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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine Perle.

Immer noch bei den Schimmeln, Signor Beppo. Er gefiel ihr je länger
je mehr.

Ganz recht; Ihr paßt gut auf, Madonna Eufemia; so muß ein richtiges
Frauenzimmer beschaffen sein.

Also was ist mit den Schimmeln?

In s-niirrg. Mg,, Ihr habt mir's angethan. Noch nie ist mir der Faden
der Rede so oft abgerissen. Also um kurz zu sein: wenn mein Herr die vier
Pferde in einer Hand sieht -- und hente noch fahre ich mit ihnen durch alle
Hauptstraßen Veronas --, dann weiß ich, hält er's nicht aus. Schneidet mir
beide Ohren ab, Madonna Eufemia, wenn er's aushält. Halt still, Beppo,
höre ich meinen Herrn schon rufen, ich war ein Narr, Beppo, ich war ein Be¬
sessener. Was geht mich die Mantuaucrin an? Herab vom Bock, Esel
-- denn ohne Grobheiten geht's auch bei Versöhnungen mit ihm nicht ab --,
und damit sitzt er oben und hat die Zügel in der Hand und knallt, daß die
Grauschimmel meinen, der jüngste Tag breche an, und nun in scharfem Trabe
zur Porta Stuppa hinaus, daß die Hufeisen dem Wachtposten in die Suppe
fliegen, und daß ganz Verona die Fenster aufsperrt und sich zuruft: Nach dem
Ponte ti Veja! Der tolle Gonzagn fährt mit Vieren über die Veja-Abgründe
weg! Ihm nach! Das muß man gesehen haben! Lvvivu, Gonzaga! IZvviva,
Guiseppe Gonzaga!

Eufemia hielt sich die Ohren zu.

Wir haben noch nie den Hals gebrochen, wollte Beppo sie beruhigen; an
irgendeinem Buschwerk bleiben wir im Notfall immer hängen --

Aber nein, nein, remonstrirte Enfemia, Ihr sollt nur nicht so schreien, und
noch dazu so dicht hinter meiner armen Herrin, an der ich hier, Euch zu Liebe,
Verrat üben soll, wie Judas unsern Herrn und Heiland verraten hat. Denn
zuletzt wollt Ihr ja doch nur hintertreiben, daß beide ein glückliches Paar
werden. Und warum sollen sie's nicht werden? Weil Ihr keinen so freigebigen
und nachsichtigen Herrn wieder bekommt. O ich habe jedes Wort gehört, wenn
ich auch über Eltern galanten Redensarten etwas konfus geworden war. Meine
Herrin wird es aber nicht überleben, sage ich Euch, wenn sie einen andern hei¬
raten soll. Und Enfemia mußte sich Gewalt anthun, um nicht aus Mitgefühl
in lantes Schluchzen ciuszubrcchcn.

Ich hatte Euch für vernünftiger gehalten, sagte Beppo.

Mich in solche Anschläge einzuweihen!

Für sehr viel vernünftiger.

Um zu so etwas zu schweigen, müßte ich ja einen Stein im Leibe haben.

Statt des Herzens, wollt Ihr sagen.

Ja, statt des Herzens. Ihr habt keins, sonst spannet Ihr nicht solch finstre
Pläne.

Ihr vergesset nämlich eins --


Um eine Perle.

Immer noch bei den Schimmeln, Signor Beppo. Er gefiel ihr je länger
je mehr.

Ganz recht; Ihr paßt gut auf, Madonna Eufemia; so muß ein richtiges
Frauenzimmer beschaffen sein.

Also was ist mit den Schimmeln?

In s-niirrg. Mg,, Ihr habt mir's angethan. Noch nie ist mir der Faden
der Rede so oft abgerissen. Also um kurz zu sein: wenn mein Herr die vier
Pferde in einer Hand sieht — und hente noch fahre ich mit ihnen durch alle
Hauptstraßen Veronas —, dann weiß ich, hält er's nicht aus. Schneidet mir
beide Ohren ab, Madonna Eufemia, wenn er's aushält. Halt still, Beppo,
höre ich meinen Herrn schon rufen, ich war ein Narr, Beppo, ich war ein Be¬
sessener. Was geht mich die Mantuaucrin an? Herab vom Bock, Esel
— denn ohne Grobheiten geht's auch bei Versöhnungen mit ihm nicht ab —,
und damit sitzt er oben und hat die Zügel in der Hand und knallt, daß die
Grauschimmel meinen, der jüngste Tag breche an, und nun in scharfem Trabe
zur Porta Stuppa hinaus, daß die Hufeisen dem Wachtposten in die Suppe
fliegen, und daß ganz Verona die Fenster aufsperrt und sich zuruft: Nach dem
Ponte ti Veja! Der tolle Gonzagn fährt mit Vieren über die Veja-Abgründe
weg! Ihm nach! Das muß man gesehen haben! Lvvivu, Gonzaga! IZvviva,
Guiseppe Gonzaga!

