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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Lotteriefrage im preußischen Abgeordnetenhaus".

geordnetenhanscs die Lotterien unter ausdrücklicher Beziehung darauf, daß
sein eigner Name unter vielen Lottericanfrufcn zu finden sei. Sodann ist nicht
zu unterschätzen der Einfluß des ganzen Heeres voll Menschen, welche aus dem
Vertriebe der unzähligen Loose reichen Gewinn ziehen. Persönlich sind diese
nicht immer sehr achtbar, und jedenfalls ist ihre Thätigkeit die unproduktivste
von der Welt. Aber sie besitzen Mittel und sind oft sehr regsam. Hatte man
doch im Jahre 1868 für das Abgeordnetenhaus an 260 Petitionen mit
11000 Unterschriften, worin um Aufrechterhaltung der Stnatslotterie gebeten
war, zusammengebracht.

Wir kommen endlich auf das eigentlich treibende Moment, welches man
mit einem gewissen Scheine zur Rechtfertigung für die Erweiterung der preußi¬
schen Lotterie anführen konnte: die Thatsache, daß eine Anzahl kleinerer Staaten
mit ihren bis ins Unglaubliche vermehrten Loosen ganz Deutschland überschwemmen.
Daß dieser Zustand ein arges Übel ist, haben wir bereits oben ausgesprochen.
Aber wird denn dieses Übel gehoben dadurch, daß man die preußischen Loose
verdoppelt? Das hieße doch in der That nichts andres, als -- wir brauchen
hier einen Ausdruck des (uns sonst nicht sehr sympathischen) Abgeordneten
Strosser -- den Satan durch Belzebub vertreiben. Es wäre ja möglich, daß
durch diese Vermehrung der preußischen Loose den fremden Loosen, welche jetzt
in Preußen abgesetzt werden, der Markt erschwert und daß vielleicht der Gewinn,
den jene Länder jetzt aus Preußen ziehen, ihnen mehr oder minder entzogen
und statt dessen dem preußischen Staate zugewendet würde. Denken wir uns,
daß mau in Preußen für 27 Millionen sächsische, Braunschweiger und Ham¬
burger Loose nur aus Not, weil preußische Loose nicht mehr zu haben waren,
gekauft habe, so würden allerdings die vermehrten preußischen Loose an deren
Stelle treten und jene fremden Loose aus den preußischen Landen verdrängen können.
Aber ist man denn sicher, daß dieses Ergebnis eintreten werde? Wir halten
es nicht sür unwahrscheinlich, daß zwar die vermehrten preußischen Loose ab¬
gesetzt werden, daß daneben aber auch auf den Schleichwegen, die sie bisher
zu gehen gewohnt sind, die fremden Loose in gleichem oder doch nnr wenig
vermindertem Betrage Abnehmer finden würden. Dann wäre das Resultat jener
Operation nur das, daß das deutsche Volk veranlaßt würde, noch für 27,456,000
Mark mehr Loose zu spielen, was doch gewiß nicht wünschenswert wäre.
Außer Preußen werden gewiß eines noch andre deutsche Ländern durch die
übermäßig veranstalteten Lotterien jener kleineren Staaten beeinträchtigt. Wie
nun, wenn auch diese Länder erklärten: "Gilt es einmal, aus der großen
Suppenschüssel, die man sich vom deutschen Volke einbrocken läßt, möglichst
viel zu speisen, so wollen auch wir mitesscn!" Wie, wenn alle deutschen Länder
Lotterien im Umfange der Braunschweiger errichten wollten? Dann würden
im deutschen Volke alljährlich für 2674 Millionen Loose von Staatswegen
angeboten werden, womit wohl dem "Bedürfnis" genügt sein würde.


Die Lotteriefrage im preußischen Abgeordnetenhaus«.

geordnetenhanscs die Lotterien unter ausdrücklicher Beziehung darauf, daß
sein eigner Name unter vielen Lottericanfrufcn zu finden sei. Sodann ist nicht
zu unterschätzen der Einfluß des ganzen Heeres voll Menschen, welche aus dem
Vertriebe der unzähligen Loose reichen Gewinn ziehen. Persönlich sind diese
nicht immer sehr achtbar, und jedenfalls ist ihre Thätigkeit die unproduktivste
von der Welt. Aber sie besitzen Mittel und sind oft sehr regsam. Hatte man
doch im Jahre 1868 für das Abgeordnetenhaus an 260 Petitionen mit
11000 Unterschriften, worin um Aufrechterhaltung der Stnatslotterie gebeten
war, zusammengebracht.

