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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Lotteriefrage im preußischen Abgeordnetenhause.

Schon die Möglichkeit dieser Konsequenz beweist, daß der gegenwärtige
Zustand dringend der Abstellung bedarf. Aber wahrlich nicht in der Weise,
daß der größte deutsche Staat zu den eingetretenen Mißbräuchen sich in Mir-
bewerb setzt. Preußen muß in allen solchen Dingen den übrigen deutschen
Staaten mit gutem Beispiele vorangehen. Auch ist ja garnicht zu zweifeln,
daß die Reichsregierung Mittel finden könnte, jenen Mißbräuchen zu begegnen.
Die Erklärung, daß dafür die "Neichskompetenz" fehle, erinnert doch allzu¬
sehr an die Jnkvmpetenzerklärungen des alten Bundestages. Die Reichskompetenz
würde sich leicht finden lassen.

In neuerer Zeit hat man auch gerügt, daß in Preußen durch ein zufälliges
Übersehen der Gesetzgebung es dahin gekommen ist, daß in den neuen preußischen
Provinzen das Spielen in verbotenen Lotterien, sowie der Vertrieb der Loose
aus solchen mit Gefängnis oder Geldstrafe bedroht ist, während in den alten
Provinzen nur eine Geldbuße, und zwar von geringerem Umfange, darauf
gesetzt ist. Es ist neuerdings im preußischen Abgeordnetenhause ein ausdrücklicher
Antrag auf Beseitigung dieser Rechtsungleichheit gestellt worden. Wir möchten
dieser Beschwerde eine rein theoretische Natur beimessen, da wir noch nicht
gehört haben, daß in den neuen Provinzen irgend jemand wegen Spielens in
auswärtigen Lotterien oder Vertriebes auswärtiger Loose anders als mit einer
geringen Geldbuße bestraft worden sei. Jedenfalls dürfte kein Grund vorliegen,
daß man in Preußen den Vertrieb fremder Loose durch Milderung der Straf¬
bestimmungen noch erleichterte. Umgekehrt möchten wir empfehlen, wenn leine
andere Grundlage für die Neichskompetenz zur Unterdrückung des gegenwärtigen
Spielunfugs sich finden sollte, die Kompetenz des Strafrechts dazu zu benutzen.
Man brauchte nur dem § 286 des Strafgesetzbuches den Zusatz zu geben, daß
jeder, der ein Loos an den Angehörigen eines Staates, in welchem die betreffende
Lotterie nicht gestattet ist, absetzt, mit einer namhaften Gefängnisstrafe belegt
und daß der Gewinn aus einem solchen Loose konfiszirt werde, so würden die
Loose jener Staaten schwerlich noch über die Grenze wandern. Dann aber
würden die betreffenden Länder sehr bald an ihren eignen Loosen ersticken.

Ist erst einmal der gegenwärtige Zustand beseitigt, so wird man nach
einigen Jahren nicht begreifen, wie derselbe so lange hat bestehen können; gerade
so wie man heute kaum noch begreift, daß der Spielunfug in den Bädern
Jahrzehnte hindurch Protektion hat finden können.




Die Lotteriefrage im preußischen Abgeordnetenhause.

Schon die Möglichkeit dieser Konsequenz beweist, daß der gegenwärtige
Zustand dringend der Abstellung bedarf. Aber wahrlich nicht in der Weise,
daß der größte deutsche Staat zu den eingetretenen Mißbräuchen sich in Mir-
bewerb setzt. Preußen muß in allen solchen Dingen den übrigen deutschen
Staaten mit gutem Beispiele vorangehen. Auch ist ja garnicht zu zweifeln,
daß die Reichsregierung Mittel finden könnte, jenen Mißbräuchen zu begegnen.
Die Erklärung, daß dafür die „Neichskompetenz" fehle, erinnert doch allzu¬
sehr an die Jnkvmpetenzerklärungen des alten Bundestages. Die Reichskompetenz
würde sich leicht finden lassen.

