Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.Die niederländische Genre- und Tandschaftsmalerei. Es konnte nicht fehlen, daß das Zusammenwirken der beiden Künstler auch Die niederländische Genre- und Tandschaftsmalerei. Es konnte nicht fehlen, daß das Zusammenwirken der beiden Künstler auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0688" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195364"/> <fw type="header" place="top"> Die niederländische Genre- und Tandschaftsmalerei.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2647" next="#ID_2648"> Es konnte nicht fehlen, daß das Zusammenwirken der beiden Künstler auch<lb/> auf den stärkeren von ihnen, ans Rubens, nicht oben Einfluß blieb. Auf jedem<lb/> Gebiete der Malerei, welches dieser universelle Geist betrat, war er zugleich<lb/> ein Neuerer, der alles das, was andre vor ihm gedacht und geschaffen hatten, zu¬<lb/> sammenfaßte, zur höchsten Blüte brachte lind vollendete. Ohne Zweifel reizte<lb/> schon die italienische Natur seinen Nachahmungstrieb, und wenn wir auch keine<lb/> Zeichnung, keine Studie, kein Bild nach einem landschaftlichen Motiv des Südens<lb/> unter seinen Werken mit Bestimmtheit nachweisen können, so ist uns doch<lb/> wenigstens von dem französischen Maler Roger de Piles überliefert worden,<lb/> daß sich im Kabinet des Herzogs von Richelieu eine von Rubens in Italie»<lb/> gemalte Landschaft befand, „die Ansicht eines Fanals ans einem Berge bei Porto<lb/> Venere." Auch haben wir in den zahlreichen, in der Heimat gemalten Land¬<lb/> schaften und in den landschaftlichen Hintergründen seiner religiösen, mythologischen,<lb/> historischen und allegorischen Kompositionen den Beweis, wie mächtig die<lb/> italienische Natur mit ihrer Lichtfülle, ihrem Sonnenglanz und ihren großartigen<lb/> Linien auf ihn gewirkt hatte. Dazu kam als ein neues, aus der Natur seiner<lb/> Heimat gezogenes Element die Farbenfülle und die Intensität des Kolorits.<lb/> Sobald er einer seiner Landschaften eine individuelle Physiognomie gab, waren<lb/> die Züge derselben stets seiner Heimat entlehnt, der Umgebung von Antwerpen,<lb/> Mecheln und Brüssel und derjenigen seines Landgutes Steen. Laubwald,<lb/> Wasser und ein welliges Terrain waren ihm unentbehrliche Ingredienzien,<lb/> gewissermaßen die substantielle!, Träger der beabsichtigten Stimmung. Denn<lb/> Rubens ist als Landschafter bereits ein Stimmungsmciler, welcher alle Em¬<lb/> pfindungen, alle Regungen der Ncitnrseele mit nie versagender Meisterschaft<lb/> wiederzugeben weiß. Schon dadurch wächst er um ein bedeutendes Stück über<lb/> Brueghel hinaus. Die Landschaften des letzteren tragen trotz der hohen<lb/> Vollendung in allen Einzelheiten doch einen sehr einseitigen Charakter. Wenn<lb/> seine Vollendung der Durchführung auch ein gewissenhaftes und eindringliches<lb/> Naturstudium zur Voraussetzung hat, so strebte Brueghel doch niemals nach<lb/> großartigen Wirkungen, nach schlichter Wahrheit und nach den? Ausdruck gewisser<lb/> Stimmungen, sondern heitere, gefällige Schönheit war sein Ideal. Damit hätten<lb/> sich Sturm, Gewitter und Regenguß, Überschwemmung und Wolkenbruch nicht<lb/> vertragen. Er liebt eine gleichmäßige, helle Beleuchtung, damit man auch alles<lb/> genau betrachten konnte, was er mit unendlichem Fleiß in die Landschaft hinein¬<lb/> gemalt hatte: das ganze zierliche Nebeneinander von Hügeln, Flüssen, Häusern,<lb/> Städten, fernen Bergspitzen, Bäumen, Zweigen und Blättern. Sein Standpunkt<lb/> der Natur gegenüber war noch derjenige kindlicher Naivität, noch die alte<lb/> Freude an jedem Detail und die stolze Genugthuung, auch das kleinste Erzeugnis<lb/> der Natur mit subtilen Pinsel bis zur Täuschung nachgebildet zu haben. Mit<lb/> Rubens tritt zum erstenmale die kühne, alles ihrem Wesen sich unterordnende<lb/> Subjektivität in die Landschaftsmalerei ein. Er schlägt das große Buch der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0688]
Die niederländische Genre- und Tandschaftsmalerei.
