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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Zur Revision incmchesterlicher bohren.

Gewinnes überlassen, womit der Konflikt ihrer Interessen beseitigt ist. Der Ar¬
beiter aber im allgemeinen ist nicht in gleicher Lage; er vermag nicht einen
Teil des Uuternehmnngsvcrlustes zu tragen.

Nun wäre es zwar theoretisch denkbar und ist auch sozialistischcrseits, ich
glaube von Louis Blanc in seiner Organisation Zu er^vAil, vorgeschlagen
worden, daß mau den Arbeitslohn so bestimme, daß ein Teil den festen Lohn
bildet, der zu den Produktionskosten gehört und unter alleu Umständen aus¬
gezahlt werden muh, ein zweiter Teil aber diejenige Quote darstellt, mit welcher
der Arbeiter an Gewinn und Verlust teilzunehmen hätte. Es ist dies aber,
ivie wohl allgemein anerkannt ist, aus tausend Gründen unausführbar, wovon
ich nur einige erwähnen will.

1. Nur diejenigen Arbeiter könnten in dieser Weise beteiligt werden, welche
das ganze Bilanzjahr in dem Unternehmen beschäftigt gewesen sind. 2. Da
die einzelnen Arbeiter verschiedene Löhne haben, so müßte mit jedem einzelnen
abgerechnet werden. 3. Es hätte große Schwierigkeiten, wenn es überhaupt
möglich wäre, das Verhältnis des einzelnen Arbeitslohnes zum Prvduktious-
werte festzustellen. 4. Der Zeitpunkt der Abrechnung wäre kaum festzu¬
stellen, weil die Frage, ob Gewinn oder Verlust erzielt ist, erst mit dem
wirklichen Verkaufe der produzirten Güter gegeben ist. 5. Allgemein ein¬
geführt, würde das System die Unternehmungen in solche scheiden, die Gewinn
bringen, und solche, die mit Verlust arbeiten; damit würde der Kredit der
letzteren und damit ihre Existenz vernichtet, und kein Arbeiter würde in solchen
gewinnlosen Geschäften dienen wollen. 6. Die Unternehmer würden, wenn nicht
aus Eigennutz, so doch aus Vorsicht, den Lohn im engern Sinne möglichst
Herabdrücken, wodurch der Borten des Systems für die Arbeiter illusorisch
würde -- und vieles andre.

Trotz alledem erscheint es nicht ausgeschlossen, daß der Arbeiter auf dem
angedeuteten Wege seine Interessen mit denen des Unternehmers wenn auch
nicht ausgleiche, doch mehr oder weniger versöhne. Das anzuwendende Mittel
muß dasselbe bleiben, das Ziel aber wird nicht Anteil an Gewinn und Verlust,
sondern nur eine billige Verzinsung des Angeführten Kapitals sein.

Worin aber besteht das Kapital, welches der Arbeiter mitbringen und damit
dem Unternehmer einen Teil seines Risikos abnehmen kann?

Zu jeder Produktion im heutigen Sinne des Wortes ist eine Kraft er¬
forderlich, welche nach dem Willen und der Absicht des Unternehmers auf ein
Werkzeug wirkt, um dem Stoffe die gewollt? Gestalt zu geben. Die Kraft
(die Bedienung der Maschine) liefert der Arbeiter, das Werkzeug der Unter¬
nehmer mittelst des Kapitals, welches zu dessen Anschaffung erforderlich ist.
Wenn nun der Arbeiter imstande ist, das Werkzeug, mit dem er arbeiten soll,
selbst zu stellen, so erhöht er seine Leistung und mindert den Kapitalaufwand
des Unternehmers. Auch die Intelligenz, welche zu einer Produktion erforder-


Zur Revision incmchesterlicher bohren.

Gewinnes überlassen, womit der Konflikt ihrer Interessen beseitigt ist. Der Ar¬
beiter aber im allgemeinen ist nicht in gleicher Lage; er vermag nicht einen
Teil des Uuternehmnngsvcrlustes zu tragen.

Nun wäre es zwar theoretisch denkbar und ist auch sozialistischcrseits, ich
glaube von Louis Blanc in seiner Organisation Zu er^vAil, vorgeschlagen
worden, daß mau den Arbeitslohn so bestimme, daß ein Teil den festen Lohn
bildet, der zu den Produktionskosten gehört und unter alleu Umständen aus¬
gezahlt werden muh, ein zweiter Teil aber diejenige Quote darstellt, mit welcher
der Arbeiter an Gewinn und Verlust teilzunehmen hätte. Es ist dies aber,
ivie wohl allgemein anerkannt ist, aus tausend Gründen unausführbar, wovon
ich nur einige erwähnen will.

1. Nur diejenigen Arbeiter könnten in dieser Weise beteiligt werden, welche
das ganze Bilanzjahr in dem Unternehmen beschäftigt gewesen sind. 2. Da
die einzelnen Arbeiter verschiedene Löhne haben, so müßte mit jedem einzelnen
abgerechnet werden. 3. Es hätte große Schwierigkeiten, wenn es überhaupt
möglich wäre, das Verhältnis des einzelnen Arbeitslohnes zum Prvduktious-
werte festzustellen. 4. Der Zeitpunkt der Abrechnung wäre kaum festzu¬
stellen, weil die Frage, ob Gewinn oder Verlust erzielt ist, erst mit dem
wirklichen Verkaufe der produzirten Güter gegeben ist. 5. Allgemein ein¬
geführt, würde das System die Unternehmungen in solche scheiden, die Gewinn
bringen, und solche, die mit Verlust arbeiten; damit würde der Kredit der
letzteren und damit ihre Existenz vernichtet, und kein Arbeiter würde in solchen
gewinnlosen Geschäften dienen wollen. 6. Die Unternehmer würden, wenn nicht
aus Eigennutz, so doch aus Vorsicht, den Lohn im engern Sinne möglichst
Herabdrücken, wodurch der Borten des Systems für die Arbeiter illusorisch
würde — und vieles andre.