In neuerer Zeit hat man auch gerügt, daß in Preußen durch ein zufälliges
Übersehen der Gesetzgebung es dahin gekommen ist, daß in den neuen preußischen
Provinzen das Spielen in verbotenen Lotterien, sowie der Vertrieb der Loose
aus solchen mit Gefängnis oder Geldstrafe bedroht ist, während in den alten
Provinzen nur eine Geldbuße, und zwar von geringerem Umfange, darauf
gesetzt ist. Es ist neuerdings im preußischen Abgeordnetenhause ein ausdrücklicher
Antrag auf Beseitigung dieser Rechtsungleichheit gestellt worden. Wir möchten
dieser Beschwerde eine rein theoretische Natur beimessen, da wir noch nicht
gehört haben, daß in den neuen Provinzen irgend jemand wegen Spielens in
auswärtigen Lotterien oder Vertriebes auswärtiger Loose anders als mit einer
geringen Geldbuße bestraft worden sei. Jedenfalls dürfte kein Grund vorliegen,
daß man in Preußen den Vertrieb fremder Loose durch Milderung der Straf¬
bestimmungen noch erleichterte. Umgekehrt möchten wir empfehlen, wenn leine
andere Grundlage für die Neichskompetenz zur Unterdrückung des gegenwärtigen
Spielunfugs sich finden sollte, die Kompetenz des Strafrechts dazu zu benutzen.
Man brauchte nur dem § 286 des Strafgesetzbuches den Zusatz zu geben, daß
jeder, der ein Loos an den Angehörigen eines Staates, in welchem die betreffende
Lotterie nicht gestattet ist, absetzt, mit einer namhaften Gefängnisstrafe belegt
und daß der Gewinn aus einem solchen Loose konfiszirt werde, so würden die
Loose jener Staaten schwerlich noch über die Grenze wandern. Dann aber
würden die betreffenden Länder sehr bald an ihren eignen Loosen ersticken.

Ist erst einmal der gegenwärtige Zustand beseitigt, so wird man nach
einigen Jahren nicht begreifen, wie derselbe so lange hat bestehen können; gerade
so wie man heute kaum noch begreift, daß der Spielunfug in den Bädern
Jahrzehnte hindurch Protektion hat finden können.




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[0133] Die Lotteriefrage im preußischen Abgeordnetenhause. Schon die Möglichkeit dieser Konsequenz beweist, daß der gegenwärtige Zustand dringend der Abstellung bedarf. Aber wahrlich nicht in der Weise, daß der größte deutsche Staat zu den eingetretenen Mißbräuchen sich in Mir- bewerb setzt. Preußen muß in allen solchen Dingen den übrigen deutschen Staaten mit gutem Beispiele vorangehen. Auch ist ja garnicht zu zweifeln, daß die Reichsregierung Mittel finden könnte, jenen Mißbräuchen zu begegnen. Die Erklärung, daß dafür die „Neichskompetenz" fehle, erinnert doch allzu¬ sehr an die Jnkvmpetenzerklärungen des alten Bundestages. Die Reichskompetenz würde sich leicht finden lassen. In neuerer Zeit hat man auch gerügt, daß in Preußen durch ein zufälliges Übersehen der Gesetzgebung es dahin gekommen ist, daß in den neuen preußischen Provinzen das Spielen in verbotenen Lotterien, sowie der Vertrieb der Loose aus solchen mit Gefängnis oder Geldstrafe bedroht ist, während in den alten Provinzen nur eine Geldbuße, und zwar von geringerem Umfange, darauf gesetzt ist. Es ist neuerdings im preußischen Abgeordnetenhause ein ausdrücklicher Antrag auf Beseitigung dieser Rechtsungleichheit gestellt worden. Wir möchten dieser Beschwerde eine rein theoretische Natur beimessen, da wir noch nicht gehört haben, daß in den neuen Provinzen irgend jemand wegen Spielens in auswärtigen Lotterien oder Vertriebes auswärtiger Loose anders als mit einer geringen Geldbuße bestraft worden sei. Jedenfalls dürfte kein Grund vorliegen, daß man in Preußen den Vertrieb fremder Loose durch Milderung der Straf¬ bestimmungen noch erleichterte. Umgekehrt möchten wir empfehlen, wenn leine andere Grundlage für die Neichskompetenz zur Unterdrückung des gegenwärtigen Spielunfugs sich finden sollte, die Kompetenz des Strafrechts dazu zu benutzen. Man brauchte nur dem § 286 des Strafgesetzbuches den Zusatz zu geben, daß jeder, der ein Loos an den Angehörigen eines Staates, in welchem die betreffende Lotterie nicht gestattet ist, absetzt, mit einer namhaften Gefängnisstrafe belegt und daß der Gewinn aus einem solchen Loose konfiszirt werde, so würden die Loose jener Staaten schwerlich noch über die Grenze wandern. Dann aber würden die betreffenden Länder sehr bald an ihren eignen Loosen ersticken. Ist erst einmal der gegenwärtige Zustand beseitigt, so wird man nach einigen Jahren nicht begreifen, wie derselbe so lange hat bestehen können; gerade so wie man heute kaum noch begreift, daß der Spielunfug in den Bädern Jahrzehnte hindurch Protektion hat finden können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/133>, abgerufen am 07.01.2025.