Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Aongostaat.

mit dein er bei öffentlichen Anlässen und selbst bei Schlachten erschien, mehr,
als er geleistet haben würde, wenn er wie el" homerischer Held mit Schwert
oder Lanze an der Spitze seiner Krieger gekämpft oder wie Murat mit dem
Säbel in der Faust Reitergeschwader gegen feindliches Fußvolk geführt hätte.
Das diplomatische Geschick, der Takt und die Umsicht Stanleys bei seiner großen
Entdeckungsfahrt quer durch Afrika und später bei der Anlegung und Entwick¬
lung von Stationen und Niederlassungen am untern Kongo hatten bessere Er¬
folge zu verzeichnen als all sein Pulver und Blei, obwohl zuweilen auch dazu
gegriffen werden mußte. Die Eigenschaften, die er von Anfang bis zu Eude
seiner bisherigen Thätigkeit, als Reisender, als Berichterstatter für amerikanische
und englische Zeitungen, als Agent des Königs Leopold, als Unterhändler in
Palavern mit Negerfürsteu und in Besprechungen mit französischen und portu¬
giesischen Nebenbuhlern, endlich als Gründer und Leiter von Kolonien an den
Tag legte, sind derart, daß sie ihn für eine Stellung an der Spitze der Ver¬
waltung des neuen Staates aufs angelegentlichste empfehlen. Er ist der ge¬
gebene Mann für die hier der Erfüllung harrenden großen Aufgaben, er ist
für jetzt und die nächstfolgende Zeit der einzig in Frage kommende Mann. Er
mußte unternehmend, unerschrocken, voll Selbstvertrauen, voll Geistesgegenwart,
voll Geduld nud Ausdauer, nie um Hilfsmittel und Auskunft verlegen sein, er
mußte stets wisse", wem zu trauen und wem gegenüber vorsichtig zu sein war,
er mußte allenthalben über genügende Kenntnis der ihn umgebenden Verhält¬
nisse oder die Gabe, sie sich rasch anzueignen, gebieten, wenn er auf den Geist,
die Einbildungskraft und die Instinkte der Eingeborenen und ihrer Häuptlinge
vorteilhaft einwirken und nicht von ihnen getäuscht werden wollte, und er hat
alle diese Eigenschaften in bewundernswürdigem Maße bekundet. Jetzt wird
auch seine begabte Feder ihre Arbeit zu thun haben, insofern es gilt, die Blicke
der öffentliche"! Meinung noch mehr als bisher auf das Kongoland zu lenken
und für das von ihm angebahnte Unternehmen zu interessire", dem Handel ge¬
eignete Wege zu Einkauf und Absatz zu weisen und dem Kapital soviel Ver¬
trauen einzuflößen, daß es sich befruchtend in den neue" Staat ergießt. Deal
Kapital ist ein erster Stelle nötig, wenn dieser Teil Afrikas der Kultur rasch
gewonnen und zu der Blüte gebracht werde" soll, welche seine natürliche Be¬
gabung verspricht.

Der Kongo ist für den Westen des dritten Kontinents, was der Nil für
den Nordosten ist: die große Straße für den Verkehr Europas mit dem Innern
jenes Erdteils. Beide Flüsse werden von unpassirbarer Stromschnellen unter¬
brochen, aber der eine viel weniger als der andre. Die des Nils sind zahlreich
und weit, über mehr als hundert deutsche Meilen, von Assuan bis nach Chartum,
wo der Fluß sich nach Süden hi" gabelt, zerstreut; die des Kongo dagegen
liegen fast ohne Ausnahme verhältnismäßig dicht bei einander, auf der Strecke
zwischen Stanley Pook, dem vom Flusse gebildeten Landsee, und Ictinia. Wenn


Der Aongostaat.

