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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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aufgehoben, Shepstones Gewaltstreich ni Kraft bleiben und nur durch einiges
konstitutionelle Brimborium verziert werden, bei dem das Kolonialamt in
London bezüglich aller Hauptfragen die letzte Entscheidung hatte. Im Januar
wurde für das Transvaal ein so gestaltetes "verfassuugsmüßiges" Gouvernement
proklamirt, welches die große Mehrzahl der Boers natürlich nicht befriedigen
konnte, weshalb Krüger und Joubert, ihre Vertreter, am 10. Mai eine Denk¬
schrift an Sir Bartle Frere abgehen ließen, in welcher nochmals volle Unab¬
hängigkeit verlangt wurde. Am 20. Mai erklärte die Königin in der Thronrede
vor dem Parlamente: "Indem ich die Oberherrlichkeit über das Transvaal mit
seiner verschiednen Bevölkerung festhalte, wünsche ich Fürsorge für die Sicherheit
der eingebornen Nassen zu treffen Simmer das philanthropische Gesicht!s und
den europäischen Ansiedlern Institutionen zu verleihen, die auf den Grundsätzen
ausgedehnter und reichlich bemessener Selbstregierung beruhen." An demselben
Tage richtete Lord Kimberley, der Staatssekretär sür die Kolonien, ein Tele¬
gramm an Sir Bartle Frere, in dein es hieß: "Unter keinerlei Umständen kann
die Autorität der Königin im Trnnsvaalland aufgegeben werden," und am
24. Mai sagte er im Oberhause: "Die Regierung ist nach sorgfältiger Erwägung
der Verhältnisse zu dem Schlüsse gelaugt, daß wir das Transvaal sich nicht
selbst überlassen dürfen." Am 24. Juni endlich erteilte Kimberley im Auftrage
Gladstones die Antwort auf die vom 10. Mui datirte Denkschrift Krügers und
Jvnberts. Es hieß darin: "Unzweifelhaft ist sehr zu bedauern, daß es seit der
Annexion geschienen hat, als ob eine große Anzahl der Bevölkerung holländischen
Ursprunges im Transvaal gegen den Anschluß dieses Gebietes wäre. Aber es
ist dermalen unmöglich, diese Frage als jetzt zum erstenmale zur Sprache
gebracht anzusehen. Wir haben es hier mit einem Stande der Dinge zu thun,
der geraume Zeit existirt hat, während welcher vorzüglich, wenn auch nicht
ausschließlich gegenüber der eingebornen Bevölkerung Verpflichtungen eingegangen
worden sind, die nicht beiseite gesetzt werden können. Betrachten wir alle
Umstände, sowohl im Transvaal als im übrigen Südafrika, und die Not¬
wendigkeit, die Wiederkehr von Unordnungen zu verhindern, welche nicht allein
für das Transvaal, sondern für das ganze südliche Afrika zu verhängnisvollen
Folgen führen könnten, so geht unsre Meinung dahin, daß der Königin nicht
der Rat erteilt werden darf, das Transvaal aufzugeben; Wohl aber verträgt
es sich mit der Behauptung dieser Souveränetät, wenn wir wünschen, daß die
weißen Bewohner des Transvaal, ohne Präjudiz für die übrige Bevölkerung,
sich der vollständigsten Freiheit erfreuen sollten, ihre Angelegenheiten selbst zu
verwalten. Wir glauben, daß diese Freiheit dem Transvaal als einem Gliede
der südafrikanischen Konföderation sehr leicht und bald zugestanden werden kann."
Eine solche Konföderation war in London ins Auge gefaßt und sollte natürlich
von dorther die Direktive in allen wichtigeren Dingen, welche zu thun oder zu
lasten waren, empfangen.


aufgehoben, Shepstones Gewaltstreich ni Kraft bleiben und nur durch einiges
konstitutionelle Brimborium verziert werden, bei dem das Kolonialamt in
London bezüglich aller Hauptfragen die letzte Entscheidung hatte. Im Januar
wurde für das Transvaal ein so gestaltetes „verfassuugsmüßiges" Gouvernement
proklamirt, welches die große Mehrzahl der Boers natürlich nicht befriedigen
konnte, weshalb Krüger und Joubert, ihre Vertreter, am 10. Mai eine Denk¬
schrift an Sir Bartle Frere abgehen ließen, in welcher nochmals volle Unab¬
hängigkeit verlangt wurde. Am 20. Mai erklärte die Königin in der Thronrede
vor dem Parlamente: „Indem ich die Oberherrlichkeit über das Transvaal mit
seiner verschiednen Bevölkerung festhalte, wünsche ich Fürsorge für die Sicherheit
der eingebornen Nassen zu treffen Simmer das philanthropische Gesicht!s und
den europäischen Ansiedlern Institutionen zu verleihen, die auf den Grundsätzen
ausgedehnter und reichlich bemessener Selbstregierung beruhen." An demselben
Tage richtete Lord Kimberley, der Staatssekretär sür die Kolonien, ein Tele¬
gramm an Sir Bartle Frere, in dein es hieß: „Unter keinerlei Umständen kann
die Autorität der Königin im Trnnsvaalland aufgegeben werden," und am
24. Mai sagte er im Oberhause: „Die Regierung ist nach sorgfältiger Erwägung
der Verhältnisse zu dem Schlüsse gelaugt, daß wir das Transvaal sich nicht
selbst überlassen dürfen." Am 24. Juni endlich erteilte Kimberley im Auftrage
Gladstones die Antwort auf die vom 10. Mui datirte Denkschrift Krügers und
Jvnberts. Es hieß darin: „Unzweifelhaft ist sehr zu bedauern, daß es seit der
Annexion geschienen hat, als ob eine große Anzahl der Bevölkerung holländischen
Ursprunges im Transvaal gegen den Anschluß dieses Gebietes wäre. Aber es
ist dermalen unmöglich, diese Frage als jetzt zum erstenmale zur Sprache
gebracht anzusehen. Wir haben es hier mit einem Stande der Dinge zu thun,
der geraume Zeit existirt hat, während welcher vorzüglich, wenn auch nicht
ausschließlich gegenüber der eingebornen Bevölkerung Verpflichtungen eingegangen
worden sind, die nicht beiseite gesetzt werden können. Betrachten wir alle
Umstände, sowohl im Transvaal als im übrigen Südafrika, und die Not¬
wendigkeit, die Wiederkehr von Unordnungen zu verhindern, welche nicht allein
für das Transvaal, sondern für das ganze südliche Afrika zu verhängnisvollen
Folgen führen könnten, so geht unsre Meinung dahin, daß der Königin nicht
der Rat erteilt werden darf, das Transvaal aufzugeben; Wohl aber verträgt
es sich mit der Behauptung dieser Souveränetät, wenn wir wünschen, daß die
weißen Bewohner des Transvaal, ohne Präjudiz für die übrige Bevölkerung,
sich der vollständigsten Freiheit erfreuen sollten, ihre Angelegenheiten selbst zu
verwalten. Wir glauben, daß diese Freiheit dem Transvaal als einem Gliede
der südafrikanischen Konföderation sehr leicht und bald zugestanden werden kann."
Eine solche Konföderation war in London ins Auge gefaßt und sollte natürlich
von dorther die Direktive in allen wichtigeren Dingen, welche zu thun oder zu
lasten waren, empfangen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/73>, abgerufen am 22.07.2024.