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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Gstprcußische Skizzen.

Wie ausgelöscht, ebenso wie die späteren Landschaftsbezeichnungen Sassen,
Barten :c., von denen die letztgenannte nur in den Städtenamen Barten und
Bartenstein weiterlebt. Von Galindcu, Nadraueu, Sudauen, Pomesanien ze,
weiß kein Mensch mehr etwas. Dem Schreiber dieses ist es selbst begegnet, daß
er den Träger eines der ältesten und angesehensten ostpreußischen Adelsgeschlechter,
dabei einen Mann von feinster und vielseitigster Bildung, fragte, ob sein Stamm¬
gut in Galinden liege; uach einigen. Besinnen lautete die Antwort: er glaube
ja, wisse es aber nicht sicher. Übrigens verhielt es sich nicht einmal so, son¬
dern das betreffende Gut liegt schon in Nadraueu. Auf dem nämlichen Blatte
steht es, wenn selbst unter den Gebildeten der Nachweis, wo Romove gelegen
hat, nur wenigen geläufig ist und die meisten sich allerhand abenteuerlichen Ver¬
mutungen hingeben. Einige suchen es in der Jnsterburger, andre gar in der
Tilsiter Gegend; noch andre behaupten, der Name des Gutes Waldeck im Kreise
Friedland sei eine Verketzerung aus "Dreifaltigkeit," und hier müsse die an Stelle
Nomoves errichtete Dreifaltigkeitskirche gestanden haben. Auch über die Punkte,
an die sich wichtige spätere Vorgänge des Eroberungskrieges knüpfen, so z. B.
die so großartig interessanten Episoden des Monteschen Aufstandes, ist nichts
überliefert; kaum sind die Orte der von Heinrich Monte und dem Samländer
Richard Glaube geschlagenen Hauptschlachten nachzuweisen. Auch aus noch
späterer Zeit, derjenigen des Glanzes und nachherigen Unterganges des Ordens,
ist nur sehr wenig vorhanden. Von den Erinnerungen an die Zeit des Glanzes
ist, soviel uns bekannt, mir diejenige an die große Siegesschlacht des Winrich
von Kniprode über die Littauer, bei Ruban im nordöstlichen Samlande, einiger¬
maßen lebendig geblieben. Auf dem Tanuenberger Schlachtfelde hat wohl an
der Stelle, wo der tapfere Hochmeister Ulrich von Jungingen fiel, eine Kapelle
gestanden, aber sie ist längst verschwunden; erst jetzt soll wieder ebenda ein
Denkmal errichtet werden -- nur gehört leider die betreffende Stelle nicht zu
dem Gute Tannenberg, und der Besitzer desselben will doch, des Namens der
Schlacht wegen, das Denkmal auf seinem Terrain haben. Darüber zanken sich
die Leute nun herum. Auf welche Zustände, auf welchen Stand unsers Volks-
tums wird dieses zu errichtende Denkmal im Jahre 1910, fünfhundert Jahre
nach der unseligen Schlacht, welche dem Vordringen des Deutschtums nach Osten
auf ein Vierteljahrtausend ein Ziel setzte, blicken? Aus der Zeit der Polen-
Herrschaft giebt es kein bauliches Denkmal, aber das ganze Land, in seiner da¬
mals eingetretenen Verkommenheit und der seitdem vorhandenen Denkmallosig-
keit, ist ein redendes, ja ein schreiendes und heulendes Zeugnis dafür, was
Polenherrschaft aus einem deutschen Lande und Volke zu machen vermag.

Der Wanderer in Ostpreußen sieht also nur selten seinen Fuß beflügelt
und sein Gemüt gehoben durch stolze Zeugnisse frühern Glanzes, oder durch
nicht der Geschichte ungehörige, aber doch mit der Landschaft verwobene Klänge
aus der Vergangenheit. Nicht unschön, aber mit dem Charakter einer gewissen


Gstprcußische Skizzen.

