wertvoll sind die Nachrichten über den Verlauf der Gewitter. Ebenso bemerkenswert sind die Ausführungen, die sich auf Veränderungen Der Abschnitt, welcher über die Bevölkcrungsverhältnisse des Thüringer Eine Fülle schätzbarer Nachrichten liegt über das Ortsklima vor, aus denen Besonders wertvoll sind die Nachrichten über den Verlauf der Gewitter. Ebenso bemerkenswert sind die Ausführungen, die sich auf Veränderungen Der Abschnitt, welcher über die Bevölkcrungsverhältnisse des Thüringer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195418"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_61"> Eine Fülle schätzbarer Nachrichten liegt über das Ortsklima vor, aus denen<lb/> man die Bedingungen für das frühere oder spätere Eintrete» der Vegetation<lb/> erkennt: hundert Meter mehr Bodenerhebung verspäten die Getreideernte durch¬<lb/> schnittlich um eine Woche, Von bedeutendem Einfluß ist die Lage der eine<lb/> Ortschaft umschließenden Berge; der Gvlitzberg in Thälendorf bei Rudolstadt<lb/> z. B, verzögert die Vegetation, da er die Frühsonne versperrt und kalte Morgen-<lb/> nebel begünstigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_62"> Besonders wertvoll sind die Nachrichten über den Verlauf der Gewitter.<lb/> In neuester Zeit haben einige Versicherungsgesellschaften statistische Berichte über<lb/> die Anzahl der zündenden und nicht zündenden Blitzschläge herausgegeben; hier<lb/> erfährt man näheres über den Zug der Gewitter, welche Thäler und Berge sie<lb/> mit Vorliebe umlagern, welche örtlichen Umstünde ihr Bleiben oder Gehen be¬<lb/> wirken — kostbares Material für die Witterungsknnde. Von praktischem Nutze»<lb/> sind dabei die Angaben über Blitzgefahr: am häufigsten fährt der Strahl in<lb/> die Eiche und Pappel, seltener in die Tanne, noch seltener in Fichten und<lb/> Kiefern; Birken und Buchen sind fast blitzfrci, zumal die Notbuche.</p><lb/> <p xml:id="ID_63"> Ebenso bemerkenswert sind die Ausführungen, die sich auf Veränderungen<lb/> im Tier- und Pflanzenreiche beziehen. Daß Luchse, Bären und Wölfe und andres<lb/> Raubzeug verschwunden sind, finden wir nicht auffallend; aber daß die schwarze<lb/> Hausratte von der braunen Wanderratte immer mehr verdrängt wird, daß sich<lb/> an vielen Orten die Zahl der Sperlinge ungeheuer vermehrt hat, während man<lb/> in einigen hochgelegnen Dörfern vergebens versucht hat, Sperlingskvlonien ein¬<lb/> zubürgern, ist völlig nen.</p><lb/> <p xml:id="ID_64" next="#ID_65"> Der Abschnitt, welcher über die Bevölkcrungsverhältnisse des Thüringer<lb/> Waldes handelt, ist geradezu überraschend. Die Angaben über Körpergröße,<lb/> Schädelbeschasfenheit, Farbe von Haar und Ange beweisen zwar die bunte Zu¬<lb/> sammensetzung der Bevölkerung; es ergiebt sich aber, daß trotz aller Verschieden¬<lb/> heit im Wald und auf deu Bergen ein dunkleres Geschlecht, dem ein breiter<lb/> Schädel charakteristisch ist, als in dem umgebenden Flachlande sitzt. Der Saal¬<lb/> felder Verein bemerkt, man könne im alten Sorbenlande noch den slavischen<lb/> Typus erkennen an den starken Backenknochen, der eingedrückten Nase und<lb/> der spitzen (?) Scheitelform. Was Schädelbcvbachtungen betrifft, so bestimmte<lb/> Ur. Brehm mittelst des Tasterzirkels in dein Orte Jüchscn (in einem linken<lb/> Seitenzweige des Werrathals) den Längsdurchmesser des Kopfes der Männer<lb/> zu 17,6 Centimeter, den der Frauen zu 16,4 Centimeter; den Querdurchmesser<lb/> zu 15,6 und 14,6 Centimeter. In demselben Dorfe beträgt die Körperhöhe<lb/> der Männer 167 Centimeter, der Frauen 158 Centimeter; die Sitzhöhe aber<lb/> 88 und 85 Zentimeter. Besonders schätzenswert ist die Angabe der Körper¬<lb/> größe und der Brnstweite beim Atmen aus Sonneberg und einigen Nachbar¬<lb/> dörfern; das nus 464 Messungen gezogene Gesamtmittel von 165,9 Centi-<lb/> nietern ist augenblicklich das sicherste Normalmaß für die Größe der Thüringer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Eine Fülle schätzbarer Nachrichten liegt über das Ortsklima vor, aus denen
man die Bedingungen für das frühere oder spätere Eintrete» der Vegetation
erkennt: hundert Meter mehr Bodenerhebung verspäten die Getreideernte durch¬
schnittlich um eine Woche, Von bedeutendem Einfluß ist die Lage der eine
Ortschaft umschließenden Berge; der Gvlitzberg in Thälendorf bei Rudolstadt
z. B, verzögert die Vegetation, da er die Frühsonne versperrt und kalte Morgen-
nebel begünstigt.
