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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine Perle.

Mein Ziel ist vor der Hand Villafranca, sagte Beppo. Warum? Weil
mein Herr mir als Schmerzensgeld drei Grauschimmel geschenkt hat, die er
vorgestern auf dem Pferdemarkt bei der Madonna ti Campagna unweit Verona
gekauft hat, und weil das vierte Pferd im Conte ti Virtü eingestellt ist, Ihr wißt,
in dem Gasthofe, der uns das Glück verschaffte, Euch ins Zimmer zu gucken.
Ng-in-aeneo, ich wünschte, es wäre nie geschehen, denn wo finde ich einen so frei¬
gebigen und so nachsichtigen Herrn wieder, wie meinen Principe! In ganz
Verona nicht! Und wer weiß, ob in Mantua?

Aber was wollt Ihr denn mit dem vierten Pferde? fragte Enfemia, deren
Neugierde immer am Nebensächlichen hängen blieb, ich denke, drei Pferde fressen
schon mehr Hafer, als Euch lieb sein wird.

Das vierte war vorgestern angeblich nicht feil, sagte Beppo, man wollte
meinen Herrn eben schrauben; so treibens die Pferdehändler immer; wollt Ihr
wetten? ich bekomme es auf der Stelle, und zwar zur Hälfte des Preises, den
mein Herr vorgestern bot. Lehrt mich Pferde einkaufen!

Aber so wollt Ihr also durchaus mit Vieren fahren und selbst den Herrn
spielen?

Nein, versetzte Beppo, das will ich nicht.

Was denn sonst?

Beppo strich sich ums Kinn. Die Wahrheit zu gestehen, sagte er, ich
möchte meinen Herrn noch nicht ganz aufgeben.

Und dazu braucht Ihr vier Pferde?

Drei Pferde spannt man vor gemeines Fuhrwerk, antwortete Beppo.

Das ist mir nicht neu.

Er konnte also mit den drei Schimmeln absolut nichts anfangen.

Weiter!

Der vierte mußte herbei.

War aber nicht feil; weiter!

Nun müßt Ihr wissen -- ganz im Vertrauen --, daß mein Herr eigent¬
lich ein rechter Spatz ist -- laßt mich ausreden --, daß er also aller acht
Tage sein Herz an eine andre Schönheit verliert. Sagte ich, aller acht Tage?
nein, übertreiben will ich nicht, sagen wir aller vierzehn Tage, zuweilen hat er
auch schon sechs Wochen lang sich eingebildet, nun werde er nie wieder eine
andre ansehen mögen.

Ihr solltet Euch schämen! kam endlich Enfemia zu Worte.

Ihr meint: mein Herr?

Nein, Ihr! Eltern Herrn so zu verunglimpfen.

Ihr thut mir Unrecht, Madonna Enfemia, sagte Beppo gekränkt; die
jungen Damen in Verona recken alle nach uns die Hälse; ich wüßte keine, die
nicht gern ein kleines Abenteuer mit ihm bestanden hätte. Wenn ihn das nicht
rechtfertigt, so weiß ich nicht, was ihn rechtfertigen kann. Die Damen in Verona


Um eine Perle.

Mein Ziel ist vor der Hand Villafranca, sagte Beppo. Warum? Weil
mein Herr mir als Schmerzensgeld drei Grauschimmel geschenkt hat, die er
vorgestern auf dem Pferdemarkt bei der Madonna ti Campagna unweit Verona
gekauft hat, und weil das vierte Pferd im Conte ti Virtü eingestellt ist, Ihr wißt,
in dem Gasthofe, der uns das Glück verschaffte, Euch ins Zimmer zu gucken.
Ng-in-aeneo, ich wünschte, es wäre nie geschehen, denn wo finde ich einen so frei¬
gebigen und so nachsichtigen Herrn wieder, wie meinen Principe! In ganz
Verona nicht! Und wer weiß, ob in Mantua?

Aber was wollt Ihr denn mit dem vierten Pferde? fragte Enfemia, deren
Neugierde immer am Nebensächlichen hängen blieb, ich denke, drei Pferde fressen
schon mehr Hafer, als Euch lieb sein wird.

Das vierte war vorgestern angeblich nicht feil, sagte Beppo, man wollte
meinen Herrn eben schrauben; so treibens die Pferdehändler immer; wollt Ihr
wetten? ich bekomme es auf der Stelle, und zwar zur Hälfte des Preises, den
mein Herr vorgestern bot. Lehrt mich Pferde einkaufen!

Aber so wollt Ihr also durchaus mit Vieren fahren und selbst den Herrn
spielen?

Nein, versetzte Beppo, das will ich nicht.

