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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Zur Revision inanchesterlicher Lehren.

lieh ist, muß, soweit sie nicht vom Unternehmer selbst geleistet werden kann, als
eine Ergänzung des toten Werkzeuges von Arbeitern übernommen werden. So
ist denn dem Arbeiter Gelegenheit gegeben, indem er außer seiner rohen Kraft
Werkzeuge und Intelligenz mitbringt, dem Unternehmer einen Teil des Betriebs¬
kapitals abzunehmen, ihm die Verzinsung und das Risiko zu erleichtern, dafür
entsprechende Entschädigung, Lohnerhöhung, zu verlangen und sich über die¬
jenigen zu erheben, welche nur mit ihrem Körper bei der Gütererzeugung mit¬
wirke!?.

In dieser Weise sehen wir die über ganz Europa verbreiteten und bei allen
großen Erdarbeiten bevorzugten italienischen Arbeiter in kleineren und größeren
Gruppen unter Leitung eines Obmanns, der die Arbeit verteilt und überwacht,
die Zucht aufrecht erhält, das Kastenwesen besorgt und mit dem allein der
Unternehmer koutrahirt; wir sehen sie mit ihren Werkzengen, ja selbst mit
Karren und Pferden versehen, umfangreiche Erdarbeiten übernehmen und auf
diese Weise in weit höherem Grade Gehilfen des Unternehmers werden, als
dies bei andern Arbeitern der Fall ist.

Ich könnte mir sehr gut eine Genossenschaft ländlicher Arbeiter denken,
die im Besitze vou Lokomobilen, Dampfpflug, von Mäh- und Dreschmaschinen
den größeren Landwirten ihre Arbeit abnähme -- Genossenschaften, die sich
so kräftig organisirten, daß man ihnen größere Arbeiten als Unternehmer an¬
vertrauen könnte, eine Forderung, die jetzt in Frankreich vou Maurern, Tischlern
und andern GeWerken gestellt und von der Regierung freundlich aufgenommen
wird. Solche Vereinigungen haben ja in England (traclvL rmions) schon längst
zu großartigen Erfolgen, ja mitunter zu gänzlicher Emanzipation von Kapitalisten
und Unternehmern geführt; und wenn ich nicht irre, erblickt darin John Stuart
Mill das hauptsächlichste Mittel zur Besserung des Loses der Arbeiter.

Vielleicht steht es in den Sternen geschrieben, daß diejenigen Arbeiter, die
nur ihre Hände mitbringen, zu gründe gehen müssen. Denn darüber kann
kein Zweifel bestehen, daß der unaufhaltsame Fortschritt der Naturwissenschaften
die Industrie mehr und mehr befähigt, die rohe menschliche Kraft durch Ma¬
schinen zu ersetzen, zu deren Bedienung Übung und Intelligenz, aber wenig
Kraft erforderlich ist. Man hat dies einen Kampf der Maschinen mit den
Arbeitern genannt und deshalb den Maschinen einen Krieg erklärt, der oft zu
blinder Zerstörungswut ausgeartet ist. Dieser Krieg, wenn man es so nennen
will, besteht allerdings; allein die Arbeiter sind darin nicht ohne Waffen. Sie
dürfen eben in der allgemeinen Vorwärtsbewegung nicht allein zurückbleiben,
sie müssen sich in die Lage versetzen, den Unternehmern höhere Intelligenz und
Geschicklichkeit mitzubringen. Dazu sind ihnen die Wege geebnet durch den all¬
gemeinen und unentgeltlichen Schulunterricht; durch die täglich sich mehrende
Gelegenheit zur Ausbildung in einzelnen Fächern, durch vielfache Veranstaltungen
von Regierungen und Vereinen, ja selbst von vielen größeren Industrielle" zur


Zur Revision inanchesterlicher Lehren.

lieh ist, muß, soweit sie nicht vom Unternehmer selbst geleistet werden kann, als
eine Ergänzung des toten Werkzeuges von Arbeitern übernommen werden. So
ist denn dem Arbeiter Gelegenheit gegeben, indem er außer seiner rohen Kraft
Werkzeuge und Intelligenz mitbringt, dem Unternehmer einen Teil des Betriebs¬
kapitals abzunehmen, ihm die Verzinsung und das Risiko zu erleichtern, dafür
entsprechende Entschädigung, Lohnerhöhung, zu verlangen und sich über die¬
jenigen zu erheben, welche nur mit ihrem Körper bei der Gütererzeugung mit¬
wirke!?.

In dieser Weise sehen wir die über ganz Europa verbreiteten und bei allen
großen Erdarbeiten bevorzugten italienischen Arbeiter in kleineren und größeren
Gruppen unter Leitung eines Obmanns, der die Arbeit verteilt und überwacht,
die Zucht aufrecht erhält, das Kastenwesen besorgt und mit dem allein der
Unternehmer koutrahirt; wir sehen sie mit ihren Werkzengen, ja selbst mit
Karren und Pferden versehen, umfangreiche Erdarbeiten übernehmen und auf
diese Weise in weit höherem Grade Gehilfen des Unternehmers werden, als
dies bei andern Arbeitern der Fall ist.

