Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Um eine Perle.

Würden, glaube ich, vor Verdruß und Neid platzen, wenn es eine durchsetzte,
ihn an die Kette zu legen. Daß er es zu einem solchen allgemeinen Unglück
nicht kommen läßt, das kann Verona ihm danken, und wenn ich Euch als Kol¬
legin das alles so ohne Verbrämung sage, da solltet Ihr mir dafür danken
und nicht von Verunglimpfen reden.

Ich glaubte, Ihr schmiedet auf, entschuldigte sich Eufemia.

Das ist nicht meine Art, am wenigsten mit meinesgleichen, und Ihr er¬
laubt doch, daß ich Euch meinesgleichen nenne.

Ich bin nnr eine Bäuerin, sagte Eufemia mit verschämten niederblicken.

Ihr seid Witwe?

Zum wenigsten frei.

Darüber reden wir ein andermal. Wo war ich stehen geblieben?

Ihr habt mich selbst ganz konfus gemacht. Ich denke, bei den vier Pferden.

So ist es!

Was Euch die helfen sollen, weiß ich nämlich noch immer nicht.

Lsiie, jetzt gebt Acht. Ich sagte Euch, mein Herr habe mich weggejagt --

Und sei ganz des Teufels.

So sagte ich, und so steht es in der That mit ihm. Nun scheint mir's,
da ihn bisher noch keine Liebschaft bis zu diesem Pnnkte aus den Fugen gebracht
hat, daß ich ihn nicht im Stiche lassen darf, versteht Ihr, nicht darf; denn unser¬
eins hat doch auch sein Gewissen.

O, und vielleicht mehr als mancher andre.

Lasse ich ihn im Stiche, so rennt er mit dem Kopfe gegen die Wand --
hundertmal hätte er ihn sich schon eingerammt, wäre ich nicht bei der Hand ge¬
wesen, um rasch vorher ein Loch zu machen; aber nie früher hat er sich gegen
mich der Worte bedient: Beppo, ich kann dein Gesicht und deine Gesellschaft
nicht mehr etragen. Nicht mehr ertragen! Spricht man so bei gesunden Sinnen?
Ich schicke nicht, ich habe mehr gesunde Zähne im Munde als die meisten Men¬
schen, die Nase steht mir nicht der Quere. Sagt mir, Madonna Eufemia, was
soll man von einem solchen Menschen halte", dein bei meinem Gesicht schlimm wird?

Beppo wirbelte seinen pechschwarzen Schnurrbart in den Fingern und blickte
so menschlich in die Welt hinaus, wie es seinen verschmitzten kleinen Augen
nur irgend möglich war.

Ihr habt Recht, Signor Beppo, gab Eufemia mit einem wohlgefälligen
Seitenblicke nach dem Besitzer der drei Grauschimmel zur Antwort; ich wüßte
nicht, warum einem in Eurer Gesellschaft schlimm werden sollte.

Aber bei meinem Anblick?

Erst recht nicht -- ich wollte sagen -- aber Ihr treibt Euern Scherz
mit mir.

Meine Absichten sind die allerehrlichsten -- er legte die Hand auf die
Brust; doch davon ein andermal. Wo war ich stehen geblieben?


Um eine Perle.

Würden, glaube ich, vor Verdruß und Neid platzen, wenn es eine durchsetzte,
ihn an die Kette zu legen. Daß er es zu einem solchen allgemeinen Unglück
nicht kommen läßt, das kann Verona ihm danken, und wenn ich Euch als Kol¬
legin das alles so ohne Verbrämung sage, da solltet Ihr mir dafür danken
und nicht von Verunglimpfen reden.

Ich glaubte, Ihr schmiedet auf, entschuldigte sich Eufemia.

Das ist nicht meine Art, am wenigsten mit meinesgleichen, und Ihr er¬
laubt doch, daß ich Euch meinesgleichen nenne.

Ich bin nnr eine Bäuerin, sagte Eufemia mit verschämten niederblicken.

Ihr seid Witwe?

Zum wenigsten frei.

Darüber reden wir ein andermal. Wo war ich stehen geblieben?

Ihr habt mich selbst ganz konfus gemacht. Ich denke, bei den vier Pferden.

So ist es!

Was Euch die helfen sollen, weiß ich nämlich noch immer nicht.

Lsiie, jetzt gebt Acht. Ich sagte Euch, mein Herr habe mich weggejagt —

Und sei ganz des Teufels.

