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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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England und die Boers.

Die Boers wußten jetzt zur Genüge, woran sie mit der britischen Politik
waren. Die gütlichen Mittel waren erschöpft, man war nur noch auf den Weg
der Gewalt angewiesen, man war gerüstet, ihn zu betreten. Die Patrioten
besaßen zwar leine Kanonen, aber gute Hinterlader, sie waren im Gebrauche
derselben geübt, sie waren tüchtige Reiter, und sie kannten das Land nach allen
Richtungen. Sie bauten auf die Geschicklichkeit ihrer militärischen Führer, auf
die Gerechtigkeit ihrer Sache und als fromme Leute auf Gott, der auch mit
kleinen Häuflein gewesen war, wenn sie unter der Fahne des Rechtes den
Heerscharen starker Tyrannen Widerstand zu leisten gewagt hatten. Kurz vor
der Mitte des Dezember 1880 traten sie in Paardekrcml in Masse zusammen,
wählten zur Leitung des Aufstandes ein Triumvirat, das aus Krüger, Prctorius
und Joubert bestand, desgleichen einen Volksraad und erklärten die Südafrikanische
Republik. Da nnr schwache englische Garnisonen im Lande zurückgeblieben
waren, ließ sich die Revolution nicht sofort erdrücken. Die englischen Land-
drosten wurden abgesetzt, Detachcments, welche Oberst Bellairs gegen die Lager
der Insurgenten entsandte, überfallen und teils niedergeschossen, teils zu Ge¬
fangenen gemacht, die Städte Rustenburg, Pretoria und Pvtschefstrovm ein¬
geschlossen und in den Drakenbergcn starke Stellungen gegen von Natal her
erwartete britische Hilfstruppen besetzt. Zu Anfang des Jahres 1881 war das
ganze Land mit Ausnahme einiger Städte, deren Besatzungen aber zur Un-
thätigkeit gezwungen waren, weil die Boers sie mit Übermacht in Schach hielten,
in den Händen der Aufständischen. Der Versuch der Engländer, von Natal
her über die Drakenbcrge in Transvaal einzudringen und jene Ortschaften zu
entsetzen, schlug vollständig fehl. Der General Sir George Colley, welcher von
dort mit etwa tausend Mann zur Unterdrückung des Aufstandes heranrückte,
erlitt bei Lcnngs Reck, einem Gebirgspässe an der Grenze, trotz seiner Artillerie
durch die Vüchsenschützen Smith, des Oberfeldherrn der Boers, eine schwere
Niederlage, durch welche sich die Lage der britischen Streitkräfte bedenklich ge¬
staltete. Am 21. Januar traf der neue Gouverneur der Kapkolonie, Sir
Hercules Robinson, in der Kapstadt ein, und bald darauf kamen von England
in Natal beträchtliche Verstärkungen unter dem General Sir Evelyn Wood an.
Ehe dieselben aber noch den Kriegsschauplatz erreichen konnten, hatte England
hier neues Unheil zu verzeichnen. Am 27. Februar fand in den Drakenbergen
ein zweites Gefecht zwischen den englischen Notröcken und den Boers statt, dessen
Mittelpunkt der Madschuba-Hill war und das mit einer blutigen Schlappe
Colleys endigte, welcher dabei selbst fiel. Es war eine Aktion etwa wie
Packenhams Niederlage vor der Baumwollenballenschanze Jacksons bei New-
orlecms. General Wood, der zugleich als Administrator von Natal fungirte,
scheint dadurch Respekt vor den Boers bekommen zu haben; denn obwohl er
über mehrere tausend Man" guter Truppen gebot und grobes Geschütz zur
Verfügung hatte, trat er uach seiner Ankunft vor dem verhängnisvollen Gebirgs-


England und die Boers.

