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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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dieses Hindernis für die Beschiffung des Kongo vom Waarenverkehr auf einer Eisen¬
bahn umgangen werden kann, deren Ban beiläufig keinen sehr wesentlichen Schwie¬
rigkeiten begegnen würde, so wird man in dem Kongo eine prachtvolle Wasserstraße
von der See bis tief in das Herz des Erdteils offen vor sich sehen, die mit ihren
Verzweigungen, den Nebenflüssen, von Jahr zu Jahr mehr Erzeugnisse des
europäischen Gewerbefleißes zum Austausche mit den Produkten der Eingebornen
ins Land fuhren und zugleich die Einflüsse der Zivilisation welche deu Bahnen
des Handels folgen, mit Macht in diese Varbareugebiete eindringen lassen wird.
Natürlich ist, daß die .Kapitalisten Europas sich nicht eher entschließen werden,
das zur Anlegung jener Schiencnstraße und zur Errichtung von Dampfer¬
linien auf dem Strom erforderliche Geld herzugeben, als bis wenigstens in
einem großen Teile des weiten Gebietes Ordnung, Friede und die Möglich¬
keit gedeihlicher Entwicklung überhaupt hergestellt sind. Die Gebietsabgren¬
zungen, die man in Berlin vorgenommen hat, lassen uns gutes hoffen. Ein
mächtiges Stück der afrikanischen Länder- und Vvlkerwelt ist dort in gütlicher
Übereinkunft in drei Stücke zerschnitten worden, und man hat davon das nörd¬
liche den Franzosen, das mittelste der Gesellschaft, an deren Spitze der belgische
König steht, und das südliche den Portugiesen zugesprochen. Das ganze süd¬
liche Ufer des Stanley Pook und der Strecke, welche die großen Stromschnellen
einnehmen, gehört zu dein neuen Staate, das ganze nördliche ist französischer
Besitz geworden. Das Nordufer des Kongo vom untern Ende der Strom¬
schnellen bis um die Meeresküste hat mau gleichfalls dein neuen Staate zugeteilt,
und zwar in der Weise, daß dessen Grenzen vom Strome wie von der See
bis tief ins Binnenland sich erstrecken. Auch im Süden des Flusses gehört
ihm eine bedeutende Strecke Land am Ufer hin und weiter einwärts, die un¬
gefähr bis zur Hälfte des Landstriches zwischen den Stromschnellen und dem
Atlantische" Meere reicht. Frankreich besitzt weitgedehnte Gebiete im Norden
des neuen Uferstaatcs, und Portugal hat noch ausgedehntere Landstrecken im
Süden, sowie eine" Streifen Küste bekommen, welcher der Kongomündung nahe
ist. aber sie nicht unmittelbar begrenzt. Über die starke Besitzausdehnnng Por¬
tugals und Frankreichs über das Thal des Kongo kann mau sich nicht mit
ungemischten Gefühlen freuen, namentlich in England nicht. Die Portugiesen
haben hier bisher keine sehr rühmliche Rolle gespielt. Ihre Beamten standen
nicht mit Unrecht immer in dem Rufe, als kärglich oder garnicht besoldete
Leute sich von Sklavenhändlern bestechen zu lassen und deren Treiben nach
Kräften zu begünstigen. Ihre Zolloffizicmteu waren wegen ihres anmaßenden
Auftretens berüchtigt und galten ebenfalls für der Bestechung viel zugänglicher
als dem guten Rechte derer, die hier Handel treiben. Den Franzosen wird der¬
gleichen Untugend nicht nachgesagt, aber den englischen Schiffern und Kauf¬
leuten sind sie als Schutzzöllner mit hohen Tarifen für britische Kattune und
Eisenwaaren gewiß ein Dorn im Auge. Indes wird Manchester mit seiner


dieses Hindernis für die Beschiffung des Kongo vom Waarenverkehr auf einer Eisen¬
bahn umgangen werden kann, deren Ban beiläufig keinen sehr wesentlichen Schwie¬
rigkeiten begegnen würde, so wird man in dem Kongo eine prachtvolle Wasserstraße
von der See bis tief in das Herz des Erdteils offen vor sich sehen, die mit ihren
Verzweigungen, den Nebenflüssen, von Jahr zu Jahr mehr Erzeugnisse des
europäischen Gewerbefleißes zum Austausche mit den Produkten der Eingebornen
ins Land fuhren und zugleich die Einflüsse der Zivilisation welche deu Bahnen
des Handels folgen, mit Macht in diese Varbareugebiete eindringen lassen wird.