mit dein er bei öffentlichen Anlässen und selbst bei Schlachten erschien, mehr,
als er geleistet haben würde, wenn er wie el» homerischer Held mit Schwert
oder Lanze an der Spitze seiner Krieger gekämpft oder wie Murat mit dem
Säbel in der Faust Reitergeschwader gegen feindliches Fußvolk geführt hätte.
Das diplomatische Geschick, der Takt und die Umsicht Stanleys bei seiner großen
Entdeckungsfahrt quer durch Afrika und später bei der Anlegung und Entwick¬
lung von Stationen und Niederlassungen am untern Kongo hatten bessere Er¬
folge zu verzeichnen als all sein Pulver und Blei, obwohl zuweilen auch dazu
gegriffen werden mußte. Die Eigenschaften, die er von Anfang bis zu Eude
seiner bisherigen Thätigkeit, als Reisender, als Berichterstatter für amerikanische
und englische Zeitungen, als Agent des Königs Leopold, als Unterhändler in
Palavern mit Negerfürsteu und in Besprechungen mit französischen und portu¬
giesischen Nebenbuhlern, endlich als Gründer und Leiter von Kolonien an den
Tag legte, sind derart, daß sie ihn für eine Stellung an der Spitze der Ver¬
waltung des neuen Staates aufs angelegentlichste empfehlen. Er ist der ge¬
gebene Mann für die hier der Erfüllung harrenden großen Aufgaben, er ist
für jetzt und die nächstfolgende Zeit der einzig in Frage kommende Mann. Er
mußte unternehmend, unerschrocken, voll Selbstvertrauen, voll Geistesgegenwart,
voll Geduld nud Ausdauer, nie um Hilfsmittel und Auskunft verlegen sein, er
mußte stets wisse», wem zu trauen und wem gegenüber vorsichtig zu sein war,
er mußte allenthalben über genügende Kenntnis der ihn umgebenden Verhält¬
nisse oder die Gabe, sie sich rasch anzueignen, gebieten, wenn er auf den Geist,
die Einbildungskraft und die Instinkte der Eingeborenen und ihrer Häuptlinge
vorteilhaft einwirken und nicht von ihnen getäuscht werden wollte, und er hat
alle diese Eigenschaften in bewundernswürdigem Maße bekundet. Jetzt wird
auch seine begabte Feder ihre Arbeit zu thun haben, insofern es gilt, die Blicke
der öffentliche«! Meinung noch mehr als bisher auf das Kongoland zu lenken
und für das von ihm angebahnte Unternehmen zu interessire», dem Handel ge¬
eignete Wege zu Einkauf und Absatz zu weisen und dem Kapital soviel Ver¬
trauen einzuflößen, daß es sich befruchtend in den neue» Staat ergießt. Deal
Kapital ist ein erster Stelle nötig, wenn dieser Teil Afrikas der Kultur rasch
gewonnen und zu der Blüte gebracht werde» soll, welche seine natürliche Be¬
gabung verspricht.