Eufemia hielt sich die Ohren zu.

Wir haben noch nie den Hals gebrochen, wollte Beppo sie beruhigen; an
irgendeinem Buschwerk bleiben wir im Notfall immer hängen —

Aber nein, nein, remonstrirte Enfemia, Ihr sollt nur nicht so schreien, und
noch dazu so dicht hinter meiner armen Herrin, an der ich hier, Euch zu Liebe,
Verrat üben soll, wie Judas unsern Herrn und Heiland verraten hat. Denn
zuletzt wollt Ihr ja doch nur hintertreiben, daß beide ein glückliches Paar
werden. Und warum sollen sie's nicht werden? Weil Ihr keinen so freigebigen
und nachsichtigen Herrn wieder bekommt. O ich habe jedes Wort gehört, wenn
ich auch über Eltern galanten Redensarten etwas konfus geworden war. Meine
Herrin wird es aber nicht überleben, sage ich Euch, wenn sie einen andern hei¬
raten soll. Und Enfemia mußte sich Gewalt anthun, um nicht aus Mitgefühl
in lantes Schluchzen ciuszubrcchcn.

Ich hatte Euch für vernünftiger gehalten, sagte Beppo.

Mich in solche Anschläge einzuweihen!

Für sehr viel vernünftiger.

Um zu so etwas zu schweigen, müßte ich ja einen Stein im Leibe haben.

Statt des Herzens, wollt Ihr sagen.

Ja, statt des Herzens. Ihr habt keins, sonst spannet Ihr nicht solch finstre
Pläne.

Ihr vergesset nämlich eins —


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[0704] Um eine Perle. Immer noch bei den Schimmeln, Signor Beppo. Er gefiel ihr je länger je mehr. Ganz recht; Ihr paßt gut auf, Madonna Eufemia; so muß ein richtiges Frauenzimmer beschaffen sein. Also was ist mit den Schimmeln? In s-niirrg. Mg,, Ihr habt mir's angethan. Noch nie ist mir der Faden der Rede so oft abgerissen. Also um kurz zu sein: wenn mein Herr die vier Pferde in einer Hand sieht — und hente noch fahre ich mit ihnen durch alle Hauptstraßen Veronas —, dann weiß ich, hält er's nicht aus. Schneidet mir beide Ohren ab, Madonna Eufemia, wenn er's aushält. Halt still, Beppo, höre ich meinen Herrn schon rufen, ich war ein Narr, Beppo, ich war ein Be¬ sessener. Was geht mich die Mantuaucrin an? Herab vom Bock, Esel — denn ohne Grobheiten geht's auch bei Versöhnungen mit ihm nicht ab —, und damit sitzt er oben und hat die Zügel in der Hand und knallt, daß die Grauschimmel meinen, der jüngste Tag breche an, und nun in scharfem Trabe zur Porta Stuppa hinaus, daß die Hufeisen dem Wachtposten in die Suppe fliegen, und daß ganz Verona die Fenster aufsperrt und sich zuruft: Nach dem Ponte ti Veja! Der tolle Gonzagn fährt mit Vieren über die Veja-Abgründe weg! Ihm nach! Das muß man gesehen haben! Lvvivu, Gonzaga! IZvviva, Guiseppe Gonzaga! Eufemia hielt sich die Ohren zu. Wir haben noch nie den Hals gebrochen, wollte Beppo sie beruhigen; an irgendeinem Buschwerk bleiben wir im Notfall immer hängen — Aber nein, nein, remonstrirte Enfemia, Ihr sollt nur nicht so schreien, und noch dazu so dicht hinter meiner armen Herrin, an der ich hier, Euch zu Liebe, Verrat üben soll, wie Judas unsern Herrn und Heiland verraten hat. Denn zuletzt wollt Ihr ja doch nur hintertreiben, daß beide ein glückliches Paar werden. Und warum sollen sie's nicht werden? Weil Ihr keinen so freigebigen und nachsichtigen Herrn wieder bekommt. O ich habe jedes Wort gehört, wenn ich auch über Eltern galanten Redensarten etwas konfus geworden war. Meine Herrin wird es aber nicht überleben, sage ich Euch, wenn sie einen andern hei¬ raten soll. Und Enfemia mußte sich Gewalt anthun, um nicht aus Mitgefühl in lantes Schluchzen ciuszubrcchcn. Ich hatte Euch für vernünftiger gehalten, sagte Beppo. Mich in solche Anschläge einzuweihen! Für sehr viel vernünftiger. Um zu so etwas zu schweigen, müßte ich ja einen Stein im Leibe haben. Statt des Herzens, wollt Ihr sagen. Ja, statt des Herzens. Ihr habt keins, sonst spannet Ihr nicht solch finstre Pläne. Ihr vergesset nämlich eins —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/704>, abgerufen am 22.07.2024.