Wir kommen endlich auf das eigentlich treibende Moment, welches man
mit einem gewissen Scheine zur Rechtfertigung für die Erweiterung der preußi¬
schen Lotterie anführen konnte: die Thatsache, daß eine Anzahl kleinerer Staaten
mit ihren bis ins Unglaubliche vermehrten Loosen ganz Deutschland überschwemmen.
Daß dieser Zustand ein arges Übel ist, haben wir bereits oben ausgesprochen.
Aber wird denn dieses Übel gehoben dadurch, daß man die preußischen Loose
verdoppelt? Das hieße doch in der That nichts andres, als — wir brauchen
hier einen Ausdruck des (uns sonst nicht sehr sympathischen) Abgeordneten
Strosser — den Satan durch Belzebub vertreiben. Es wäre ja möglich, daß
durch diese Vermehrung der preußischen Loose den fremden Loosen, welche jetzt
in Preußen abgesetzt werden, der Markt erschwert und daß vielleicht der Gewinn,
den jene Länder jetzt aus Preußen ziehen, ihnen mehr oder minder entzogen
und statt dessen dem preußischen Staate zugewendet würde. Denken wir uns,
daß mau in Preußen für 27 Millionen sächsische, Braunschweiger und Ham¬
burger Loose nur aus Not, weil preußische Loose nicht mehr zu haben waren,
gekauft habe, so würden allerdings die vermehrten preußischen Loose an deren
Stelle treten und jene fremden Loose aus den preußischen Landen verdrängen können.
Aber ist man denn sicher, daß dieses Ergebnis eintreten werde? Wir halten
es nicht sür unwahrscheinlich, daß zwar die vermehrten preußischen Loose ab¬
gesetzt werden, daß daneben aber auch auf den Schleichwegen, die sie bisher
zu gehen gewohnt sind, die fremden Loose in gleichem oder doch nnr wenig
vermindertem Betrage Abnehmer finden würden. Dann wäre das Resultat jener
Operation nur das, daß das deutsche Volk veranlaßt würde, noch für 27,456,000
Mark mehr Loose zu spielen, was doch gewiß nicht wünschenswert wäre.
Außer Preußen werden gewiß eines noch andre deutsche Ländern durch die
übermäßig veranstalteten Lotterien jener kleineren Staaten beeinträchtigt. Wie
nun, wenn auch diese Länder erklärten: „Gilt es einmal, aus der großen
Suppenschüssel, die man sich vom deutschen Volke einbrocken läßt, möglichst
viel zu speisen, so wollen auch wir mitesscn!" Wie, wenn alle deutschen Länder
Lotterien im Umfange der Braunschweiger errichten wollten? Dann würden
im deutschen Volke alljährlich für 2674 Millionen Loose von Staatswegen
angeboten werden, womit wohl dem „Bedürfnis" genügt sein würde.


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[0132] Die Lotteriefrage im preußischen Abgeordnetenhaus«. geordnetenhanscs die Lotterien unter ausdrücklicher Beziehung darauf, daß sein eigner Name unter vielen Lottericanfrufcn zu finden sei. Sodann ist nicht zu unterschätzen der Einfluß des ganzen Heeres voll Menschen, welche aus dem Vertriebe der unzähligen Loose reichen Gewinn ziehen. Persönlich sind diese nicht immer sehr achtbar, und jedenfalls ist ihre Thätigkeit die unproduktivste von der Welt. Aber sie besitzen Mittel und sind oft sehr regsam. Hatte man doch im Jahre 1868 für das Abgeordnetenhaus an 260 Petitionen mit 11000 Unterschriften, worin um Aufrechterhaltung der Stnatslotterie gebeten war, zusammengebracht. Wir kommen endlich auf das eigentlich treibende Moment, welches man mit einem gewissen Scheine zur Rechtfertigung für die Erweiterung der preußi¬ schen Lotterie anführen konnte: die Thatsache, daß eine Anzahl kleinerer Staaten mit ihren bis ins Unglaubliche vermehrten Loosen ganz Deutschland überschwemmen. Daß dieser Zustand ein arges Übel ist, haben wir bereits oben ausgesprochen. Aber wird denn dieses Übel gehoben dadurch, daß man die preußischen Loose verdoppelt? Das hieße doch in der That nichts andres, als — wir brauchen hier einen Ausdruck des (uns sonst nicht sehr sympathischen) Abgeordneten Strosser — den Satan durch Belzebub vertreiben. Es wäre ja möglich, daß durch diese Vermehrung der preußischen Loose den fremden Loosen, welche jetzt in Preußen abgesetzt werden, der Markt erschwert und daß vielleicht der Gewinn, den jene Länder jetzt aus Preußen ziehen, ihnen mehr oder minder entzogen und statt dessen dem preußischen Staate zugewendet würde. Denken wir uns, daß mau in Preußen für 27 Millionen sächsische, Braunschweiger und Ham¬ burger Loose nur aus Not, weil preußische Loose nicht mehr zu haben waren, gekauft habe, so würden allerdings die vermehrten preußischen Loose an deren Stelle treten und jene fremden Loose aus den preußischen Landen verdrängen können. Aber ist man denn sicher, daß dieses Ergebnis eintreten werde? Wir halten es nicht sür unwahrscheinlich, daß zwar die vermehrten preußischen Loose ab¬ gesetzt werden, daß daneben aber auch auf den Schleichwegen, die sie bisher zu gehen gewohnt sind, die fremden Loose in gleichem oder doch nnr wenig vermindertem Betrage Abnehmer finden würden. Dann wäre das Resultat jener Operation nur das, daß das deutsche Volk veranlaßt würde, noch für 27,456,000 Mark mehr Loose zu spielen, was doch gewiß nicht wünschenswert wäre. Außer Preußen werden gewiß eines noch andre deutsche Ländern durch die übermäßig veranstalteten Lotterien jener kleineren Staaten beeinträchtigt. Wie nun, wenn auch diese Länder erklärten: „Gilt es einmal, aus der großen Suppenschüssel, die man sich vom deutschen Volke einbrocken läßt, möglichst viel zu speisen, so wollen auch wir mitesscn!" Wie, wenn alle deutschen Länder Lotterien im Umfange der Braunschweiger errichten wollten? Dann würden im deutschen Volke alljährlich für 2674 Millionen Loose von Staatswegen angeboten werden, womit wohl dem „Bedürfnis" genügt sein würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/132>, abgerufen am 23.07.2024.