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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die niederländische Genre- und Landschaftsmalern,

Erzbischof von Mailand, von der ganzen Stadt Antwerpen betrauert, und es
war ein mitleiderregcnder Anblick bei der Leichenfeier, als man zuerst den Vater
trug und nach ihm seine drei Kinder, welche den Vater bis in die Erde und
auch zum Paradiese begleiteten." Noch in seinem Testamente hatte Brueghel
seines hohen Gönners zu Mailand in Dankbarkeit und Verehrung gedacht. Er
hatte bei Lebzeiten niemals das Versprechen einlösen können, dem Kardinal ein
Bild seines Vaters zu verschaffen, und daher vermachte er ihm testamentarisch
das einzige Bild des Bauernbrueghel, welches er noch besaß: Christus und die
Samariterin. Aber dem Erzbischof erlaubte sein Zartgefühl nicht die Annahme
eines solchen Opfers. Er ließ für sich eine Kopie davon anfertigen und schickte
das Original an die Familie zurück, nachdem er dasselbe mit einem kostbaren,
mit Gold und Intarsien verzierten Rahmen hatte umgeben lassen, welcher in
silbernen Lettern die Inschrift trug: l^ocksrivus (^räiruMs LorromÄsci" urelü-
episovMS Noäioliuü 5os>lois Li-nZuM Iimiv tabnlain roäouat, ut in o" cloinv
oonsörvotnr.

Bis an sein Lebensende blieb Brueghel in inniger Freundschaft mit Rubens
verbunden. Dem ersteren machte die italienische Sprache viele Schwierigkeiten,
und es war ihm daher eine große Erleichterung, als Rubens seit dem Jahre
1610 an seiner Stelle die Korrespondenz mit den Mailänder Kunstfreunden
führte und so gewissermaßen, wie er sich im Scherze ausdrückte, Sekretärdienste
bei ihm versah. Wenn Rubens auf Reisen war und er selbst wieder zur Feder
greifen mußte, vergaß er nicht hinzuzufügen, daß sein "Sekretär" sich hier oder
dort befände. Er benutzte jede Gelegenheit, um neidlos das Lob seines großen
Freundes zu singen, und noch im Jahre 1624 schrieb er, vermutlich unter dem
Eindruck der gerade damals vollendeten Medieisgalerie für den Luxembourg-
palast in Paris, an Bianchi nach Mailand: "Herr Rubens schreitet beständig
vorwärts in seinem Knnstvermögcn, und überdies ist er vom Glück in einer Art
begünstigt, daß er an Ehren und Reichtum alle Künstler unsrer Zeit übertrifft."
Rubens bewahrte ihm auch seinerseits die Freundschaft über den Tod hinaus.
Für das aus schwarzem Marmor errichtete Grabdenkmal Brucghels in der
Se. Georgskirche malte Rubens das Bildnis seines alten Freundes. Er übernahm
auch die Vormundschaft über feine minderjährigen Kinder, und daß er ihn auch
als Künstler hochschätzte, ergiebt sich daraus, daß er sich die letzte, unvollendet
zurückgelassene Arbeit Brueghels, ein Gemälde mit Wild, von der Familie
ausbat und dafür einige von ihm selbst gemalte Figuren hergab. Auch in
Rubens' Nachlaß befanden sich einige Stücke von Brueghel: ein irdisches Paradies,
also die Allegorie der Erde, eine von Brueghel stciffirte Landschaft von Momper,
Diana auf der Jagd und Diana von der Jagd heimkehrend, die beiden letzteren
mit Figuren von Rubens.



Federigo Borromeo, Kardinal und Erzbischof von Mailand, schenkt dieses Gemälde
Jan Brueghels wieder zurück, damit es in seinem Hause aufbewahrt werde.
Die niederländische Genre- und Landschaftsmalern,

Erzbischof von Mailand, von der ganzen Stadt Antwerpen betrauert, und es
war ein mitleiderregcnder Anblick bei der Leichenfeier, als man zuerst den Vater
trug und nach ihm seine drei Kinder, welche den Vater bis in die Erde und
auch zum Paradiese begleiteten." Noch in seinem Testamente hatte Brueghel
seines hohen Gönners zu Mailand in Dankbarkeit und Verehrung gedacht. Er
hatte bei Lebzeiten niemals das Versprechen einlösen können, dem Kardinal ein
Bild seines Vaters zu verschaffen, und daher vermachte er ihm testamentarisch
das einzige Bild des Bauernbrueghel, welches er noch besaß: Christus und die
Samariterin. Aber dem Erzbischof erlaubte sein Zartgefühl nicht die Annahme
eines solchen Opfers. Er ließ für sich eine Kopie davon anfertigen und schickte
das Original an die Familie zurück, nachdem er dasselbe mit einem kostbaren,
mit Gold und Intarsien verzierten Rahmen hatte umgeben lassen, welcher in
silbernen Lettern die Inschrift trug: l^ocksrivus (^räiruMs LorromÄsci» urelü-
episovMS Noäioliuü 5os>lois Li-nZuM Iimiv tabnlain roäouat, ut in o» cloinv
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Bis an sein Lebensende blieb Brueghel in inniger Freundschaft mit Rubens
verbunden. Dem ersteren machte die italienische Sprache viele Schwierigkeiten,
und es war ihm daher eine große Erleichterung, als Rubens seit dem Jahre
1610 an seiner Stelle die Korrespondenz mit den Mailänder Kunstfreunden
führte und so gewissermaßen, wie er sich im Scherze ausdrückte, Sekretärdienste
bei ihm versah. Wenn Rubens auf Reisen war und er selbst wieder zur Feder
greifen mußte, vergaß er nicht hinzuzufügen, daß sein „Sekretär" sich hier oder
dort befände. Er benutzte jede Gelegenheit, um neidlos das Lob seines großen
Freundes zu singen, und noch im Jahre 1624 schrieb er, vermutlich unter dem
Eindruck der gerade damals vollendeten Medieisgalerie für den Luxembourg-
palast in Paris, an Bianchi nach Mailand: „Herr Rubens schreitet beständig
vorwärts in seinem Knnstvermögcn, und überdies ist er vom Glück in einer Art
begünstigt, daß er an Ehren und Reichtum alle Künstler unsrer Zeit übertrifft."
Rubens bewahrte ihm auch seinerseits die Freundschaft über den Tod hinaus.
Für das aus schwarzem Marmor errichtete Grabdenkmal Brucghels in der
Se. Georgskirche malte Rubens das Bildnis seines alten Freundes. Er übernahm
auch die Vormundschaft über feine minderjährigen Kinder, und daß er ihn auch
als Künstler hochschätzte, ergiebt sich daraus, daß er sich die letzte, unvollendet
zurückgelassene Arbeit Brueghels, ein Gemälde mit Wild, von der Familie
ausbat und dafür einige von ihm selbst gemalte Figuren hergab. Auch in
Rubens' Nachlaß befanden sich einige Stücke von Brueghel: ein irdisches Paradies,
also die Allegorie der Erde, eine von Brueghel stciffirte Landschaft von Momper,
Diana auf der Jagd und Diana von der Jagd heimkehrend, die beiden letzteren
mit Figuren von Rubens.



