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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine Perle.

Daß jeder sich selbst der Nächste ist -- o Ihr habt den Herrn Gonzaga
nicht als Säugling auf dem Schoße gehabt, wie ich mein gnädiges Fräulein,
sonst sagtet Ihr nicht, daß jeder sich selbst der Nächste ist. So reden nur
Diener, die einzig um des Geldes und um der bequemen Tage willen die Livree
ihrer Herrschaft tragen, nicht aus Liebe und Anhänglichkeit.

Gegen Euch ist nicht auszukommen, sagte Beppo, der im Grunde auch für
diese löbliche Seite der Friaulcrin nicht ganz unempfindlich war, eher kommt
eine Forelle einen Sturzbach hinauf.

Redet nur, hielt Eufcmia an sich, ich bin froh, wenn Ihr mir's abnehme.

Was habt Ihr also ganz vergessen? wollte Beppo seine Rechtfertigung
beginnen, daß mein lieber Herr --

Den sämtlichen Veroneser Damen schon die Köpfe verdreht hat, fiel ihm
Eufcmia schon wieder ins Wort; was kann er dafür? Das weibliche Geschlecht
ist eben zum Fenerfangen da! Icläio hat es so gewollt! Ihr blitzet, und wir
brennen. Was kann man gegen die Natur?

Lsirissww, sagte Beppo, reden wir aber Naturgeschichte oder reden wir
Logik? -- das war eine Reminiscenz aus der Zeit seines Kardinaldienstes --
reden wir von den Weibern oder von meinem gnädigen Herrn? Gut, es soll
kein Fehler an ihm sein, daß er sich in jedes glatte Gesicht zum Sterben ver¬
liebt, aber ahnt das Eure Herrin? Will sie sich dem aussetzen? Ist sie nicht
zu gut dazu? Thut Ihr uicht ein gutes Werk, wenn Ihr bei Zeiten Wasser
ins Feuer gießt? Daraus antwortet mir. Ich bin neugierig, was Ihr darauf
zu sagen habt, Madonna Eufcmia.

Darauf antworte ich, Signor Beppo: daß Ihr mich folglich schnöde hin¬
ters Licht führtet.

Ich Euch?

Besinnet Euch!

Mein Gedächtnis macht mir keinen Vorwurf.

Und Ihr wißt nicht wehr, was Ihr mir gestern Morgen im Albergv
della Scala von den Tugenden Eures Herrn vorgegaukelt habt, bis ich schwach
genug war, Euch den Reisezweck meiner Herrschaft zu verraten, ja den Vor¬
schlag mit dem Papillotcnsigncil anzunehmen?

Aus Liebe zu Euerm gnädigen Fräulein.

Gewiß. Ich wollte ihrem Glücke nicht im Wege stehen.

Und ich nicht dem Glücke meines Herrn, obschon ich ihn nicht als Säug¬
ling auf dem Schoße gewiegt habe.

Eufcmia sah ein, daß er nicht in die Enge zu treiben war. In dieser
Weise verlieren wir nnr unsre Zeit, sagte sie, verständigen wir uns! Wenn Ihr
dazu thut, daß Euer Herr sich mein Fräulein ans dem Sinne schlägt, so
mag Euch das für eine Weile zum Vorteil gereichen, vorausgesetzt, Ihr und
Euer Herr brecht uicht schon heute das Genick --


Um eine Perle.

Daß jeder sich selbst der Nächste ist — o Ihr habt den Herrn Gonzaga
nicht als Säugling auf dem Schoße gehabt, wie ich mein gnädiges Fräulein,
sonst sagtet Ihr nicht, daß jeder sich selbst der Nächste ist. So reden nur
Diener, die einzig um des Geldes und um der bequemen Tage willen die Livree
ihrer Herrschaft tragen, nicht aus Liebe und Anhänglichkeit.

Gegen Euch ist nicht auszukommen, sagte Beppo, der im Grunde auch für
diese löbliche Seite der Friaulcrin nicht ganz unempfindlich war, eher kommt
eine Forelle einen Sturzbach hinauf.

Redet nur, hielt Eufcmia an sich, ich bin froh, wenn Ihr mir's abnehme.

Was habt Ihr also ganz vergessen? wollte Beppo seine Rechtfertigung
beginnen, daß mein lieber Herr —

Den sämtlichen Veroneser Damen schon die Köpfe verdreht hat, fiel ihm
Eufcmia schon wieder ins Wort; was kann er dafür? Das weibliche Geschlecht
ist eben zum Fenerfangen da! Icläio hat es so gewollt! Ihr blitzet, und wir
brennen. Was kann man gegen die Natur?