Ich könnte mir sehr gut eine Genossenschaft ländlicher Arbeiter denken,
die im Besitze vou Lokomobilen, Dampfpflug, von Mäh- und Dreschmaschinen
den größeren Landwirten ihre Arbeit abnähme — Genossenschaften, die sich
so kräftig organisirten, daß man ihnen größere Arbeiten als Unternehmer an¬
vertrauen könnte, eine Forderung, die jetzt in Frankreich vou Maurern, Tischlern
und andern GeWerken gestellt und von der Regierung freundlich aufgenommen
wird. Solche Vereinigungen haben ja in England (traclvL rmions) schon längst
zu großartigen Erfolgen, ja mitunter zu gänzlicher Emanzipation von Kapitalisten
und Unternehmern geführt; und wenn ich nicht irre, erblickt darin John Stuart
Mill das hauptsächlichste Mittel zur Besserung des Loses der Arbeiter.

Vielleicht steht es in den Sternen geschrieben, daß diejenigen Arbeiter, die
nur ihre Hände mitbringen, zu gründe gehen müssen. Denn darüber kann
kein Zweifel bestehen, daß der unaufhaltsame Fortschritt der Naturwissenschaften
die Industrie mehr und mehr befähigt, die rohe menschliche Kraft durch Ma¬
schinen zu ersetzen, zu deren Bedienung Übung und Intelligenz, aber wenig
Kraft erforderlich ist. Man hat dies einen Kampf der Maschinen mit den
Arbeitern genannt und deshalb den Maschinen einen Krieg erklärt, der oft zu
blinder Zerstörungswut ausgeartet ist. Dieser Krieg, wenn man es so nennen
will, besteht allerdings; allein die Arbeiter sind darin nicht ohne Waffen. Sie
dürfen eben in der allgemeinen Vorwärtsbewegung nicht allein zurückbleiben,
sie müssen sich in die Lage versetzen, den Unternehmern höhere Intelligenz und
Geschicklichkeit mitzubringen. Dazu sind ihnen die Wege geebnet durch den all¬
gemeinen und unentgeltlichen Schulunterricht; durch die täglich sich mehrende
Gelegenheit zur Ausbildung in einzelnen Fächern, durch vielfache Veranstaltungen
von Regierungen und Vereinen, ja selbst von vielen größeren Industrielle» zur


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[0568] Zur Revision inanchesterlicher Lehren. lieh ist, muß, soweit sie nicht vom Unternehmer selbst geleistet werden kann, als eine Ergänzung des toten Werkzeuges von Arbeitern übernommen werden. So ist denn dem Arbeiter Gelegenheit gegeben, indem er außer seiner rohen Kraft Werkzeuge und Intelligenz mitbringt, dem Unternehmer einen Teil des Betriebs¬ kapitals abzunehmen, ihm die Verzinsung und das Risiko zu erleichtern, dafür entsprechende Entschädigung, Lohnerhöhung, zu verlangen und sich über die¬ jenigen zu erheben, welche nur mit ihrem Körper bei der Gütererzeugung mit¬ wirke!?. In dieser Weise sehen wir die über ganz Europa verbreiteten und bei allen großen Erdarbeiten bevorzugten italienischen Arbeiter in kleineren und größeren Gruppen unter Leitung eines Obmanns, der die Arbeit verteilt und überwacht, die Zucht aufrecht erhält, das Kastenwesen besorgt und mit dem allein der Unternehmer koutrahirt; wir sehen sie mit ihren Werkzengen, ja selbst mit Karren und Pferden versehen, umfangreiche Erdarbeiten übernehmen und auf diese Weise in weit höherem Grade Gehilfen des Unternehmers werden, als dies bei andern Arbeitern der Fall ist. Ich könnte mir sehr gut eine Genossenschaft ländlicher Arbeiter denken, die im Besitze vou Lokomobilen, Dampfpflug, von Mäh- und Dreschmaschinen den größeren Landwirten ihre Arbeit abnähme — Genossenschaften, die sich so kräftig organisirten, daß man ihnen größere Arbeiten als Unternehmer an¬ vertrauen könnte, eine Forderung, die jetzt in Frankreich vou Maurern, Tischlern und andern GeWerken gestellt und von der Regierung freundlich aufgenommen wird. Solche Vereinigungen haben ja in England (traclvL rmions) schon längst zu großartigen Erfolgen, ja mitunter zu gänzlicher Emanzipation von Kapitalisten und Unternehmern geführt; und wenn ich nicht irre, erblickt darin John Stuart Mill das hauptsächlichste Mittel zur Besserung des Loses der Arbeiter. Vielleicht steht es in den Sternen geschrieben, daß diejenigen Arbeiter, die nur ihre Hände mitbringen, zu gründe gehen müssen. Denn darüber kann kein Zweifel bestehen, daß der unaufhaltsame Fortschritt der Naturwissenschaften die Industrie mehr und mehr befähigt, die rohe menschliche Kraft durch Ma¬ schinen zu ersetzen, zu deren Bedienung Übung und Intelligenz, aber wenig Kraft erforderlich ist. Man hat dies einen Kampf der Maschinen mit den Arbeitern genannt und deshalb den Maschinen einen Krieg erklärt, der oft zu blinder Zerstörungswut ausgeartet ist. Dieser Krieg, wenn man es so nennen will, besteht allerdings; allein die Arbeiter sind darin nicht ohne Waffen. Sie dürfen eben in der allgemeinen Vorwärtsbewegung nicht allein zurückbleiben, sie müssen sich in die Lage versetzen, den Unternehmern höhere Intelligenz und Geschicklichkeit mitzubringen. Dazu sind ihnen die Wege geebnet durch den all¬ gemeinen und unentgeltlichen Schulunterricht; durch die täglich sich mehrende Gelegenheit zur Ausbildung in einzelnen Fächern, durch vielfache Veranstaltungen von Regierungen und Vereinen, ja selbst von vielen größeren Industrielle» zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/568>, abgerufen am 23.07.2024.