Es konnte nicht fehlen, daß das Zusammenwirken der beiden Künstler auch
auf den stärkeren von ihnen, ans Rubens, nicht oben Einfluß blieb. Auf jedem
Gebiete der Malerei, welches dieser universelle Geist betrat, war er zugleich
ein Neuerer, der alles das, was andre vor ihm gedacht und geschaffen hatten, zu¬
sammenfaßte, zur höchsten Blüte brachte lind vollendete. Ohne Zweifel reizte
schon die italienische Natur seinen Nachahmungstrieb, und wenn wir auch keine
Zeichnung, keine Studie, kein Bild nach einem landschaftlichen Motiv des Südens
unter seinen Werken mit Bestimmtheit nachweisen können, so ist uns doch
wenigstens von dem französischen Maler Roger de Piles überliefert worden,
daß sich im Kabinet des Herzogs von Richelieu eine von Rubens in Italie»
gemalte Landschaft befand, „die Ansicht eines Fanals ans einem Berge bei Porto
Venere." Auch haben wir in den zahlreichen, in der Heimat gemalten Land¬
schaften und in den landschaftlichen Hintergründen seiner religiösen, mythologischen,
historischen und allegorischen Kompositionen den Beweis, wie mächtig die
italienische Natur mit ihrer Lichtfülle, ihrem Sonnenglanz und ihren großartigen
Linien auf ihn gewirkt hatte. Dazu kam als ein neues, aus der Natur seiner
Heimat gezogenes Element die Farbenfülle und die Intensität des Kolorits.
Sobald er einer seiner Landschaften eine individuelle Physiognomie gab, waren
die Züge derselben stets seiner Heimat entlehnt, der Umgebung von Antwerpen,
Mecheln und Brüssel und derjenigen seines Landgutes Steen. Laubwald,
Wasser und ein welliges Terrain waren ihm unentbehrliche Ingredienzien,
gewissermaßen die substantielle!, Träger der beabsichtigten Stimmung. Denn
Rubens ist als Landschafter bereits ein Stimmungsmciler, welcher alle Em¬
pfindungen, alle Regungen der Ncitnrseele mit nie versagender Meisterschaft
wiederzugeben weiß. Schon dadurch wächst er um ein bedeutendes Stück über
Brueghel hinaus. Die Landschaften des letzteren tragen trotz der hohen
Vollendung in allen Einzelheiten doch einen sehr einseitigen Charakter. Wenn
seine Vollendung der Durchführung auch ein gewissenhaftes und eindringliches
Naturstudium zur Voraussetzung hat, so strebte Brueghel doch niemals nach
großartigen Wirkungen, nach schlichter Wahrheit und nach den? Ausdruck gewisser
Stimmungen, sondern heitere, gefällige Schönheit war sein Ideal. Damit hätten
sich Sturm, Gewitter und Regenguß, Überschwemmung und Wolkenbruch nicht
vertragen. Er liebt eine gleichmäßige, helle Beleuchtung, damit man auch alles
genau betrachten konnte, was er mit unendlichem Fleiß in die Landschaft hinein¬
gemalt hatte: das ganze zierliche Nebeneinander von Hügeln, Flüssen, Häusern,
Städten, fernen Bergspitzen, Bäumen, Zweigen und Blättern. Sein Standpunkt
der Natur gegenüber war noch derjenige kindlicher Naivität, noch die alte
Freude an jedem Detail und die stolze Genugthuung, auch das kleinste Erzeugnis
der Natur mit subtilen Pinsel bis zur Täuschung nachgebildet zu haben. Mit
Rubens tritt zum erstenmale die kühne, alles ihrem Wesen sich unterordnende
Subjektivität in die Landschaftsmalerei ein. Er schlägt das große Buch der
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