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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Enthüllung der Küsten des dunkeln Erdteils.

vollendete um 600 diesen Kanal, der von oberhalb Bubastis in einem nach
Norden gerichteten Bogen den Nil mit dem Meerbusen von Suez verband,
welchen Herodot im Jahre 460 v, Chr. gesehen hat. Mit Unterbrechungen
-- Ptolemäos Philadelphia, der von 283 bis 221 v. Chr. regierte, mußte
ihn wieder instant setzen -- ist dieser Kanal bis gegen das Ende des zweiten
Jahrhunderts n. Chr. (bis zu Septimius Severus) fahrbar geblieben, wenn er
auch der häufigen Nordwinde wegen, die den Nordteil des Noten Meeres heim¬
suchen, uicht immer benutzt wurde. Man fuhr vielmehr auch deu Nil aufwärts
bis Koptos (Kenneh) und erreichte von dort auf eiuer Karawauenstraße ent¬
weder i" sieben Tagen Myoshormos oder in zwölf Tagen Berenice, Orte, welche
neben Arsinoe (Sues), wo der Nilkanal einmündete, die Häfen des Roten
Meeres an der ägyptischen Seite bildeten. Ägypten war unterdessen nach und
nach zu der Völkerbrücke geworden, ans welcher sich Orient und Occident am
bequemsten begegneten. Der Verkehr mit Indien wurde für das gesamte Abend¬
land fast ausschließlich auf dieser Hauptstraße vermittelt. Ein zweiter Weg
führte aus den syrischen Häfen die Euphmtstraße nach dem Persischen Meer¬
busen hinunter, ein dritter ebendahin ans der Ostecke des Schwarzen Meeres;
der Transport war auf diesen beiden letztern der weiten Landreise wegen na¬
türlich viel beschwerlicher und teurer. Die beiden Hauptstapelplätze des indischen
und afrikanischen Handels waren Alexandria und Kairo (Babylon), von denen
nach den Zeitverhältnissen bald das eine, bald das andre den Vorzug genoß.
Von der Größe Kairos erhalten wir eine Vorstellung, wenn wir lesen, es seien
12000 Wasserträger und 30000 Vermieter von Lasttieren dagewesen, und an
einem Tage habe einmal die Pest 24000 Menschen weggerafft. Ein weiterer
Stapelplatz war die Insel Sokotora durch ihre Lage vor dem Meerbusen von
Aden.

Einen ganz neuen Aufschwung nahm der Handel nach Indien um die
Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. durch die Benutzung der Monsune. Es
sind dies bekanntlich Winde, die auf dem indischen Meere in gewissen Zeiten immer
in derselben Richtung wehen. Um die angegebene Zeit fuhr nämlich ein griechischer
Pilot namens Hippalos vor dem Südwcstmonsun quer über den indischen
Ozean nach der Küste Malabar. Bis dahin war die Schifffahrt nach Indien
nur Küstenschiffahrt gewesen. Von dieser Zeit an regelten sich die Fahrten
nach Indien in folgender Weise. Die Jndieufahrer verließen im Juli die ägyp¬
tischen Häfen, waren in etwa 30 Tagen in der Straße Bab-el-Mandeb und
fuhren von dort mit dem Südwestmonsnn in 40 Tagen nach Indien, wo sie
in der Mitte des September anlangten; um die Mitte des Oktober begann
dann der Nordoftmonsuu, den sie zur Rückfahrt uicht versäumen durften. Durch
die indischen Fahrten nun wurde die Ostküste von Afrika bis zum Kap Guar-
dafui bekannt, denn Jahrhunderte lang bewegte sich die indische Seefahrt in
dem angegebenen Rahmen und bekam anch wohl kaum eine andre Gestalt, als


Die Enthüllung der Küsten des dunkeln Erdteils.

vollendete um 600 diesen Kanal, der von oberhalb Bubastis in einem nach
Norden gerichteten Bogen den Nil mit dem Meerbusen von Suez verband,
welchen Herodot im Jahre 460 v, Chr. gesehen hat. Mit Unterbrechungen
— Ptolemäos Philadelphia, der von 283 bis 221 v. Chr. regierte, mußte
ihn wieder instant setzen — ist dieser Kanal bis gegen das Ende des zweiten
Jahrhunderts n. Chr. (bis zu Septimius Severus) fahrbar geblieben, wenn er
auch der häufigen Nordwinde wegen, die den Nordteil des Noten Meeres heim¬
suchen, uicht immer benutzt wurde. Man fuhr vielmehr auch deu Nil aufwärts
bis Koptos (Kenneh) und erreichte von dort auf eiuer Karawauenstraße ent¬
weder i» sieben Tagen Myoshormos oder in zwölf Tagen Berenice, Orte, welche
neben Arsinoe (Sues), wo der Nilkanal einmündete, die Häfen des Roten
Meeres an der ägyptischen Seite bildeten. Ägypten war unterdessen nach und
nach zu der Völkerbrücke geworden, ans welcher sich Orient und Occident am
bequemsten begegneten. Der Verkehr mit Indien wurde für das gesamte Abend¬
land fast ausschließlich auf dieser Hauptstraße vermittelt. Ein zweiter Weg
führte aus den syrischen Häfen die Euphmtstraße nach dem Persischen Meer¬
busen hinunter, ein dritter ebendahin ans der Ostecke des Schwarzen Meeres;
der Transport war auf diesen beiden letztern der weiten Landreise wegen na¬
türlich viel beschwerlicher und teurer. Die beiden Hauptstapelplätze des indischen
und afrikanischen Handels waren Alexandria und Kairo (Babylon), von denen
nach den Zeitverhältnissen bald das eine, bald das andre den Vorzug genoß.
Von der Größe Kairos erhalten wir eine Vorstellung, wenn wir lesen, es seien
12000 Wasserträger und 30000 Vermieter von Lasttieren dagewesen, und an
einem Tage habe einmal die Pest 24000 Menschen weggerafft. Ein weiterer
Stapelplatz war die Insel Sokotora durch ihre Lage vor dem Meerbusen von
Aden.

