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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Äio Wenden und der Panslawismus.

einfache Folge des wissenschaftlichen Wertes der Veröffentlichungen der sprach-
forschenden, der archäologischen und der historischen Sektion der AiMog, LordLlcg.,
welche die Kenntnis des wendischen Idioms im Interesse jener Wissenschaften
zu verwerten streben. Daß aber der Unterstützungsverein für studirende Wenden
Gaben auch aus Rußland angenommen hat, giebt noch keinen Grund zu der
Verdächtigung, daß unter den Wenden der Lausitz eine panslnwistische Agitation
mit russischem Gelde getrieben werde. Überdies sind diese Beiträge mir sehr
gering, weil die Russen notorisch in der Regel nur ihre Glaubensgenossen in
der griechisch-orthodoxen Kirche unterstützen. Auch ist ein nicht unbeträchtlicher
Teil der Gaben ans Nußland nicht von Russen, sondern von dem böhmischen
Hilfsvereine in Petersburg sür die Zwecke dieses Unterstützungsvereins für
studirende Wenden gestiftet worden.

Aber gesetzt auch, daß die ihre wendischen Stammesgenossen unter¬
stützenden Russen noch andre Zwecke im Auge hätten als die Unter¬
stützung der wissenschaftlichen, sowie auf Erhaltung und Förderung der wen¬
dischen Literatur gerichteten Bestrebungen, daß sie auch eine Annäherung des
verwandten Stammes an das russische Volk und seine Interessen und eine Ge¬
winnung seiner Sympathien für das große russische Reich bezweckten, so war für
die Vertreter der wendischen Interessen kein Grund vorhanden, diese Unterstützungs¬
gelder zurückzuweisen, da ja derartige verwerfliche oder auch nur bedenkliche
Bestrebungen weder je geltendgcmacht worden sind -- sei es direkt als Grund
und Bedingung der Unterstützung, sei es in den dieselbe begleitenden Gesinnungs-
bezeugungeu --, noch auch bei den die Unterstützung spendenden Männern und
Gesellschaften vorausgesetzt oder vermutet werden konnten. Die Hauptsache bleibt
die Gesinnung der Empfänger jener Spenden. In dieser Hinsicht ist von ma߬
gebender Bedeutung, wie sich einer der ernstesten und fleißigsten Arbeiter auf
dem Felde der wendischen Literatur, Professor Pfuhl, über den Pcmslawismus
ausgesprochen hat. Er sagt etwa folgendes: "Auf die Frage: Wer ist der
Beschützer des Slawentums? find manche schnell mit der Antwort fertig, indem
sie sagen: Rußland! Aber die russische Regierung hat weder jemals etwas
derartiges proklamirt, noch wird sie jemals imstande sein, etwas derartiges zu
verheißen, mag auch der eine oder der andre Einzelne daselbst mit Worten (ohne
Thaten!) für seine "slawischen Brüder" auftreten. Wie die Russen und andre
slawische Völker haben auch wir Lausitzer Wenden uns nach unsrer Individualität
entwickelt, wie uns dies in Sachsen und in Preußen durch die Gesetze verstattet
ist, und wir sind dieselben treuen Unterthanen geblieben, wie es bereits unsre
Väter der sächsischen und der preußischen Regierung gegenüber gewesen sind.
Wir Wenden arbeiten friedlichen und gehorsames Sinnes für uns Wenden und
zum Besten des ganzen Vaterlandes, das wir mit den Deutschen gemeinsam haben."
Dies, sowie andre Thatsachen, steht somit in direktem Widerspruche mit der Be¬
hauptung des Artikels der "Schlesischen Zeitung," daß in Bautzen das Wcndentum


Äio Wenden und der Panslawismus.

einfache Folge des wissenschaftlichen Wertes der Veröffentlichungen der sprach-
forschenden, der archäologischen und der historischen Sektion der AiMog, LordLlcg.,
welche die Kenntnis des wendischen Idioms im Interesse jener Wissenschaften
zu verwerten streben. Daß aber der Unterstützungsverein für studirende Wenden
Gaben auch aus Rußland angenommen hat, giebt noch keinen Grund zu der
Verdächtigung, daß unter den Wenden der Lausitz eine panslnwistische Agitation
mit russischem Gelde getrieben werde. Überdies sind diese Beiträge mir sehr
gering, weil die Russen notorisch in der Regel nur ihre Glaubensgenossen in
der griechisch-orthodoxen Kirche unterstützen. Auch ist ein nicht unbeträchtlicher
Teil der Gaben ans Nußland nicht von Russen, sondern von dem böhmischen
Hilfsvereine in Petersburg sür die Zwecke dieses Unterstützungsvereins für
studirende Wenden gestiftet worden.