Was denn sonst?

Beppo strich sich ums Kinn. Die Wahrheit zu gestehen, sagte er, ich
möchte meinen Herrn noch nicht ganz aufgeben.

Und dazu braucht Ihr vier Pferde?

Drei Pferde spannt man vor gemeines Fuhrwerk, antwortete Beppo.

Das ist mir nicht neu.

Er konnte also mit den drei Schimmeln absolut nichts anfangen.

Weiter!

Der vierte mußte herbei.

War aber nicht feil; weiter!

Nun müßt Ihr wissen — ganz im Vertrauen —, daß mein Herr eigent¬
lich ein rechter Spatz ist — laßt mich ausreden —, daß er also aller acht
Tage sein Herz an eine andre Schönheit verliert. Sagte ich, aller acht Tage?
nein, übertreiben will ich nicht, sagen wir aller vierzehn Tage, zuweilen hat er
auch schon sechs Wochen lang sich eingebildet, nun werde er nie wieder eine
andre ansehen mögen.

Ihr solltet Euch schämen! kam endlich Enfemia zu Worte.

Ihr meint: mein Herr?

Nein, Ihr! Eltern Herrn so zu verunglimpfen.

Ihr thut mir Unrecht, Madonna Enfemia, sagte Beppo gekränkt; die
jungen Damen in Verona recken alle nach uns die Hälse; ich wüßte keine, die
nicht gern ein kleines Abenteuer mit ihm bestanden hätte. Wenn ihn das nicht
rechtfertigt, so weiß ich nicht, was ihn rechtfertigen kann. Die Damen in Verona


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[0702] Um eine Perle. Mein Ziel ist vor der Hand Villafranca, sagte Beppo. Warum? Weil mein Herr mir als Schmerzensgeld drei Grauschimmel geschenkt hat, die er vorgestern auf dem Pferdemarkt bei der Madonna ti Campagna unweit Verona gekauft hat, und weil das vierte Pferd im Conte ti Virtü eingestellt ist, Ihr wißt, in dem Gasthofe, der uns das Glück verschaffte, Euch ins Zimmer zu gucken. Ng-in-aeneo, ich wünschte, es wäre nie geschehen, denn wo finde ich einen so frei¬ gebigen und so nachsichtigen Herrn wieder, wie meinen Principe! In ganz Verona nicht! Und wer weiß, ob in Mantua? Aber was wollt Ihr denn mit dem vierten Pferde? fragte Enfemia, deren Neugierde immer am Nebensächlichen hängen blieb, ich denke, drei Pferde fressen schon mehr Hafer, als Euch lieb sein wird. Das vierte war vorgestern angeblich nicht feil, sagte Beppo, man wollte meinen Herrn eben schrauben; so treibens die Pferdehändler immer; wollt Ihr wetten? ich bekomme es auf der Stelle, und zwar zur Hälfte des Preises, den mein Herr vorgestern bot. Lehrt mich Pferde einkaufen! Aber so wollt Ihr also durchaus mit Vieren fahren und selbst den Herrn spielen? Nein, versetzte Beppo, das will ich nicht. Was denn sonst? Beppo strich sich ums Kinn. Die Wahrheit zu gestehen, sagte er, ich möchte meinen Herrn noch nicht ganz aufgeben. Und dazu braucht Ihr vier Pferde? Drei Pferde spannt man vor gemeines Fuhrwerk, antwortete Beppo. Das ist mir nicht neu. Er konnte also mit den drei Schimmeln absolut nichts anfangen. Weiter! Der vierte mußte herbei. War aber nicht feil; weiter! Nun müßt Ihr wissen — ganz im Vertrauen —, daß mein Herr eigent¬ lich ein rechter Spatz ist — laßt mich ausreden —, daß er also aller acht Tage sein Herz an eine andre Schönheit verliert. Sagte ich, aller acht Tage? nein, übertreiben will ich nicht, sagen wir aller vierzehn Tage, zuweilen hat er auch schon sechs Wochen lang sich eingebildet, nun werde er nie wieder eine andre ansehen mögen. Ihr solltet Euch schämen! kam endlich Enfemia zu Worte. Ihr meint: mein Herr? Nein, Ihr! Eltern Herrn so zu verunglimpfen. Ihr thut mir Unrecht, Madonna Enfemia, sagte Beppo gekränkt; die jungen Damen in Verona recken alle nach uns die Hälse; ich wüßte keine, die nicht gern ein kleines Abenteuer mit ihm bestanden hätte. Wenn ihn das nicht rechtfertigt, so weiß ich nicht, was ihn rechtfertigen kann. Die Damen in Verona

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/702>, abgerufen am 22.07.2024.