Trotz alledem erscheint es nicht ausgeschlossen, daß der Arbeiter auf dem
angedeuteten Wege seine Interessen mit denen des Unternehmers wenn auch
nicht ausgleiche, doch mehr oder weniger versöhne. Das anzuwendende Mittel
muß dasselbe bleiben, das Ziel aber wird nicht Anteil an Gewinn und Verlust,
sondern nur eine billige Verzinsung des Angeführten Kapitals sein.

Worin aber besteht das Kapital, welches der Arbeiter mitbringen und damit
dem Unternehmer einen Teil seines Risikos abnehmen kann?

Zu jeder Produktion im heutigen Sinne des Wortes ist eine Kraft er¬
forderlich, welche nach dem Willen und der Absicht des Unternehmers auf ein
Werkzeug wirkt, um dem Stoffe die gewollt? Gestalt zu geben. Die Kraft
(die Bedienung der Maschine) liefert der Arbeiter, das Werkzeug der Unter¬
nehmer mittelst des Kapitals, welches zu dessen Anschaffung erforderlich ist.
Wenn nun der Arbeiter imstande ist, das Werkzeug, mit dem er arbeiten soll,
selbst zu stellen, so erhöht er seine Leistung und mindert den Kapitalaufwand
des Unternehmers. Auch die Intelligenz, welche zu einer Produktion erforder-


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[0567] Zur Revision incmchesterlicher bohren. Gewinnes überlassen, womit der Konflikt ihrer Interessen beseitigt ist. Der Ar¬ beiter aber im allgemeinen ist nicht in gleicher Lage; er vermag nicht einen Teil des Uuternehmnngsvcrlustes zu tragen. Nun wäre es zwar theoretisch denkbar und ist auch sozialistischcrseits, ich glaube von Louis Blanc in seiner Organisation Zu er^vAil, vorgeschlagen worden, daß mau den Arbeitslohn so bestimme, daß ein Teil den festen Lohn bildet, der zu den Produktionskosten gehört und unter alleu Umständen aus¬ gezahlt werden muh, ein zweiter Teil aber diejenige Quote darstellt, mit welcher der Arbeiter an Gewinn und Verlust teilzunehmen hätte. Es ist dies aber, ivie wohl allgemein anerkannt ist, aus tausend Gründen unausführbar, wovon ich nur einige erwähnen will. 1. Nur diejenigen Arbeiter könnten in dieser Weise beteiligt werden, welche das ganze Bilanzjahr in dem Unternehmen beschäftigt gewesen sind. 2. Da die einzelnen Arbeiter verschiedene Löhne haben, so müßte mit jedem einzelnen abgerechnet werden. 3. Es hätte große Schwierigkeiten, wenn es überhaupt möglich wäre, das Verhältnis des einzelnen Arbeitslohnes zum Prvduktious- werte festzustellen. 4. Der Zeitpunkt der Abrechnung wäre kaum festzu¬ stellen, weil die Frage, ob Gewinn oder Verlust erzielt ist, erst mit dem wirklichen Verkaufe der produzirten Güter gegeben ist. 5. Allgemein ein¬ geführt, würde das System die Unternehmungen in solche scheiden, die Gewinn bringen, und solche, die mit Verlust arbeiten; damit würde der Kredit der letzteren und damit ihre Existenz vernichtet, und kein Arbeiter würde in solchen gewinnlosen Geschäften dienen wollen. 6. Die Unternehmer würden, wenn nicht aus Eigennutz, so doch aus Vorsicht, den Lohn im engern Sinne möglichst Herabdrücken, wodurch der Borten des Systems für die Arbeiter illusorisch würde — und vieles andre. Trotz alledem erscheint es nicht ausgeschlossen, daß der Arbeiter auf dem angedeuteten Wege seine Interessen mit denen des Unternehmers wenn auch nicht ausgleiche, doch mehr oder weniger versöhne. Das anzuwendende Mittel muß dasselbe bleiben, das Ziel aber wird nicht Anteil an Gewinn und Verlust, sondern nur eine billige Verzinsung des Angeführten Kapitals sein. Worin aber besteht das Kapital, welches der Arbeiter mitbringen und damit dem Unternehmer einen Teil seines Risikos abnehmen kann? Zu jeder Produktion im heutigen Sinne des Wortes ist eine Kraft er¬ forderlich, welche nach dem Willen und der Absicht des Unternehmers auf ein Werkzeug wirkt, um dem Stoffe die gewollt? Gestalt zu geben. Die Kraft (die Bedienung der Maschine) liefert der Arbeiter, das Werkzeug der Unter¬ nehmer mittelst des Kapitals, welches zu dessen Anschaffung erforderlich ist. Wenn nun der Arbeiter imstande ist, das Werkzeug, mit dem er arbeiten soll, selbst zu stellen, so erhöht er seine Leistung und mindert den Kapitalaufwand des Unternehmers. Auch die Intelligenz, welche zu einer Produktion erforder-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/567>, abgerufen am 23.07.2024.