Die Boers wußten jetzt zur Genüge, woran sie mit der britischen Politik
waren. Die gütlichen Mittel waren erschöpft, man war nur noch auf den Weg
der Gewalt angewiesen, man war gerüstet, ihn zu betreten. Die Patrioten
besaßen zwar leine Kanonen, aber gute Hinterlader, sie waren im Gebrauche
derselben geübt, sie waren tüchtige Reiter, und sie kannten das Land nach allen
Richtungen. Sie bauten auf die Geschicklichkeit ihrer militärischen Führer, auf
die Gerechtigkeit ihrer Sache und als fromme Leute auf Gott, der auch mit
kleinen Häuflein gewesen war, wenn sie unter der Fahne des Rechtes den
Heerscharen starker Tyrannen Widerstand zu leisten gewagt hatten. Kurz vor
der Mitte des Dezember 1880 traten sie in Paardekrcml in Masse zusammen,
wählten zur Leitung des Aufstandes ein Triumvirat, das aus Krüger, Prctorius
und Joubert bestand, desgleichen einen Volksraad und erklärten die Südafrikanische
Republik. Da nnr schwache englische Garnisonen im Lande zurückgeblieben
waren, ließ sich die Revolution nicht sofort erdrücken. Die englischen Land-
drosten wurden abgesetzt, Detachcments, welche Oberst Bellairs gegen die Lager
der Insurgenten entsandte, überfallen und teils niedergeschossen, teils zu Ge¬
fangenen gemacht, die Städte Rustenburg, Pretoria und Pvtschefstrovm ein¬
geschlossen und in den Drakenbergcn starke Stellungen gegen von Natal her
erwartete britische Hilfstruppen besetzt. Zu Anfang des Jahres 1881 war das
ganze Land mit Ausnahme einiger Städte, deren Besatzungen aber zur Un-
thätigkeit gezwungen waren, weil die Boers sie mit Übermacht in Schach hielten,
in den Händen der Aufständischen. Der Versuch der Engländer, von Natal
her über die Drakenbcrge in Transvaal einzudringen und jene Ortschaften zu
entsetzen, schlug vollständig fehl. Der General Sir George Colley, welcher von
dort mit etwa tausend Mann zur Unterdrückung des Aufstandes heranrückte,
erlitt bei Lcnngs Reck, einem Gebirgspässe an der Grenze, trotz seiner Artillerie
durch die Vüchsenschützen Smith, des Oberfeldherrn der Boers, eine schwere
Niederlage, durch welche sich die Lage der britischen Streitkräfte bedenklich ge¬
staltete. Am 21. Januar traf der neue Gouverneur der Kapkolonie, Sir
Hercules Robinson, in der Kapstadt ein, und bald darauf kamen von England
in Natal beträchtliche Verstärkungen unter dem General Sir Evelyn Wood an.
Ehe dieselben aber noch den Kriegsschauplatz erreichen konnten, hatte England
hier neues Unheil zu verzeichnen. Am 27. Februar fand in den Drakenbergen
ein zweites Gefecht zwischen den englischen Notröcken und den Boers statt, dessen
Mittelpunkt der Madschuba-Hill war und das mit einer blutigen Schlappe
Colleys endigte, welcher dabei selbst fiel. Es war eine Aktion etwa wie
Packenhams Niederlage vor der Baumwollenballenschanze Jacksons bei New-
orlecms. General Wood, der zugleich als Administrator von Natal fungirte,
scheint dadurch Respekt vor den Boers bekommen zu haben; denn obwohl er
über mehrere tausend Man» guter Truppen gebot und grobes Geschütz zur
Verfügung hatte, trat er uach seiner Ankunft vor dem verhängnisvollen Gebirgs-


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[0074] England und die Boers. Die Boers wußten jetzt zur Genüge, woran sie mit der britischen Politik waren. Die gütlichen Mittel waren erschöpft, man war nur noch auf den Weg der Gewalt angewiesen, man war gerüstet, ihn zu betreten. Die Patrioten besaßen zwar leine Kanonen, aber gute Hinterlader, sie waren im Gebrauche derselben geübt, sie waren tüchtige Reiter, und sie kannten das Land nach allen Richtungen. Sie bauten auf die Geschicklichkeit ihrer militärischen Führer, auf die Gerechtigkeit ihrer Sache und als fromme Leute auf Gott, der auch mit kleinen Häuflein gewesen war, wenn sie unter der Fahne des Rechtes den Heerscharen starker Tyrannen Widerstand zu leisten gewagt hatten. Kurz vor der Mitte des Dezember 1880 traten sie in Paardekrcml in Masse zusammen, wählten zur Leitung des Aufstandes ein Triumvirat, das aus Krüger, Prctorius und Joubert bestand, desgleichen einen Volksraad und erklärten die Südafrikanische Republik. Da nnr schwache englische Garnisonen im Lande zurückgeblieben waren, ließ sich die Revolution nicht sofort erdrücken. Die englischen Land- drosten wurden abgesetzt, Detachcments, welche Oberst Bellairs gegen die Lager der Insurgenten entsandte, überfallen und teils niedergeschossen, teils zu Ge¬ fangenen gemacht, die Städte Rustenburg, Pretoria und Pvtschefstrovm ein¬ geschlossen und in den Drakenbergcn starke Stellungen gegen von Natal her erwartete britische Hilfstruppen besetzt. Zu Anfang des Jahres 1881 war das ganze Land mit Ausnahme einiger Städte, deren Besatzungen aber zur Un- thätigkeit gezwungen waren, weil die Boers sie mit Übermacht in Schach hielten, in den Händen der Aufständischen. Der Versuch der Engländer, von Natal her über die Drakenbcrge in Transvaal einzudringen und jene Ortschaften zu entsetzen, schlug vollständig fehl. Der General Sir George Colley, welcher von dort mit etwa tausend Mann zur Unterdrückung des Aufstandes heranrückte, erlitt bei Lcnngs Reck, einem Gebirgspässe an der Grenze, trotz seiner Artillerie durch die Vüchsenschützen Smith, des Oberfeldherrn der Boers, eine schwere Niederlage, durch welche sich die Lage der britischen Streitkräfte bedenklich ge¬ staltete. Am 21. Januar traf der neue Gouverneur der Kapkolonie, Sir Hercules Robinson, in der Kapstadt ein, und bald darauf kamen von England in Natal beträchtliche Verstärkungen unter dem General Sir Evelyn Wood an. Ehe dieselben aber noch den Kriegsschauplatz erreichen konnten, hatte England hier neues Unheil zu verzeichnen. Am 27. Februar fand in den Drakenbergen ein zweites Gefecht zwischen den englischen Notröcken und den Boers statt, dessen Mittelpunkt der Madschuba-Hill war und das mit einer blutigen Schlappe Colleys endigte, welcher dabei selbst fiel. Es war eine Aktion etwa wie Packenhams Niederlage vor der Baumwollenballenschanze Jacksons bei New- orlecms. General Wood, der zugleich als Administrator von Natal fungirte, scheint dadurch Respekt vor den Boers bekommen zu haben; denn obwohl er über mehrere tausend Man» guter Truppen gebot und grobes Geschütz zur Verfügung hatte, trat er uach seiner Ankunft vor dem verhängnisvollen Gebirgs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/74>, abgerufen am 22.07.2024.