Federigo Borromeo, Kardinal und Erzbischof von Mailand, schenkt dieses Gemälde
Jan Brueghels wieder zurück, damit es in seinem Hause aufbewahrt werde.
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[0687] Die niederländische Genre- und Landschaftsmalern, Erzbischof von Mailand, von der ganzen Stadt Antwerpen betrauert, und es war ein mitleiderregcnder Anblick bei der Leichenfeier, als man zuerst den Vater trug und nach ihm seine drei Kinder, welche den Vater bis in die Erde und auch zum Paradiese begleiteten." Noch in seinem Testamente hatte Brueghel seines hohen Gönners zu Mailand in Dankbarkeit und Verehrung gedacht. Er hatte bei Lebzeiten niemals das Versprechen einlösen können, dem Kardinal ein Bild seines Vaters zu verschaffen, und daher vermachte er ihm testamentarisch das einzige Bild des Bauernbrueghel, welches er noch besaß: Christus und die Samariterin. Aber dem Erzbischof erlaubte sein Zartgefühl nicht die Annahme eines solchen Opfers. Er ließ für sich eine Kopie davon anfertigen und schickte das Original an die Familie zurück, nachdem er dasselbe mit einem kostbaren, mit Gold und Intarsien verzierten Rahmen hatte umgeben lassen, welcher in silbernen Lettern die Inschrift trug: l^ocksrivus (^räiruMs LorromÄsci» urelü- episovMS Noäioliuü 5os>lois Li-nZuM Iimiv tabnlain roäouat, ut in o» cloinv oonsörvotnr. Bis an sein Lebensende blieb Brueghel in inniger Freundschaft mit Rubens verbunden. Dem ersteren machte die italienische Sprache viele Schwierigkeiten, und es war ihm daher eine große Erleichterung, als Rubens seit dem Jahre 1610 an seiner Stelle die Korrespondenz mit den Mailänder Kunstfreunden führte und so gewissermaßen, wie er sich im Scherze ausdrückte, Sekretärdienste bei ihm versah. Wenn Rubens auf Reisen war und er selbst wieder zur Feder greifen mußte, vergaß er nicht hinzuzufügen, daß sein „Sekretär" sich hier oder dort befände. Er benutzte jede Gelegenheit, um neidlos das Lob seines großen Freundes zu singen, und noch im Jahre 1624 schrieb er, vermutlich unter dem Eindruck der gerade damals vollendeten Medieisgalerie für den Luxembourg- palast in Paris, an Bianchi nach Mailand: „Herr Rubens schreitet beständig vorwärts in seinem Knnstvermögcn, und überdies ist er vom Glück in einer Art begünstigt, daß er an Ehren und Reichtum alle Künstler unsrer Zeit übertrifft." Rubens bewahrte ihm auch seinerseits die Freundschaft über den Tod hinaus. Für das aus schwarzem Marmor errichtete Grabdenkmal Brucghels in der Se. Georgskirche malte Rubens das Bildnis seines alten Freundes. Er übernahm auch die Vormundschaft über feine minderjährigen Kinder, und daß er ihn auch als Künstler hochschätzte, ergiebt sich daraus, daß er sich die letzte, unvollendet zurückgelassene Arbeit Brueghels, ein Gemälde mit Wild, von der Familie ausbat und dafür einige von ihm selbst gemalte Figuren hergab. Auch in Rubens' Nachlaß befanden sich einige Stücke von Brueghel: ein irdisches Paradies, also die Allegorie der Erde, eine von Brueghel stciffirte Landschaft von Momper, Diana auf der Jagd und Diana von der Jagd heimkehrend, die beiden letzteren mit Figuren von Rubens. Federigo Borromeo, Kardinal und Erzbischof von Mailand, schenkt dieses Gemälde Jan Brueghels wieder zurück, damit es in seinem Hause aufbewahrt werde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/687>, abgerufen am 23.07.2024.