Aber gesetzt auch, daß die ihre wendischen Stammesgenossen unter¬
stützenden Russen noch andre Zwecke im Auge hätten als die Unter¬
stützung der wissenschaftlichen, sowie auf Erhaltung und Förderung der wen¬
dischen Literatur gerichteten Bestrebungen, daß sie auch eine Annäherung des
verwandten Stammes an das russische Volk und seine Interessen und eine Ge¬
winnung seiner Sympathien für das große russische Reich bezweckten, so war für
die Vertreter der wendischen Interessen kein Grund vorhanden, diese Unterstützungs¬
gelder zurückzuweisen, da ja derartige verwerfliche oder auch nur bedenkliche
Bestrebungen weder je geltendgcmacht worden sind — sei es direkt als Grund
und Bedingung der Unterstützung, sei es in den dieselbe begleitenden Gesinnungs-
bezeugungeu —, noch auch bei den die Unterstützung spendenden Männern und
Gesellschaften vorausgesetzt oder vermutet werden konnten. Die Hauptsache bleibt
die Gesinnung der Empfänger jener Spenden. In dieser Hinsicht ist von ma߬
gebender Bedeutung, wie sich einer der ernstesten und fleißigsten Arbeiter auf
dem Felde der wendischen Literatur, Professor Pfuhl, über den Pcmslawismus
ausgesprochen hat. Er sagt etwa folgendes: „Auf die Frage: Wer ist der
Beschützer des Slawentums? find manche schnell mit der Antwort fertig, indem
sie sagen: Rußland! Aber die russische Regierung hat weder jemals etwas
derartiges proklamirt, noch wird sie jemals imstande sein, etwas derartiges zu
verheißen, mag auch der eine oder der andre Einzelne daselbst mit Worten (ohne
Thaten!) für seine »slawischen Brüder« auftreten. Wie die Russen und andre
slawische Völker haben auch wir Lausitzer Wenden uns nach unsrer Individualität
entwickelt, wie uns dies in Sachsen und in Preußen durch die Gesetze verstattet
ist, und wir sind dieselben treuen Unterthanen geblieben, wie es bereits unsre
Väter der sächsischen und der preußischen Regierung gegenüber gewesen sind.
Wir Wenden arbeiten friedlichen und gehorsames Sinnes für uns Wenden und
zum Besten des ganzen Vaterlandes, das wir mit den Deutschen gemeinsam haben."
Dies, sowie andre Thatsachen, steht somit in direktem Widerspruche mit der Be¬
hauptung des Artikels der „Schlesischen Zeitung," daß in Bautzen das Wcndentum


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[0189] Äio Wenden und der Panslawismus. einfache Folge des wissenschaftlichen Wertes der Veröffentlichungen der sprach- forschenden, der archäologischen und der historischen Sektion der AiMog, LordLlcg., welche die Kenntnis des wendischen Idioms im Interesse jener Wissenschaften zu verwerten streben. Daß aber der Unterstützungsverein für studirende Wenden Gaben auch aus Rußland angenommen hat, giebt noch keinen Grund zu der Verdächtigung, daß unter den Wenden der Lausitz eine panslnwistische Agitation mit russischem Gelde getrieben werde. Überdies sind diese Beiträge mir sehr gering, weil die Russen notorisch in der Regel nur ihre Glaubensgenossen in der griechisch-orthodoxen Kirche unterstützen. Auch ist ein nicht unbeträchtlicher Teil der Gaben ans Nußland nicht von Russen, sondern von dem böhmischen Hilfsvereine in Petersburg sür die Zwecke dieses Unterstützungsvereins für studirende Wenden gestiftet worden. Aber gesetzt auch, daß die ihre wendischen Stammesgenossen unter¬ stützenden Russen noch andre Zwecke im Auge hätten als die Unter¬ stützung der wissenschaftlichen, sowie auf Erhaltung und Förderung der wen¬ dischen Literatur gerichteten Bestrebungen, daß sie auch eine Annäherung des verwandten Stammes an das russische Volk und seine Interessen und eine Ge¬ winnung seiner Sympathien für das große russische Reich bezweckten, so war für die Vertreter der wendischen Interessen kein Grund vorhanden, diese Unterstützungs¬ gelder zurückzuweisen, da ja derartige verwerfliche oder auch nur bedenkliche Bestrebungen weder je geltendgcmacht worden sind — sei es direkt als Grund und Bedingung der Unterstützung, sei es in den dieselbe begleitenden Gesinnungs- bezeugungeu —, noch auch bei den die Unterstützung spendenden Männern und Gesellschaften vorausgesetzt oder vermutet werden konnten. Die Hauptsache bleibt die Gesinnung der Empfänger jener Spenden. In dieser Hinsicht ist von ma߬ gebender Bedeutung, wie sich einer der ernstesten und fleißigsten Arbeiter auf dem Felde der wendischen Literatur, Professor Pfuhl, über den Pcmslawismus ausgesprochen hat. Er sagt etwa folgendes: „Auf die Frage: Wer ist der Beschützer des Slawentums? find manche schnell mit der Antwort fertig, indem sie sagen: Rußland! Aber die russische Regierung hat weder jemals etwas derartiges proklamirt, noch wird sie jemals imstande sein, etwas derartiges zu verheißen, mag auch der eine oder der andre Einzelne daselbst mit Worten (ohne Thaten!) für seine »slawischen Brüder« auftreten. Wie die Russen und andre slawische Völker haben auch wir Lausitzer Wenden uns nach unsrer Individualität entwickelt, wie uns dies in Sachsen und in Preußen durch die Gesetze verstattet ist, und wir sind dieselben treuen Unterthanen geblieben, wie es bereits unsre Väter der sächsischen und der preußischen Regierung gegenüber gewesen sind. Wir Wenden arbeiten friedlichen und gehorsames Sinnes für uns Wenden und zum Besten des ganzen Vaterlandes, das wir mit den Deutschen gemeinsam haben." Dies, sowie andre Thatsachen, steht somit in direktem Widerspruche mit der Be¬ hauptung des Artikels der „Schlesischen Zeitung," daß in Bautzen das Wcndentum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/189>, abgerufen am 22.07.2024.