Natürlich ist, daß die .Kapitalisten Europas sich nicht eher entschließen werden,
das zur Anlegung jener Schiencnstraße und zur Errichtung von Dampfer¬
linien auf dem Strom erforderliche Geld herzugeben, als bis wenigstens in
einem großen Teile des weiten Gebietes Ordnung, Friede und die Möglich¬
keit gedeihlicher Entwicklung überhaupt hergestellt sind. Die Gebietsabgren¬
zungen, die man in Berlin vorgenommen hat, lassen uns gutes hoffen. Ein
mächtiges Stück der afrikanischen Länder- und Vvlkerwelt ist dort in gütlicher
Übereinkunft in drei Stücke zerschnitten worden, und man hat davon das nörd¬
liche den Franzosen, das mittelste der Gesellschaft, an deren Spitze der belgische
König steht, und das südliche den Portugiesen zugesprochen. Das ganze süd¬
liche Ufer des Stanley Pook und der Strecke, welche die großen Stromschnellen
einnehmen, gehört zu dein neuen Staate, das ganze nördliche ist französischer
Besitz geworden. Das Nordufer des Kongo vom untern Ende der Strom¬
schnellen bis um die Meeresküste hat mau gleichfalls dein neuen Staate zugeteilt,
und zwar in der Weise, daß dessen Grenzen vom Strome wie von der See
bis tief ins Binnenland sich erstrecken. Auch im Süden des Flusses gehört
ihm eine bedeutende Strecke Land am Ufer hin und weiter einwärts, die un¬
gefähr bis zur Hälfte des Landstriches zwischen den Stromschnellen und dem
Atlantische» Meere reicht. Frankreich besitzt weitgedehnte Gebiete im Norden
des neuen Uferstaatcs, und Portugal hat noch ausgedehntere Landstrecken im
Süden, sowie eine» Streifen Küste bekommen, welcher der Kongomündung nahe
ist. aber sie nicht unmittelbar begrenzt. Über die starke Besitzausdehnnng Por¬
tugals und Frankreichs über das Thal des Kongo kann mau sich nicht mit
ungemischten Gefühlen freuen, namentlich in England nicht. Die Portugiesen
haben hier bisher keine sehr rühmliche Rolle gespielt. Ihre Beamten standen
nicht mit Unrecht immer in dem Rufe, als kärglich oder garnicht besoldete
Leute sich von Sklavenhändlern bestechen zu lassen und deren Treiben nach
Kräften zu begünstigen. Ihre Zolloffizicmteu waren wegen ihres anmaßenden
Auftretens berüchtigt und galten ebenfalls für der Bestechung viel zugänglicher
als dem guten Rechte derer, die hier Handel treiben. Den Franzosen wird der¬
gleichen Untugend nicht nachgesagt, aber den englischen Schiffern und Kauf¬
leuten sind sie als Schutzzöllner mit hohen Tarifen für britische Kattune und
Eisenwaaren gewiß ein Dorn im Auge. Indes wird Manchester mit seiner


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[0617] dieses Hindernis für die Beschiffung des Kongo vom Waarenverkehr auf einer Eisen¬ bahn umgangen werden kann, deren Ban beiläufig keinen sehr wesentlichen Schwie¬ rigkeiten begegnen würde, so wird man in dem Kongo eine prachtvolle Wasserstraße von der See bis tief in das Herz des Erdteils offen vor sich sehen, die mit ihren Verzweigungen, den Nebenflüssen, von Jahr zu Jahr mehr Erzeugnisse des europäischen Gewerbefleißes zum Austausche mit den Produkten der Eingebornen ins Land fuhren und zugleich die Einflüsse der Zivilisation welche deu Bahnen des Handels folgen, mit Macht in diese Varbareugebiete eindringen lassen wird. Natürlich ist, daß die .Kapitalisten Europas sich nicht eher entschließen werden, das zur Anlegung jener Schiencnstraße und zur Errichtung von Dampfer¬ linien auf dem Strom erforderliche Geld herzugeben, als bis wenigstens in einem großen Teile des weiten Gebietes Ordnung, Friede und die Möglich¬ keit gedeihlicher Entwicklung überhaupt hergestellt sind. Die Gebietsabgren¬ zungen, die man in Berlin vorgenommen hat, lassen uns gutes hoffen. Ein mächtiges Stück der afrikanischen Länder- und Vvlkerwelt ist dort in gütlicher Übereinkunft in drei Stücke zerschnitten worden, und man hat davon das nörd¬ liche den Franzosen, das mittelste der Gesellschaft, an deren Spitze der belgische König steht, und das südliche den Portugiesen zugesprochen. Das ganze süd¬ liche Ufer des Stanley Pook und der Strecke, welche die großen Stromschnellen einnehmen, gehört zu dein neuen Staate, das ganze nördliche ist französischer Besitz geworden. Das Nordufer des Kongo vom untern Ende der Strom¬ schnellen bis um die Meeresküste hat mau gleichfalls dein neuen Staate zugeteilt, und zwar in der Weise, daß dessen Grenzen vom Strome wie von der See bis tief ins Binnenland sich erstrecken. Auch im Süden des Flusses gehört ihm eine bedeutende Strecke Land am Ufer hin und weiter einwärts, die un¬ gefähr bis zur Hälfte des Landstriches zwischen den Stromschnellen und dem Atlantische» Meere reicht. Frankreich besitzt weitgedehnte Gebiete im Norden des neuen Uferstaatcs, und Portugal hat noch ausgedehntere Landstrecken im Süden, sowie eine» Streifen Küste bekommen, welcher der Kongomündung nahe ist. aber sie nicht unmittelbar begrenzt. Über die starke Besitzausdehnnng Por¬ tugals und Frankreichs über das Thal des Kongo kann mau sich nicht mit ungemischten Gefühlen freuen, namentlich in England nicht. Die Portugiesen haben hier bisher keine sehr rühmliche Rolle gespielt. Ihre Beamten standen nicht mit Unrecht immer in dem Rufe, als kärglich oder garnicht besoldete Leute sich von Sklavenhändlern bestechen zu lassen und deren Treiben nach Kräften zu begünstigen. Ihre Zolloffizicmteu waren wegen ihres anmaßenden Auftretens berüchtigt und galten ebenfalls für der Bestechung viel zugänglicher als dem guten Rechte derer, die hier Handel treiben. Den Franzosen wird der¬ gleichen Untugend nicht nachgesagt, aber den englischen Schiffern und Kauf¬ leuten sind sie als Schutzzöllner mit hohen Tarifen für britische Kattune und Eisenwaaren gewiß ein Dorn im Auge. Indes wird Manchester mit seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/617>, abgerufen am 22.07.2024.