Lsirissww, sagte Beppo, reden wir aber Naturgeschichte oder reden wir
Logik? — das war eine Reminiscenz aus der Zeit seines Kardinaldienstes —
reden wir von den Weibern oder von meinem gnädigen Herrn? Gut, es soll
kein Fehler an ihm sein, daß er sich in jedes glatte Gesicht zum Sterben ver¬
liebt, aber ahnt das Eure Herrin? Will sie sich dem aussetzen? Ist sie nicht
zu gut dazu? Thut Ihr uicht ein gutes Werk, wenn Ihr bei Zeiten Wasser
ins Feuer gießt? Daraus antwortet mir. Ich bin neugierig, was Ihr darauf
zu sagen habt, Madonna Eufcmia.

Darauf antworte ich, Signor Beppo: daß Ihr mich folglich schnöde hin¬
ters Licht führtet.

Ich Euch?

Besinnet Euch!

Mein Gedächtnis macht mir keinen Vorwurf.

Und Ihr wißt nicht wehr, was Ihr mir gestern Morgen im Albergv
della Scala von den Tugenden Eures Herrn vorgegaukelt habt, bis ich schwach
genug war, Euch den Reisezweck meiner Herrschaft zu verraten, ja den Vor¬
schlag mit dem Papillotcnsigncil anzunehmen?

Aus Liebe zu Euerm gnädigen Fräulein.

Gewiß. Ich wollte ihrem Glücke nicht im Wege stehen.

Und ich nicht dem Glücke meines Herrn, obschon ich ihn nicht als Säug¬
ling auf dem Schoße gewiegt habe.

Eufcmia sah ein, daß er nicht in die Enge zu treiben war. In dieser
Weise verlieren wir nnr unsre Zeit, sagte sie, verständigen wir uns! Wenn Ihr
dazu thut, daß Euer Herr sich mein Fräulein ans dem Sinne schlägt, so
mag Euch das für eine Weile zum Vorteil gereichen, vorausgesetzt, Ihr und
Euer Herr brecht uicht schon heute das Genick —


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[0705] Um eine Perle. Daß jeder sich selbst der Nächste ist — o Ihr habt den Herrn Gonzaga nicht als Säugling auf dem Schoße gehabt, wie ich mein gnädiges Fräulein, sonst sagtet Ihr nicht, daß jeder sich selbst der Nächste ist. So reden nur Diener, die einzig um des Geldes und um der bequemen Tage willen die Livree ihrer Herrschaft tragen, nicht aus Liebe und Anhänglichkeit. Gegen Euch ist nicht auszukommen, sagte Beppo, der im Grunde auch für diese löbliche Seite der Friaulcrin nicht ganz unempfindlich war, eher kommt eine Forelle einen Sturzbach hinauf. Redet nur, hielt Eufcmia an sich, ich bin froh, wenn Ihr mir's abnehme. Was habt Ihr also ganz vergessen? wollte Beppo seine Rechtfertigung beginnen, daß mein lieber Herr — Den sämtlichen Veroneser Damen schon die Köpfe verdreht hat, fiel ihm Eufcmia schon wieder ins Wort; was kann er dafür? Das weibliche Geschlecht ist eben zum Fenerfangen da! Icläio hat es so gewollt! Ihr blitzet, und wir brennen. Was kann man gegen die Natur? Lsirissww, sagte Beppo, reden wir aber Naturgeschichte oder reden wir Logik? — das war eine Reminiscenz aus der Zeit seines Kardinaldienstes — reden wir von den Weibern oder von meinem gnädigen Herrn? Gut, es soll kein Fehler an ihm sein, daß er sich in jedes glatte Gesicht zum Sterben ver¬ liebt, aber ahnt das Eure Herrin? Will sie sich dem aussetzen? Ist sie nicht zu gut dazu? Thut Ihr uicht ein gutes Werk, wenn Ihr bei Zeiten Wasser ins Feuer gießt? Daraus antwortet mir. Ich bin neugierig, was Ihr darauf zu sagen habt, Madonna Eufcmia. Darauf antworte ich, Signor Beppo: daß Ihr mich folglich schnöde hin¬ ters Licht führtet. Ich Euch? Besinnet Euch! Mein Gedächtnis macht mir keinen Vorwurf. Und Ihr wißt nicht wehr, was Ihr mir gestern Morgen im Albergv della Scala von den Tugenden Eures Herrn vorgegaukelt habt, bis ich schwach genug war, Euch den Reisezweck meiner Herrschaft zu verraten, ja den Vor¬ schlag mit dem Papillotcnsigncil anzunehmen? Aus Liebe zu Euerm gnädigen Fräulein. Gewiß. Ich wollte ihrem Glücke nicht im Wege stehen. Und ich nicht dem Glücke meines Herrn, obschon ich ihn nicht als Säug¬ ling auf dem Schoße gewiegt habe. Eufcmia sah ein, daß er nicht in die Enge zu treiben war. In dieser Weise verlieren wir nnr unsre Zeit, sagte sie, verständigen wir uns! Wenn Ihr dazu thut, daß Euer Herr sich mein Fräulein ans dem Sinne schlägt, so mag Euch das für eine Weile zum Vorteil gereichen, vorausgesetzt, Ihr und Euer Herr brecht uicht schon heute das Genick —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/705>, abgerufen am 22.07.2024.