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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Wenden und der Pcmslawismus.

Gästen" in Zarskoje Scio eine Audienz erteilte. Alle bedeutenden deutschen
Zeitungen nahmen davon Notiz und beschuldigten Schmaler der Pflege eines
moskauischen Byzantinismus und panslawistischer Agitation. Selbst die "nord¬
deutsche Allgemeine Zeitung" ging auf die Sache ein und sprach sich gegen die
Furcht der Wiener Journale vor dem Panslawismus aus, indem sie betonte,
daß Deutschland keine Ursache habe, ans der Hut zu sein in Hinsicht auf die
zunehmende Bewegung im Slawentum, und zugleich ihrer Überzeugung Ausdruck
gab, daß die Moskaner Fahrt keinen politischen Zweck gehabt habe.

Auch die Verleihung eines hohen russischen Ordens an Schmaler bei
Gelegenheit des im Jahre 1862 gefeierten tausendjährigen Jubiläums der
Gründung des russische" Reiches brauchte zu derartigen Verdächtigungen keinen
Anlaß zu geben. Diese Verleihung des Se. Annen-Ordens erfolgte auf Vorschlag
der russischen Akademie der Wissenschaften, speziell auf Antrag des Akademikers
Kuuik, eines Deutschen, um die namhaften Verdienste anzuerkennen, die sich
Schmaler um die slawische Wissenschaft -- vor allem durch die Herausgabe
der Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz -- erworben hatte.
Überhaupt war das Interesse, welches Schmaler unter Hintansetzung seiner
persönlichen Interessen Zeit seines Lebens sür die wendische Literatur gehegt
hat, in erster Linie ein wissenschaftliches, weil auf die Kenntnis und Förderung
dieses eigentümlichen, manches Altertümliche bewahrenden slawische,, Dialektes
gerichtetes, zugleich aber auch im besten Sinne des Wortes ein nationales, weil
es ihm heiliger Ernst war, durch gute, ernste, gesinnungstreue Lektüre seinen
Stammesgenossen ihren kirchlichen, loyalen Sinn zu erhalten und zu bewahren.
Es gewährt ein eignes Interesse, ans der von Pastor Jmmisch im Auszuge mit¬
geteilten Selbstbiographie Schmalers das Leben und Streben dieses uneigen¬
nützigen Mannes kennen zu lernen.

Wenn diesem Hanptfvrderer einer friedlichen Agitation für wendisches
Volkstum aus Rußland vereinzelte Unterstützungen zugekommen sind, so erklärt
sich dies, außer aus den auch durch verwandtschaftliche Baude vermittelten viel¬
fachen Beziehungen Schmalers zu russischen Freunden, vor allem aus dem rein
wissenschaftlichen Bestreben, welches gelehrte Russen und Freunde slawischer
Literatur an dem Wendischen und seiner Literatur nehmen. Derartige Unter¬
stützungen aus Rußland sind eigentlich nur für das künftig in Bautzen zu
erbauende wendische Vereinshaus oder Museum eingegangen, welches die seltenen
Bücherschätze des seit 1845 bestehenden wissenschaftlichen Vereins N^leg.
KsrvsKg, cinfnchmen soll. Dieser Verein selbst zählt allerdings einige wenige
russische Mitglieder, welche aber für ihre regelmäßigen Beiträge die vom Verein
herausgegebenen Schriften erhalten. Mit dem Vereine stehen aber auch gelehrte
Gesellschaften andrer außerdeutschen Länder im Bücheraustausche, so unter anderen
das britische Museum in London, wie er auf der andern Seite auch z. B. die
königliche Bibliothek zu Berlin zu seinen Mitgliedern zählt. Dies ist aber die


Die Wenden und der Pcmslawismus.

Gästen" in Zarskoje Scio eine Audienz erteilte. Alle bedeutenden deutschen
Zeitungen nahmen davon Notiz und beschuldigten Schmaler der Pflege eines
moskauischen Byzantinismus und panslawistischer Agitation. Selbst die „nord¬
deutsche Allgemeine Zeitung" ging auf die Sache ein und sprach sich gegen die
Furcht der Wiener Journale vor dem Panslawismus aus, indem sie betonte,
daß Deutschland keine Ursache habe, ans der Hut zu sein in Hinsicht auf die
zunehmende Bewegung im Slawentum, und zugleich ihrer Überzeugung Ausdruck
gab, daß die Moskaner Fahrt keinen politischen Zweck gehabt habe.

Auch die Verleihung eines hohen russischen Ordens an Schmaler bei
Gelegenheit des im Jahre 1862 gefeierten tausendjährigen Jubiläums der
Gründung des russische» Reiches brauchte zu derartigen Verdächtigungen keinen
Anlaß zu geben. Diese Verleihung des Se. Annen-Ordens erfolgte auf Vorschlag
der russischen Akademie der Wissenschaften, speziell auf Antrag des Akademikers
Kuuik, eines Deutschen, um die namhaften Verdienste anzuerkennen, die sich
Schmaler um die slawische Wissenschaft — vor allem durch die Herausgabe
der Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz — erworben hatte.
Überhaupt war das Interesse, welches Schmaler unter Hintansetzung seiner
persönlichen Interessen Zeit seines Lebens sür die wendische Literatur gehegt
hat, in erster Linie ein wissenschaftliches, weil auf die Kenntnis und Förderung
dieses eigentümlichen, manches Altertümliche bewahrenden slawische,, Dialektes
gerichtetes, zugleich aber auch im besten Sinne des Wortes ein nationales, weil
es ihm heiliger Ernst war, durch gute, ernste, gesinnungstreue Lektüre seinen
Stammesgenossen ihren kirchlichen, loyalen Sinn zu erhalten und zu bewahren.
Es gewährt ein eignes Interesse, ans der von Pastor Jmmisch im Auszuge mit¬
geteilten Selbstbiographie Schmalers das Leben und Streben dieses uneigen¬
nützigen Mannes kennen zu lernen.

Wenn diesem Hanptfvrderer einer friedlichen Agitation für wendisches
Volkstum aus Rußland vereinzelte Unterstützungen zugekommen sind, so erklärt
sich dies, außer aus den auch durch verwandtschaftliche Baude vermittelten viel¬
fachen Beziehungen Schmalers zu russischen Freunden, vor allem aus dem rein
wissenschaftlichen Bestreben, welches gelehrte Russen und Freunde slawischer
Literatur an dem Wendischen und seiner Literatur nehmen. Derartige Unter¬
stützungen aus Rußland sind eigentlich nur für das künftig in Bautzen zu
erbauende wendische Vereinshaus oder Museum eingegangen, welches die seltenen
Bücherschätze des seit 1845 bestehenden wissenschaftlichen Vereins N^leg.
KsrvsKg, cinfnchmen soll. Dieser Verein selbst zählt allerdings einige wenige
russische Mitglieder, welche aber für ihre regelmäßigen Beiträge die vom Verein
herausgegebenen Schriften erhalten. Mit dem Vereine stehen aber auch gelehrte
Gesellschaften andrer außerdeutschen Länder im Bücheraustausche, so unter anderen
das britische Museum in London, wie er auf der andern Seite auch z. B. die
königliche Bibliothek zu Berlin zu seinen Mitgliedern zählt. Dies ist aber die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/188>, abgerufen am 22.07.2024.