So sagte ich, und so steht es in der That mit ihm. Nun scheint mir's,
da ihn bisher noch keine Liebschaft bis zu diesem Pnnkte aus den Fugen gebracht
hat, daß ich ihn nicht im Stiche lassen darf, versteht Ihr, nicht darf; denn unser¬
eins hat doch auch sein Gewissen.

O, und vielleicht mehr als mancher andre.

Lasse ich ihn im Stiche, so rennt er mit dem Kopfe gegen die Wand —
hundertmal hätte er ihn sich schon eingerammt, wäre ich nicht bei der Hand ge¬
wesen, um rasch vorher ein Loch zu machen; aber nie früher hat er sich gegen
mich der Worte bedient: Beppo, ich kann dein Gesicht und deine Gesellschaft
nicht mehr etragen. Nicht mehr ertragen! Spricht man so bei gesunden Sinnen?
Ich schicke nicht, ich habe mehr gesunde Zähne im Munde als die meisten Men¬
schen, die Nase steht mir nicht der Quere. Sagt mir, Madonna Eufemia, was
soll man von einem solchen Menschen halte», dein bei meinem Gesicht schlimm wird?

Beppo wirbelte seinen pechschwarzen Schnurrbart in den Fingern und blickte
so menschlich in die Welt hinaus, wie es seinen verschmitzten kleinen Augen
nur irgend möglich war.

Ihr habt Recht, Signor Beppo, gab Eufemia mit einem wohlgefälligen
Seitenblicke nach dem Besitzer der drei Grauschimmel zur Antwort; ich wüßte
nicht, warum einem in Eurer Gesellschaft schlimm werden sollte.

Aber bei meinem Anblick?

Erst recht nicht — ich wollte sagen — aber Ihr treibt Euern Scherz
mit mir.