Einen ganz neuen Aufschwung nahm der Handel nach Indien um die
Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. durch die Benutzung der Monsune. Es
sind dies bekanntlich Winde, die auf dem indischen Meere in gewissen Zeiten immer
in derselben Richtung wehen. Um die angegebene Zeit fuhr nämlich ein griechischer
Pilot namens Hippalos vor dem Südwcstmonsun quer über den indischen
Ozean nach der Küste Malabar. Bis dahin war die Schifffahrt nach Indien
nur Küstenschiffahrt gewesen. Von dieser Zeit an regelten sich die Fahrten
nach Indien in folgender Weise. Die Jndieufahrer verließen im Juli die ägyp¬
tischen Häfen, waren in etwa 30 Tagen in der Straße Bab-el-Mandeb und
fuhren von dort mit dem Südwestmonsnn in 40 Tagen nach Indien, wo sie
in der Mitte des September anlangten; um die Mitte des Oktober begann
dann der Nordoftmonsuu, den sie zur Rückfahrt uicht versäumen durften. Durch
die indischen Fahrten nun wurde die Ostküste von Afrika bis zum Kap Guar-
dafui bekannt, denn Jahrhunderte lang bewegte sich die indische Seefahrt in
dem angegebenen Rahmen und bekam anch wohl kaum eine andre Gestalt, als


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[0229] Die Enthüllung der Küsten des dunkeln Erdteils. vollendete um 600 diesen Kanal, der von oberhalb Bubastis in einem nach Norden gerichteten Bogen den Nil mit dem Meerbusen von Suez verband, welchen Herodot im Jahre 460 v, Chr. gesehen hat. Mit Unterbrechungen — Ptolemäos Philadelphia, der von 283 bis 221 v. Chr. regierte, mußte ihn wieder instant setzen — ist dieser Kanal bis gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts n. Chr. (bis zu Septimius Severus) fahrbar geblieben, wenn er auch der häufigen Nordwinde wegen, die den Nordteil des Noten Meeres heim¬ suchen, uicht immer benutzt wurde. Man fuhr vielmehr auch deu Nil aufwärts bis Koptos (Kenneh) und erreichte von dort auf eiuer Karawauenstraße ent¬ weder i» sieben Tagen Myoshormos oder in zwölf Tagen Berenice, Orte, welche neben Arsinoe (Sues), wo der Nilkanal einmündete, die Häfen des Roten Meeres an der ägyptischen Seite bildeten. Ägypten war unterdessen nach und nach zu der Völkerbrücke geworden, ans welcher sich Orient und Occident am bequemsten begegneten. Der Verkehr mit Indien wurde für das gesamte Abend¬ land fast ausschließlich auf dieser Hauptstraße vermittelt. Ein zweiter Weg führte aus den syrischen Häfen die Euphmtstraße nach dem Persischen Meer¬ busen hinunter, ein dritter ebendahin ans der Ostecke des Schwarzen Meeres; der Transport war auf diesen beiden letztern der weiten Landreise wegen na¬ türlich viel beschwerlicher und teurer. Die beiden Hauptstapelplätze des indischen und afrikanischen Handels waren Alexandria und Kairo (Babylon), von denen nach den Zeitverhältnissen bald das eine, bald das andre den Vorzug genoß. Von der Größe Kairos erhalten wir eine Vorstellung, wenn wir lesen, es seien 12000 Wasserträger und 30000 Vermieter von Lasttieren dagewesen, und an einem Tage habe einmal die Pest 24000 Menschen weggerafft. Ein weiterer Stapelplatz war die Insel Sokotora durch ihre Lage vor dem Meerbusen von Aden. Einen ganz neuen Aufschwung nahm der Handel nach Indien um die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. durch die Benutzung der Monsune. Es sind dies bekanntlich Winde, die auf dem indischen Meere in gewissen Zeiten immer in derselben Richtung wehen. Um die angegebene Zeit fuhr nämlich ein griechischer Pilot namens Hippalos vor dem Südwcstmonsun quer über den indischen Ozean nach der Küste Malabar. Bis dahin war die Schifffahrt nach Indien nur Küstenschiffahrt gewesen. Von dieser Zeit an regelten sich die Fahrten nach Indien in folgender Weise. Die Jndieufahrer verließen im Juli die ägyp¬ tischen Häfen, waren in etwa 30 Tagen in der Straße Bab-el-Mandeb und fuhren von dort mit dem Südwestmonsnn in 40 Tagen nach Indien, wo sie in der Mitte des September anlangten; um die Mitte des Oktober begann dann der Nordoftmonsuu, den sie zur Rückfahrt uicht versäumen durften. Durch die indischen Fahrten nun wurde die Ostküste von Afrika bis zum Kap Guar- dafui bekannt, denn Jahrhunderte lang bewegte sich die indische Seefahrt in dem angegebenen Rahmen und bekam anch wohl kaum eine andre Gestalt, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/229>, abgerufen am 22.07.2024.