Der Kongo ist für den Westen des dritten Kontinents, was der Nil für
den Nordosten ist: die große Straße für den Verkehr Europas mit dem Innern
jenes Erdteils. Beide Flüsse werden von unpassirbarer Stromschnellen unter¬
brochen, aber der eine viel weniger als der andre. Die des Nils sind zahlreich
und weit, über mehr als hundert deutsche Meilen, von Assuan bis nach Chartum,
wo der Fluß sich nach Süden hi» gabelt, zerstreut; die des Kongo dagegen
liegen fast ohne Ausnahme verhältnismäßig dicht bei einander, auf der Strecke
zwischen Stanley Pook, dem vom Flusse gebildeten Landsee, und Ictinia. Wenn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0616" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195292"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Aongostaat.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2366" prev="#ID_2365"> mit dein er bei öffentlichen Anlässen und selbst bei Schlachten erschien, mehr,<lb/>
als er geleistet haben würde, wenn er wie el» homerischer Held mit Schwert<lb/>
oder Lanze an der Spitze seiner Krieger gekämpft oder wie Murat mit dem<lb/>
Säbel in der Faust Reitergeschwader gegen feindliches Fußvolk geführt hätte.<lb/>
Das diplomatische Geschick, der Takt und die Umsicht Stanleys bei seiner großen<lb/>
Entdeckungsfahrt quer durch Afrika und später bei der Anlegung und Entwick¬<lb/>
lung von Stationen und Niederlassungen am untern Kongo hatten bessere Er¬<lb/>
folge zu verzeichnen als all sein Pulver und Blei, obwohl zuweilen auch dazu<lb/>
gegriffen werden mußte. Die Eigenschaften, die er von Anfang bis zu Eude<lb/>
seiner bisherigen Thätigkeit, als Reisender, als Berichterstatter für amerikanische<lb/>
und englische Zeitungen, als Agent des Königs Leopold, als Unterhändler in<lb/>
Palavern mit Negerfürsteu und in Besprechungen mit französischen und portu¬<lb/>
giesischen Nebenbuhlern, endlich als Gründer und Leiter von Kolonien an den<lb/>
Tag legte, sind derart, daß sie ihn für eine Stellung an der Spitze der Ver¬<lb/>
waltung des neuen Staates aufs angelegentlichste empfehlen. Er ist der ge¬<lb/>
gebene Mann für die hier der Erfüllung harrenden großen Aufgaben, er ist<lb/>
für jetzt und die nächstfolgende Zeit der einzig in Frage kommende Mann. Er<lb/>
mußte unternehmend, unerschrocken, voll Selbstvertrauen, voll Geistesgegenwart,<lb/>
voll Geduld nud Ausdauer, nie um Hilfsmittel und Auskunft verlegen sein, er<lb/>
mußte stets wisse», wem zu trauen und wem gegenüber vorsichtig zu sein war,<lb/>
er mußte allenthalben über genügende Kenntnis der ihn umgebenden Verhält¬<lb/>
nisse oder die Gabe, sie sich rasch anzueignen, gebieten, wenn er auf den Geist,<lb/>
die Einbildungskraft und die Instinkte der Eingeborenen und ihrer Häuptlinge<lb/>
vorteilhaft einwirken und nicht von ihnen getäuscht werden wollte, und er hat<lb/>
alle diese Eigenschaften in bewundernswürdigem Maße bekundet. Jetzt wird<lb/>
auch seine begabte Feder ihre Arbeit zu thun haben, insofern es gilt, die Blicke<lb/>
der öffentliche«! Meinung noch mehr als bisher auf das Kongoland zu lenken<lb/>
und für das von ihm angebahnte Unternehmen zu interessire», dem Handel ge¬<lb/>
eignete Wege zu Einkauf und Absatz zu weisen und dem Kapital soviel Ver¬<lb/>
trauen einzuflößen, daß es sich befruchtend in den neue» Staat ergießt. Deal<lb/>
Kapital ist ein erster Stelle nötig, wenn dieser Teil Afrikas der Kultur rasch<lb/>
gewonnen und zu der Blüte gebracht werde» soll, welche seine natürliche Be¬<lb/>
gabung verspricht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2367" next="#ID_2368"> Der Kongo ist für den Westen des dritten Kontinents, was der Nil für<lb/>
den Nordosten ist: die große Straße für den Verkehr Europas mit dem Innern<lb/>
jenes Erdteils. Beide Flüsse werden von unpassirbarer Stromschnellen unter¬<lb/>
brochen, aber der eine viel weniger als der andre. Die des Nils sind zahlreich<lb/>
und weit, über mehr als hundert deutsche Meilen, von Assuan bis nach Chartum,<lb/>
wo der Fluß sich nach Süden hi» gabelt, zerstreut; die des Kongo dagegen<lb/>
liegen fast ohne Ausnahme verhältnismäßig dicht bei einander, auf der Strecke<lb/>
zwischen Stanley Pook, dem vom Flusse gebildeten Landsee, und Ictinia. Wenn</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0616] Der Aongostaat. mit dein er bei öffentlichen Anlässen und selbst bei Schlachten erschien, mehr, als er geleistet haben würde, wenn er wie el» homerischer Held mit Schwert oder Lanze an der Spitze seiner Krieger gekämpft oder wie Murat mit dem Säbel in der Faust Reitergeschwader gegen feindliches Fußvolk geführt hätte. Das diplomatische Geschick, der Takt und die Umsicht Stanleys bei seiner großen Entdeckungsfahrt quer durch Afrika und später bei der Anlegung und Entwick¬ lung von Stationen und Niederlassungen am untern Kongo hatten bessere Er¬ folge zu verzeichnen als all sein Pulver und Blei, obwohl zuweilen auch dazu gegriffen werden mußte. Die Eigenschaften, die er von Anfang bis zu Eude seiner bisherigen Thätigkeit, als Reisender, als Berichterstatter für amerikanische und englische Zeitungen, als Agent des Königs Leopold, als Unterhändler in Palavern mit Negerfürsteu und in Besprechungen mit französischen und portu¬ giesischen Nebenbuhlern, endlich als Gründer und Leiter von Kolonien an den Tag legte, sind derart, daß sie ihn für eine Stellung an der Spitze der Ver¬ waltung des neuen Staates aufs angelegentlichste empfehlen. Er ist der ge¬ gebene Mann für die hier der Erfüllung harrenden großen Aufgaben, er ist für jetzt und die nächstfolgende Zeit der einzig in Frage kommende Mann. Er mußte unternehmend, unerschrocken, voll Selbstvertrauen, voll Geistesgegenwart, voll Geduld nud Ausdauer, nie um Hilfsmittel und Auskunft verlegen sein, er mußte stets wisse», wem zu trauen und wem gegenüber vorsichtig zu sein war, er mußte allenthalben über genügende Kenntnis der ihn umgebenden Verhält¬ nisse oder die Gabe, sie sich rasch anzueignen, gebieten, wenn er auf den Geist, die Einbildungskraft und die Instinkte der Eingeborenen und ihrer Häuptlinge vorteilhaft einwirken und nicht von ihnen getäuscht werden wollte, und er hat alle diese Eigenschaften in bewundernswürdigem Maße bekundet. Jetzt wird auch seine begabte Feder ihre Arbeit zu thun haben, insofern es gilt, die Blicke der öffentliche«! Meinung noch mehr als bisher auf das Kongoland zu lenken und für das von ihm angebahnte Unternehmen zu interessire», dem Handel ge¬ eignete Wege zu Einkauf und Absatz zu weisen und dem Kapital soviel Ver¬ trauen einzuflößen, daß es sich befruchtend in den neue» Staat ergießt. Deal Kapital ist ein erster Stelle nötig, wenn dieser Teil Afrikas der Kultur rasch gewonnen und zu der Blüte gebracht werde» soll, welche seine natürliche Be¬ gabung verspricht. Der Kongo ist für den Westen des dritten Kontinents, was der Nil für den Nordosten ist: die große Straße für den Verkehr Europas mit dem Innern jenes Erdteils. Beide Flüsse werden von unpassirbarer Stromschnellen unter¬ brochen, aber der eine viel weniger als der andre. Die des Nils sind zahlreich und weit, über mehr als hundert deutsche Meilen, von Assuan bis nach Chartum, wo der Fluß sich nach Süden hi» gabelt, zerstreut; die des Kongo dagegen liegen fast ohne Ausnahme verhältnismäßig dicht bei einander, auf der Strecke zwischen Stanley Pook, dem vom Flusse gebildeten Landsee, und Ictinia. Wenn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/616
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/616>, abgerufen am 22.07.2024.