Meine Absichten sind die allerehrlichsten — er legte die Hand auf die
Brust; doch davon ein andermal. Wo war ich stehen geblieben?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0703" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195379"/>
            <fw type="header" place="top"> Um eine Perle.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2722" prev="#ID_2721"> Würden, glaube ich, vor Verdruß und Neid platzen, wenn es eine durchsetzte,<lb/>
ihn an die Kette zu legen. Daß er es zu einem solchen allgemeinen Unglück<lb/>
nicht kommen läßt, das kann Verona ihm danken, und wenn ich Euch als Kol¬<lb/>
legin das alles so ohne Verbrämung sage, da solltet Ihr mir dafür danken<lb/>
und nicht von Verunglimpfen reden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2723"> Ich glaubte, Ihr schmiedet auf, entschuldigte sich Eufemia.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2724"> Das ist nicht meine Art, am wenigsten mit meinesgleichen, und Ihr er¬<lb/>
laubt doch, daß ich Euch meinesgleichen nenne.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2725"> Ich bin nnr eine Bäuerin, sagte Eufemia mit verschämten niederblicken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2726"> Ihr seid Witwe?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2727"> Zum wenigsten frei.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2728"> Darüber reden wir ein andermal.  Wo war ich stehen geblieben?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2729"> Ihr habt mich selbst ganz konfus gemacht. Ich denke, bei den vier Pferden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2730"> So ist es!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2731"> Was Euch die helfen sollen, weiß ich nämlich noch immer nicht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2732"> Lsiie, jetzt gebt Acht. Ich sagte Euch, mein Herr habe mich weggejagt &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2733"> Und sei ganz des Teufels.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2734"> So sagte ich, und so steht es in der That mit ihm. Nun scheint mir's,<lb/>
da ihn bisher noch keine Liebschaft bis zu diesem Pnnkte aus den Fugen gebracht<lb/>
hat, daß ich ihn nicht im Stiche lassen darf, versteht Ihr, nicht darf; denn unser¬<lb/>
eins hat doch auch sein Gewissen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2735"> O, und vielleicht mehr als mancher andre.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2736"> Lasse ich ihn im Stiche, so rennt er mit dem Kopfe gegen die Wand &#x2014;<lb/>
hundertmal hätte er ihn sich schon eingerammt, wäre ich nicht bei der Hand ge¬<lb/>
wesen, um rasch vorher ein Loch zu machen; aber nie früher hat er sich gegen<lb/>
mich der Worte bedient: Beppo, ich kann dein Gesicht und deine Gesellschaft<lb/>
nicht mehr etragen. Nicht mehr ertragen! Spricht man so bei gesunden Sinnen?<lb/>
Ich schicke nicht, ich habe mehr gesunde Zähne im Munde als die meisten Men¬<lb/>
schen, die Nase steht mir nicht der Quere. Sagt mir, Madonna Eufemia, was<lb/>
soll man von einem solchen Menschen halte», dein bei meinem Gesicht schlimm wird?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2737"> Beppo wirbelte seinen pechschwarzen Schnurrbart in den Fingern und blickte<lb/>
so menschlich in die Welt hinaus, wie es seinen verschmitzten kleinen Augen<lb/>
nur irgend möglich war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2738"> Ihr habt Recht, Signor Beppo, gab Eufemia mit einem wohlgefälligen<lb/>
Seitenblicke nach dem Besitzer der drei Grauschimmel zur Antwort; ich wüßte<lb/>
nicht, warum einem in Eurer Gesellschaft schlimm werden sollte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2739"> Aber bei meinem Anblick?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2740"> Erst recht nicht &#x2014; ich wollte sagen &#x2014; aber Ihr treibt Euern Scherz<lb/>
mit mir.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2741"> Meine Absichten sind die allerehrlichsten &#x2014; er legte die Hand auf die<lb/>
Brust; doch davon ein andermal.  Wo war ich stehen geblieben?</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0703] Um eine Perle. Würden, glaube ich, vor Verdruß und Neid platzen, wenn es eine durchsetzte, ihn an die Kette zu legen. Daß er es zu einem solchen allgemeinen Unglück nicht kommen läßt, das kann Verona ihm danken, und wenn ich Euch als Kol¬ legin das alles so ohne Verbrämung sage, da solltet Ihr mir dafür danken und nicht von Verunglimpfen reden. Ich glaubte, Ihr schmiedet auf, entschuldigte sich Eufemia. Das ist nicht meine Art, am wenigsten mit meinesgleichen, und Ihr er¬ laubt doch, daß ich Euch meinesgleichen nenne. Ich bin nnr eine Bäuerin, sagte Eufemia mit verschämten niederblicken. Ihr seid Witwe? Zum wenigsten frei. Darüber reden wir ein andermal. Wo war ich stehen geblieben? Ihr habt mich selbst ganz konfus gemacht. Ich denke, bei den vier Pferden. So ist es! Was Euch die helfen sollen, weiß ich nämlich noch immer nicht. Lsiie, jetzt gebt Acht. Ich sagte Euch, mein Herr habe mich weggejagt — Und sei ganz des Teufels. So sagte ich, und so steht es in der That mit ihm. Nun scheint mir's, da ihn bisher noch keine Liebschaft bis zu diesem Pnnkte aus den Fugen gebracht hat, daß ich ihn nicht im Stiche lassen darf, versteht Ihr, nicht darf; denn unser¬ eins hat doch auch sein Gewissen. O, und vielleicht mehr als mancher andre. Lasse ich ihn im Stiche, so rennt er mit dem Kopfe gegen die Wand — hundertmal hätte er ihn sich schon eingerammt, wäre ich nicht bei der Hand ge¬ wesen, um rasch vorher ein Loch zu machen; aber nie früher hat er sich gegen mich der Worte bedient: Beppo, ich kann dein Gesicht und deine Gesellschaft nicht mehr etragen. Nicht mehr ertragen! Spricht man so bei gesunden Sinnen? Ich schicke nicht, ich habe mehr gesunde Zähne im Munde als die meisten Men¬ schen, die Nase steht mir nicht der Quere. Sagt mir, Madonna Eufemia, was soll man von einem solchen Menschen halte», dein bei meinem Gesicht schlimm wird? Beppo wirbelte seinen pechschwarzen Schnurrbart in den Fingern und blickte so menschlich in die Welt hinaus, wie es seinen verschmitzten kleinen Augen nur irgend möglich war. Ihr habt Recht, Signor Beppo, gab Eufemia mit einem wohlgefälligen Seitenblicke nach dem Besitzer der drei Grauschimmel zur Antwort; ich wüßte nicht, warum einem in Eurer Gesellschaft schlimm werden sollte. Aber bei meinem Anblick? Erst recht nicht — ich wollte sagen — aber Ihr treibt Euern Scherz mit mir. Meine Absichten sind die allerehrlichsten — er legte die Hand auf die Brust; doch davon ein andermal. Wo war ich stehen geblieben?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/703
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/703>, abgerufen am 22.07.2024.