Wie ausgelöscht, ebenso wie die späteren Landschaftsbezeichnungen Sassen,
Barten :c., von denen die letztgenannte nur in den Städtenamen Barten und
Bartenstein weiterlebt. Von Galindcu, Nadraueu, Sudauen, Pomesanien ze,
weiß kein Mensch mehr etwas. Dem Schreiber dieses ist es selbst begegnet, daß
er den Träger eines der ältesten und angesehensten ostpreußischen Adelsgeschlechter,
dabei einen Mann von feinster und vielseitigster Bildung, fragte, ob sein Stamm¬
gut in Galinden liege; uach einigen. Besinnen lautete die Antwort: er glaube
ja, wisse es aber nicht sicher. Übrigens verhielt es sich nicht einmal so, son¬
dern das betreffende Gut liegt schon in Nadraueu. Auf dem nämlichen Blatte
steht es, wenn selbst unter den Gebildeten der Nachweis, wo Romove gelegen
hat, nur wenigen geläufig ist und die meisten sich allerhand abenteuerlichen Ver¬
mutungen hingeben. Einige suchen es in der Jnsterburger, andre gar in der
Tilsiter Gegend; noch andre behaupten, der Name des Gutes Waldeck im Kreise
Friedland sei eine Verketzerung aus „Dreifaltigkeit," und hier müsse die an Stelle
Nomoves errichtete Dreifaltigkeitskirche gestanden haben. Auch über die Punkte,
an die sich wichtige spätere Vorgänge des Eroberungskrieges knüpfen, so z. B.
die so großartig interessanten Episoden des Monteschen Aufstandes, ist nichts
überliefert; kaum sind die Orte der von Heinrich Monte und dem Samländer
Richard Glaube geschlagenen Hauptschlachten nachzuweisen. Auch aus noch
späterer Zeit, derjenigen des Glanzes und nachherigen Unterganges des Ordens,
ist nur sehr wenig vorhanden. Von den Erinnerungen an die Zeit des Glanzes
ist, soviel uns bekannt, mir diejenige an die große Siegesschlacht des Winrich
von Kniprode über die Littauer, bei Ruban im nordöstlichen Samlande, einiger¬
maßen lebendig geblieben. Auf dem Tanuenberger Schlachtfelde hat wohl an
der Stelle, wo der tapfere Hochmeister Ulrich von Jungingen fiel, eine Kapelle
gestanden, aber sie ist längst verschwunden; erst jetzt soll wieder ebenda ein
Denkmal errichtet werden — nur gehört leider die betreffende Stelle nicht zu
dem Gute Tannenberg, und der Besitzer desselben will doch, des Namens der
Schlacht wegen, das Denkmal auf seinem Terrain haben. Darüber zanken sich
die Leute nun herum. Auf welche Zustände, auf welchen Stand unsers Volks-
tums wird dieses zu errichtende Denkmal im Jahre 1910, fünfhundert Jahre
nach der unseligen Schlacht, welche dem Vordringen des Deutschtums nach Osten
auf ein Vierteljahrtausend ein Ziel setzte, blicken? Aus der Zeit der Polen-
Herrschaft giebt es kein bauliches Denkmal, aber das ganze Land, in seiner da¬
mals eingetretenen Verkommenheit und der seitdem vorhandenen Denkmallosig-
keit, ist ein redendes, ja ein schreiendes und heulendes Zeugnis dafür, was
Polenherrschaft aus einem deutschen Lande und Volke zu machen vermag.

Der Wanderer in Ostpreußen sieht also nur selten seinen Fuß beflügelt
und sein Gemüt gehoben durch stolze Zeugnisse frühern Glanzes, oder durch
nicht der Geschichte ungehörige, aber doch mit der Landschaft verwobene Klänge
aus der Vergangenheit. Nicht unschön, aber mit dem Charakter einer gewissen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/136>, abgerufen am 22.07.2024.