Besonders wertvoll sind die Nachrichten über den Verlauf der Gewitter.
In neuester Zeit haben einige Versicherungsgesellschaften statistische Berichte über
die Anzahl der zündenden und nicht zündenden Blitzschläge herausgegeben; hier
erfährt man näheres über den Zug der Gewitter, welche Thäler und Berge sie
mit Vorliebe umlagern, welche örtlichen Umstünde ihr Bleiben oder Gehen be¬
wirken — kostbares Material für die Witterungsknnde. Von praktischem Nutze»
sind dabei die Angaben über Blitzgefahr: am häufigsten fährt der Strahl in
die Eiche und Pappel, seltener in die Tanne, noch seltener in Fichten und
Kiefern; Birken und Buchen sind fast blitzfrci, zumal die Notbuche.
Ebenso bemerkenswert sind die Ausführungen, die sich auf Veränderungen
im Tier- und Pflanzenreiche beziehen. Daß Luchse, Bären und Wölfe und andres
Raubzeug verschwunden sind, finden wir nicht auffallend; aber daß die schwarze
Hausratte von der braunen Wanderratte immer mehr verdrängt wird, daß sich
an vielen Orten die Zahl der Sperlinge ungeheuer vermehrt hat, während man
in einigen hochgelegnen Dörfern vergebens versucht hat, Sperlingskvlonien ein¬
zubürgern, ist völlig nen.
Der Abschnitt, welcher über die Bevölkcrungsverhältnisse des Thüringer
Waldes handelt, ist geradezu überraschend. Die Angaben über Körpergröße,
Schädelbeschasfenheit, Farbe von Haar und Ange beweisen zwar die bunte Zu¬
sammensetzung der Bevölkerung; es ergiebt sich aber, daß trotz aller Verschieden¬
heit im Wald und auf deu Bergen ein dunkleres Geschlecht, dem ein breiter
Schädel charakteristisch ist, als in dem umgebenden Flachlande sitzt. Der Saal¬
felder Verein bemerkt, man könne im alten Sorbenlande noch den slavischen
Typus erkennen an den starken Backenknochen, der eingedrückten Nase und
der spitzen (?) Scheitelform. Was Schädelbcvbachtungen betrifft, so bestimmte
Ur. Brehm mittelst des Tasterzirkels in dein Orte Jüchscn (in einem linken
Seitenzweige des Werrathals) den Längsdurchmesser des Kopfes der Männer
zu 17,6 Centimeter, den der Frauen zu 16,4 Centimeter; den Querdurchmesser
zu 15,6 und 14,6 Centimeter. In demselben Dorfe beträgt die Körperhöhe
der Männer 167 Centimeter, der Frauen 158 Centimeter; die Sitzhöhe aber
88 und 85 Zentimeter. Besonders schätzenswert ist die Angabe der Körper¬
größe und der Brnstweite beim Atmen aus Sonneberg und einigen Nachbar¬
dörfern; das nus 464 Messungen gezogene Gesamtmittel von 165,9 Centi-
nietern ist augenblicklich das sicherste Normalmaß für die Größe der Thüringer
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